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Rechte Tendenz bei EU-Jungwählern: Erschreckend, aber nicht unerwartet

Rechte Tendenz bei EU-Jungwählern: Erschreckend, aber nicht unerwartet
Foto: Unsplash/Alexandre Lallemand

Bei der EU-Wahl hat sich ein weiterer Rechtsruck abgebildet. Auch die jungen Wählerinnen und Wähler in Deutschland können sich davon nicht mehr freisprechen. Warum das erschreckend ist, aber gar nicht so überraschend kommt, kommentiert MADS-Autorin Sandra.


Bei der Europawahl am Sonntag haben in Deutschland erstmals schon 16-Jährige gewählt. Das Ergebnis: Die Union führt mit einem Stimmenanteil von 30 Prozent deutschlandweit, darauf folgt die rechtspopulistische und teils als rechtsextrem eingestufte und vom Verfassungsschutz beobachtete AfD mit 15,9 Prozent. Nun könnte man meinen, das Ergebnis ließe sich mit der politischen Orientierung der alten weißen Männer unter den Wählenden erklären. Doch Erhebungen zeigen: 17 Prozent aller unter 30-Jährigen haben die Union gewählt, weitere 17 Prozent die AfD.

EU-Wahl: Nicht ganz unerwartet

Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021, bei der unter jungen Wählenden die Grünen und die FDP geführt haben, ist das Ergebnis erschreckend. Mit nur 12 Prozent für die Grünen und 6 Prozent für die FDP haben auch die jungen Menschen der Bundesregierung einen Denkzettel verpasst. Umfragen zeigen, dass für 41 Prozent der Befragten die Bundespolitik und für 55 Prozent die Europapolitik wahlentscheidend ist.

In vielen Menschen, die in den vergangenen Wochen und Monaten gegen rechts auf die Straße gegangen sind, steckte die tiefe Hoffnung, ein solches Wahlergebnis verhindern zu können. Doch eigentlich dürfte es gar nicht mal so schockieren: Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ vom April 2024 zeigte bereits, dass 22 Prozent der 2042 befragten Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren bei der nächsten Bundestagswahl die AfD wählen würden. Immer mehr Jugendliche seien im Dauerkrisenmodus von Zukunftsängsten und Frustration geplagt, so das Ergebnis der Studie. Ebenfalls im April ergab auch die Sonntagsfrage der Forschungsgruppe Wahlen des ZDF zur Europawahl: 30 Prozent aller Wahlberechtigten würden die Union wählen, 16 Prozent die AfD.

Während bei der EU-Wahl 2019 die Themen Klima- und Umweltschutz eine der größten Rollen spielten und den Grünen Stimmen eingebracht haben, waren es dieses Jahr andere Themen. Mit 26 Prozent stand die Friedenssicherung ganz oben auf der Liste, mit 23 Prozent folgte die soziale Sicherheit und mit 17 Prozent die Zuwanderung. Ein Volltreffer für die AfD, die mit Klimaschutz wenig am Hut hat, dafür aber einen sehr konservativen und rechten Kurs in den Bereichen Asyl, Migration und Zuwanderung fährt.

Tiktok als Erfolgsmodell für die AfD

Hinzu kommt der Erfolg auf der Plattform Tiktok – und zwar ausschließlich für die AfD, da andere Parteien das soziale Netzwerk erst viel zu spät als Kommunikationsweg zur jungen Zielgruppe entdeckten. So konnte die populistische AfD mit unzensierten Fake-News und Phrasen bei Jungwählerinnen und Jungwählern punkten.

Die Hoffnung der vergangenen Jahre, „die Jungen“ könnten in Politik- und Zukunftsthemen nun vieles besser machen und Lösungen finden für die Krisen, die ältere Generationen verursacht haben, hat jetzt einen gewaltigen Dämpfer bekommen. In den nächsten Monaten und Jahren wird es noch wichtiger als je zuvor, dass sich die Politik, insbesondere die Bundesregierung, dem Rechtsruck im Land entgegenstellt. Rechtsruck kommt nicht irgendwo her. Er ist Folge der Frustration, der Zukunftsängste und der Unzufriedenheit.

Krisen bekämpfen

Es sind langanhaltende und häufig gleichzeitige Krisen wie die Inflation, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Klimakrise und viele andere, die solche Wahlergebnisse befeuern. Das entschuldigt nicht die Wahl von Faschisten und Menschenfeinden. Dennoch sind es weiterhin die Gründe für den Rechtsruck, die bei seiner Bekämpfung die größte Rolle spielen sollten.

Das Wahlergebnis bleibt erschreckend, sollte aber Grund zur Veränderung und nicht zur Frustration sein. Dafür wird mehr politische Bildung und Aufklärung benötigt, aber auch politische Alternativen, die jungen Menschen Zuversicht und Sicherheit geben.

Von Sandra Kopa


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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