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Seenotrettung zwischen Kriminalisierung und provisorischer Rest-Humanität

Seenotrettung zwischen Kriminalisierung und provisorischer Rest-Humanität
Foto: Boris Roessler/dpa

Die vergangenen Tage zeigen: Seenotrettung, ist keine private, sondern eine staatliche Aufgabe. Wenn die Europäische Union ihre Grundwerte aufgibt, dann gibt sie sich selbst auf, kommentiert Markus Decker.


Entwicklungshilfeminister Gerd Müller hat die Alternativen eines Flüchtlings in Libyen soeben in all ihrer Brutalität zusammengefasst. Die Menschen in den Lagern des nordafrikanischen Landes könnten durch Gewalt oder Hunger sterben, auf dem Rückweg in der Wüste verdursten oder im Mittelmeer ertrinken, sagte der CSU-Politiker. Deshalb müsse Europa handeln.

Doch Europa, genauer: die Europäische Union, handelt nicht. Das hat man zuletzt wieder sehen können. Stattdessen nähert sich ein privates Rettungsschiff nach dem anderen den Küsten Maltas oder Italiens. Was dann geschieht, pendelt zwischen Kriminalisierung und provisorischer Rest-Humanität.

Bekanntlich ist die Flüchtlingspolitik seit Jahren das heißeste Eisen der EU. Teilweise mit fragwürdigen Politikern besetzte Regierungen torpedieren solidarische Lösungen. Andere Staaten – allen voran Deutschland – nahmen innerhalb kürzester Zeit so viele Flüchtlinge auf, dass die politischen Folgen bis heute zu besichtigen sind.

Nicht allein misslangen sämtliche Versuche, die anlandenden Flüchtlinge gerecht zu verteilen. Im Frühjahr hat die EU auch noch die letzte Hängebrücke über das Mittelmeer hoch gezogen: Auf Druck Italiens wurde die Seenotrettungsmission „Sophia“ gestoppt.

Moralisches Dilemma

Nur: Die Probleme bestehen fort. Schiffe wie „See Watch 3“, „Alex“ oder „Alan Kurdi“ konfrontieren die EU mit dem weiter existierenden moralischen Dilemma und verdeutlichen: Seenotrettung ist im 21. Jahrhundert eine staatliche Aufgabe. Nötig sind humanitäre Korridore.

Unabweisbar ist ferner die Wiederaufnahme einer EU-Rettungsmission. Beides wird auf Dauer nicht funktionieren, wenn der EU nicht endlich gelingt, woran sie bislang scheiterte – eine gerechte Verteilung der in Not Geratenen.

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Natürlich existiert die Wahrscheinlichkeit eines Pull-Faktors. Je aussichtsreicher es für Flüchtlinge erscheint, sich auf die Boote zu setzen, desto eher könnten es manche tun. Freilich ist es nicht akzeptabel, zu sagen: Weil es einen Pull-Faktor geben könnte, lassen wir die Humanität sausen.

„Koalition der Willigen“

Unwillig sind neben Italien fraglos die osteuropäischen Visegrad-Staaten, die eine Verteilung von Flüchtlingen selbst auf niedrigstem Niveau bisher torpediert haben. Eine EU-Seenotrettung wird nämlich ohne diese Verteilung auf Dauer nicht funktionieren.

Dennoch führt kein Weg daran vorbei, mit diesen Regierungen weiterhin das Gespräch zu suchen, bisweilen sanften Druck auszuüben und bis dahin auf eine „Koalition der Willigen“ zu setzen. Langfristig wird man auf den einen oder anderen Regierungswechsel – in Polen oder Ungarn – hoffen müssen.

Der Mangel an Menschlichkeit nach außen jedenfalls wird sich mehr und mehr auch gegen uns richten, weil er uns nach innen verhärten und Grundwerte erodieren lässt. Eine geteilte Menschlichkeit ist keine. Das sollten alle wissen.

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Von Markus Decker/RND


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