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Reizthema Cannabis: Wie gefährlich ist die Droge wirklich?

Reizthema Cannabis: Wie gefährlich ist die Droge wirklich?
Foto: Wesley Gibbs/Unsplash

Cannabis ist seit dem 1. April legal. Während es die einen als Droge für einen entspannten Lifestyle preisen, gibt es auch immer wieder Berichte darüber, dass Cannabis Psychosen auslöse. Wie gefährlich ist Cannabis wirklich?


Gerade mal ein gutes halbes Jahr ist die Legalisierung von Cannabis her. Nach anfänglichen Debatten war es zunächst etwas ruhiger geworden um das Thema. Doch nun kündigen CDU und CSU an, die Freigabe zurückzunehmen, sollten sie nach den Neuwahlen die Regierung führen.

Cannabis kann süchtig machen – muss es aber nicht, wie Experte Christian Krüger im Gespräch mit MADS berichtet. Krüger ist schon seit 30 Jahren bei DROBS tätig, einer Anlaufstelle der paritätischen Suchthilfe in Hannover. Hier betreibt er vor allem Prävention, kümmert sich aber auch um bereits süchtige Personen und arbeitet viel mit Jugendlichen.

Christian Krüger. Foto: privat

Cannabis – gefährlich oder nicht?

Der Suchtberater erklärt, dass Cannabis nicht automatisch zu einem süchtigen Verhalten führe. Dennoch habe er schon viele Menschen mit einer Cannabis-Sucht erlebt. Wichtig sei: Cannabis ist kein Zellgift und kann somit nicht zum Tod führen. Es ist aber trotzdem ein Rauschmittel und greift in die Gehirnfunktion ein. Gerade wenn das Gehirn sich noch voll entwickelt hat, also ungefähr bis zum 24. oder 25. Lebensjahr, kann ein erhöhter Cannabis-Konsum zu Beeinträchtigungen führen. Krüger ergänzt, dass man zwischen Gelegenheitskonsumenten und Menschen mit Abhängigkeitserkrankung unterscheiden müsse. Denn der Gelegenheitskonsum sei bei Menschen, die ein ausgereiftes Gehirn haben, weniger gefährlich. 

Cannabis enthält zwei Inhaltsstoffe mit verschiedenen Effekten: CBD und THC. Letzteres wirkt puschend und kann in hohen Anteilen halluzinogen sein. CBD wirkt beruhigend. Bei hochwertigem Cannabis sind die beiden Stoffe ausbalanciert. Heutzutage sind die meisten Sorten allerdings mit viel mehr THC angereichert, weswegen die Wirkstoffe aus der Balance geraten. So können durch die hohen halluzinogenen Anteile öfter Psychosen ausgelöst werden.

Ab wann ist man süchtig?

Bei jungen Menschen äußere sich die Abhängigkeit häufig anders als bei Erwachsenen. Denn, wie Krüger erklärt, lernen diese durch den Konsum bestimmte Bedürfnisse und Emotionen zu regulieren. Davon wegzukommen sei im Jugendalter deutlich schwieriger als später. Wenn Menschen über einen längeren Zeitraum konsumieren, dann nähmen sie immer weniger am gesellschaftlichen Alltag teil. Die Ausbildung oder der Beruf werde oft vernachlässigt, der Freundeskreis reduziere sich auf konsumierende Menschen, so Krüger. Das alles seien kritische Alarmsignale, die es zu beachten gelte.

Der Experte erklärt, dass es immer wichtig sei, zu hinterfragen: Was bewirke ich mit dem Rausch eigentlich? Er sagt auch, dass man sich fragen müsse, ob man die Kompetenzen hat, das, was man durch das Rauschmittel zu erreichen versucht, auch ohne zu schaffen. Darüber hinaus sollte man beachten, dass eine steigende Dosis ein Anzeichen für eine Abhängigkeit sein kann. Krüger erklärt, Neugier oder das Zugehörigkeitsgefühl seien die häufigsten Gründe für den Einstieg in den Konsum. Er gibt aber zu bedenken, dass es bei jeder Form von Abhängigkeit dazugehöre, die eigene Bedürfnisregulation zu verlernen.

Foto: Chase Fade/Unsplash

Die Legalisierung

Am 1. April 2024 trat das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland in Kraft. Seitdem ist der eigene Anbau und das Erwerben von Cannabis in sogenannten Social Clubs erlaubt. „Natürlich befürwortet die paritätische Suchthilfe es, dass Menschen aus der kriminellen Schiene kommen, wenn sie konsumieren“, sagt Krüger. Auch lassen sich so besser Safer-Use-Regeln erarbeiten. „Genauso ist das ja auch beim Alkohol schon passiert.“ Der Experte sieht Vor- und Nachteile in der Legalisierung. Einerseits gebe es so keine oder weniger Beschaffungskriminalität, andererseits seien 50 Gramm im Monat, die festgelegte Menge der Social Clubs, ungefähr 1,5 Gramm am Tag – und diese Menge setze auf jeden Fall nicht auf genussvollen Konsum. Der Suchtberater befürchtet, dass die Menschen so ihr Konsumverhalten nach oben regeln könnten. „Wie bei Netflix, damit sich das Abo auch lohnt“, sagt er. Schließlich zahlen die Menschen ja trotzdem Geld für die Social Clubs.

Sucht als Krankheit

Krüger betont, dass Sucht eine Krankheit sei. Man müsse mit diesem Begriff vorsichtig umgehen. Denn wichtig sei, dass die betroffene Person ein Problembewusstsein für die Sucht entwickelt. Das brauche den Einfluss von außen. Zum Beispiel eine Kündigung, das Ausfallen der Körperhygiene oder gesundheitliche Probleme. Diese Veränderungen muss die Person auf den Konsum beziehen. Nur dann kann ihr geholfen werden. Ist eine Sucht erkannt, braucht die Person im Regelfall professionelle Hilfe. Dabei reicht nicht unbedingt ein Entzug, denn die vorher durch die Droge regulierten Bedürfnisse müssen neu zu regulieren gelernt werden. Es braucht also Kompensationsstrategien und häufig eine strukturelle Veränderung des Umfelds.

Und selbst dann begleitet die Sucht Betroffene meistens noch länger. Denn: Durch die Sucht bildet sich das sogenannte Suchtgedächtnis. Das kann auch nach langer Zeit wieder auftreten und die betroffene Person an die positiven Wirkungen der Droge erinnern, wodurch diese dann wieder in die Abhängigkeit rutschen kann. „Drogen regulieren auf sehr bequeme Art Emotionen oder Stress. Viel mühsamer wäre es, diese Gefühle selber zu regulieren“, sagt Krüger.

Wenn du das Gefühl hast, dass du Hilfe brauchst, gibt es verschiedene Anlaufstellen. Die Sucht- und Drogenhotline ist unter der 01806 313031 zu erreichen, sie kostet 0,20 Euro pro Anruf. In fast jeder Stadt gibt es spezifische Beratungsstellen für Menschen mit Suchtproblemen. Diese findest du über die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen.

Von Olivia Bodensiek


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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