Shirin David, Ikkimel und Co.: Rapperinnen zwischen Sexismus und Empowerment
Hyperfeminine Rapperinnen eignen sich die Phrasen ihrer männlichen Kollegen an. Sie rappen über Sex, gutes Aussehen und Erfolg. Ist das noch weibliche Selbstbestimmung oder schon Sexismus? MADS-Autorin Karlotta plädiert für einen differenzierten Blick.
Es ist ein bekanntes Problem, dass frauenfeindliche Texte im Deutschrap gut ankommen. Rapper prahlen mit „Bitches“ und One-Night-Stands, die Frau wird abgewertet und Sex als eine Art Statussymbol dargestellt. Doch diese Themen finden sich auch in den Lyrics weiblicher Rapperinnen: Ist das internalisierter Sexismus oder doch künstlerische Satire?
Sexismus im Rap: Kein neues Phänomen
Ein Beispiel: Katja Krasavice, die auch schon vor ihrer Musikkarriere provokante und sexuelle Aussagen in Videos auf Youtube traf. Gleich ihr erster Song „Doggy“ sorgte 2017 für enorme Aufmerksamkeit. 2019 folgte Shirin David mit dem Debütalbum „Supersize“, dessen Songs sich zwar weniger um Sex, dafür aber ebenfalls um ihr gutes Aussehen drehen. Auf dem Cover posiert die Rapperin nackt. Es ist also keine neue Debatte, doch Davids Song „Bauch Beine Po“ und Rapperin Ikkimel lassen sie nun wieder hochkochen.
Aus der einen Ecke gibt es Zuspruch: Rapperinnen stünden für Selbstliebe und gegen sexistische Kommentare, zum Beispiel in Bezug auf Kleidernormen. „Manche gucken komisch, meinen, dass mein Kleid zu kurz ist. Ich bin nicht halb nackt, bin nur halb angezogen“, rappt David in „Gib ihm“. Oder sie brechen mit Tabus, nehmen sich, was sie wollen und stehen zu ihrer Sexualität. Krasavice singt selbstbestimmt: „Gib’s mir Doggy“.
Provokation als Erfolgsmodell
Eines schaffen die jungen Rapperinnen mit ihren Texten in jedem Fall: zu provozieren. Und das bringt ordentlich Aufmerksamkeit mit sich. Nachwuchs gibt es jetzt unter anderem durch die Berliner Rapperin Ikkimel, die 2023 ihre Debüt-EP „Aszendent Bitch“ veröffentlichte. Ikkimels Musik lehnt stark in Richtung Techno, die Künstlerin nimmt in ihren Texten kein Blatt vor den Mund. Im Feature mit Ski Aggu, „Deutschland“, rappt die 22-Jährige über Sex und Drogen – besonders eine Line wird immer wieder geteilt. Auf Ski Aggus Frage „Doch warum schaust du mich jetzt an mit diesem Blick?“ antwortet Ikkimel: „So guck‘ ich immer, wenn ich will, dass man mich fickt.“ Auch in anderen Liedern äußert sich die Rapperin ähnlich vulgär. Ikkimel bezeichnet ihre Musik als „Fotzenstyle“, und eignet sich dadurch eines der wohl schlimmsten Schimpfwörter gegen Frauen an.
Doch vielen gehen die Künstlerinnen auch zu weit. Die Kritik: zu knappe Klamotten, zu extreme Texte, eine zu junge Zielgruppe. Die enorm sexualisierte Darstellung der eigenen Person wird als rückschrittlich gewertet, denn womit die Rapperinnen ihr Geld verdienen, ist schließlich auch eine männliche Fantasie. Genau diese Darstellung der Frau wird an Musikvideos und Texten männlicher Rapper kritisiert, wenn diese im Hintergrund tanzen, sich an den Protagonisten heranschmeißen oder vor einem teuren Auto posieren.
Kunstfigur „Bitch“
Eines darf nicht vergessen werden: Künstlerinnen und Künstler kreieren für sich meist eine Kunstfigur, was bedeutet, dass man nicht sofort alle Texte ernst nehmen oder auf die Goldwaage legen muss. Erst recht muss differenziert werden zwischen der Rapperin und der Privatperson. Die Kunstfigur der selbstbewussten „Bitch“ zieht: Katja Krasavice und Shirin David genießen schon seit langer Zeit großen Erfolg. Und auch Ikkimel wird durch mehr als eine Million Aufrufe bei Youtube und fast 14 Millionen Streams auf Spotify belohnt: ganz nach dem Motto „sex sells“. Trotzdem steckt dahinter natürlich auch jede Menge Arbeit und Talent. Der Schluss in dieser Debatte darf nie sein, dass Rapperinnen „nur“ durch ihre Kontroversen an Berühmtheit gelangt seien.
Zwischen Objektifizierung und Feminismus
Ob diese sexuell selbstbestimmte Haltung nun auch bedeutet, dass die Texte feministisch sind, darauf findet Youtuberin Matilda in ihrer Videoanalyse zu Ikkimels Songtexten folgende Antwort: „Nur weil sie eine weibliche Musikerin ist, muss sie nicht unbedingt feministische Musik machen. Heißt aber auch: Nur weil sie eine weibliche Musikerin ist, muss man nicht auf Krampf das Feministische in dieser Musik suchen.“
Ist es überhaupt gerechtfertigt, den Anspruch an weibliche Rapperinnen zu haben, dass alles, was sie tun, auch gleichzeitig ein feministisches Statement sein muss? Ist die Aussage eine andere, wenn Frauen auf ihren Körper reduziert werden, je nachdem, ob sie von einem Mann oder einer Frau kommt? Nein. Nach wie vor geht es hier um Kunst. Ob das nun der neue, sexpositive Feminismus ist, den die Welt gebraucht hat, oder die sexistische Selbstbeleidigung der Frau, bleibt eine subjektive Geschmacksfrage. Doch: Das Prinzip „Wenn es dir nicht gefällt, dann hör es dir halt nicht an“ greift nur so lange, wie die Kunst tatsächlich Kunst bleibt. Dann gehört die Provokation dazu. Kunstfreiheit heißt: Rapperinnen und Rapper dürfen in ihren Texten schreiben, was sie wollen – es muss nur klar sein: Die Würde der Frau, ihr Recht auf Selbstbestimmung und Unversehrtheit bleibt unverhandelbar.
Von Karlotta Hamburg
Lies auch:
Wenn solche Texte von einem Mann kommen, würde es heißen: „Kunstfreiheit hat Grenzen, die damit überschritten sind!!!1!“