Schattenseiten der EM: Diese Aspekte dürfen trotz des Hypes nicht in Vergessenheit geraten
Deutschland und weite Teile Europas befinden sich seit Mitte Juni im EM-Fieber. Während das Fußballturnier größtenteils harmonisch abläuft, gibt es immer noch viele Baustellen – von Rassismus über häusliche Gewalt bis zu falschen Nachhaltigkeitsversprechen.
Seit dem 5:1-Sieg im Eröffnungsspiel von Deutschland gegen Schottland ist der EM-Hype endgültig im Land angekommen. Auf sozialen Medien häufen sich Videos von Fans verschiedener Nationen, die zusammen feiern und die Fußball-Europameisterschaft in vollen Zügen genießen. Die deutschen und schottischen Anhängerinnen und Anhänger verstehen sich sogar so gut, dass eine Petition für ein jährliches Freundschaftsspiel beider Länder ins Leben gerufen wurde, die bereits mehr als 30.000 Unterschriften erhalten hat. Doch neben der größtenteils guten Stimmung um die EM gibt es auch negative Aspekte, die nicht in den Hintergrund geraten dürfen.
Anfeindungen gegen Spieler mit Migrationshintergrund
Politikerinnen und Politiker der AfD nutzen Spiele der deutschen Nationalmannschaft immer wieder, um gegen Spieler mit Migrationshintergrund zu hetzen. Einige Parteimitglieder gaben an, die EM nicht zu verfolgen, da sie sich nicht mehr mit der DFB-Elf identifizieren können. So behauptete Maximilian Krah in einem Video auf Tiktok, die deutsche Mannschaft sei „eine politisch korrekte Söldnertruppe“. Zudem hetzte der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt permanent gegen Nationalspieler Antonio Rüdiger, bis dieser in Zusammenarbeit mit dem DFB Anzeige gegen Reichelt erstattete.
In einem Beitrag der „Tagesschau“ erklärte Politikwissenschaftler und Soziologe Özgür Özvatan, dass Rassismus oft der Situation angepasst werde. „Es gibt dieses programmatische Grundangebot und das wird immer ereignisgetrieben angepasst auf das, was gerade aktuell ist. Aktuell wird es auf das große Fußballereignis Europameisterschaft aufgestülpt.“
Häusliche Gewalt steigt während Fußballspielen an
Eine Studie aus England brachte vor einigen Jahren schockierende Erkenntnisse: Dort stiegen die Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen um 38 Prozent, wenn die englische Nationalmannschaft ein Spiel verlor, und um 26 Prozent bei einem Sieg oder einem Unentschieden. Seitdem gab es mehrere ähnlich angelegte Studien mit größerer Stichzahl. Vor allem in Kombination mit Alkohol und anderen Drogen steige das Risiko für Fälle von häuslicher Gewalt an, so die Forschenden. Gegenüber dem „Stern“ sagt Autorin und Opferschutz-Expertin Agota Lavoyer zu den Erkenntnissen: „Eine innere Anspannung und ein erhöhter Alkoholkonsum können bei ohnehin gewaltbereiten Männern dazu führen, dass sie eher auch Gewalt ausüben. Dass man nun im Kontext der EM wieder mehr über häusliche Gewalt spricht, ist grundsätzlich sehr begrüßenswert, denn nach wie vor wird geschlechtsspezifische Gewalt weder von der Gesellschaft noch von der Politik als das behandelt, was es ist: eine globale Krise, der mit allen Mitteln entgegengewirkt werden muss.“
Problematisches Fan-Verhalten während EM
Einige Fan-Gruppierungen sorgten bei vergangenen Turnieren immer wieder für Negativ-Schlagzeilen, darunter englische Hooligans und eine rechte Ultra-Gruppe aus Ungarn, die „Carpathian Brigade“. Während der Großteil der ungarischen Fans durch positives Verhalten auffiel, gibt es seit einigen Jahren immer wieder Vorfälle, die dem ungarischen Verband Geldstrafen einhandeln. So hielten Teile der Ultra-Gruppe homofeindliche Spruchbanner bei Spielen ihrer Mannschaft hoch und stimmten queerfeindliche Gesänge an. Derartige Vorfälle scheint es bei der diesjährigen EM nicht gegeben zu haben, einige Ungarn-Fans machten sich jedoch offen über die Röcke der Schotten lustig und präsentierten sich mit Schildern mit der Aufschrift „Skirt is for Woman“. Fußball bietet einigen Fans also immer noch die Möglichkeit, ihre Misogynie und Queerfeindlichkeit offen auszuleben.
Hungary fans last night pic.twitter.com/HmlMKXErLV
— Football Laughs (@FootballLaughss) June 24, 2024
UEFA wirbt mit Nachhaltigkeit – und AliExpress
Vor Beginn der EM veröffentlichte die UEFA eine Strategie, nach der das Turnier möglichst nachhaltig gestaltet werden sollte. Man wolle „in Sachen Nachhaltigkeit von Veranstaltungen für die Welt des Sports eine treibende Kraft für eine nachhaltige Entwicklung der deutschen und europäischen Gesellschaft“ werden. Die Deutsche Umwelthilfe sieht da allerdings noch Lücken: Zahlreiche Teams und Verbands-Funktionäre reisten per Kurzstreckenflug zwischen den Spielorten hin und her. Außerdem gebe es noch kein passendes Mehrwegsystem für Speisen innerhalb der Stadien, was viel Müll verursache. Zudem betreibe die UEFA Merchandising mit billigen und kurzlebigen Fan-Produkten, die ebenfalls Tonnen an Abfall produzierten.
Auch wirkt das Nachhaltigkeitsvorhaben scheinheilig, wenn man mit Firmen wie AliExpress wirbt. Das Unternehmen selbst wirbt mit Schnäppchen und Rabatten ohne Ende, trägt damit jedoch zur Schnelllebigkeit von Konsumgütern bei, die nach dem Kauf kurzerhand wieder in den Müll wandern. Zudem steht AliExpress aufgrund oftmals schlechter Produktqualität, billiger Produktion und Betrugsvorwürfen in der Kritik.
UEFA: Weitere problematische Werbepartner bei EM
Neben billigen Onlineshops macht die UEFA auch Werbung für andere problematische Drittparteien, beispielsweise für das Land Katar. Das präsentiert sich bei jedem Spiel als stolzer, offizieller Werbepartner und gibt sich weltoffen. Nach der WM, die dort im Winter 2022 stattfand, ist das für viele Fußballfans wenig glaubhaft. Beim Bau der Stadien starben zahlreiche Gastarbeiter, wie viele ist bis heute nicht bekannt. Die Angaben gehen weit auseinander, reichen von mehreren Hunderten bis 15.000.
Außerdem herrschen in Katar strikte Gesetze, die das Leben von Frauen einschränken. Zwar sind die Gesetze liberaler als die einiger Nachbarländer, trotzdem müssen Frauen sich für alltägliche Angelegenheiten die Erlaubnis von Männern einholen. Gewalt an Kindern durch ihre Eltern ist zudem erlaubt, homosexuelle Handlungen sind im Land immer noch verboten. Zudem dürfen sich Bürgerinnen und Bürger nicht für die Rechte von queeren Personen einsetzen.
Die UEFA versucht zwar, mit Kampagnen wie #footbAll ihr Image zu polieren und es so aussehen zu lassen, als setze sie sich für Menschenrechte und sozialen Wandel ein – bei solchen Werbepartnern wirkt das allerdings eher scheinheilig.
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