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Ramadan: So ist es, während der Schulzeit zu fasten

Ramadan: So ist es, während der Schulzeit zu fasten
Foto: Kutter

Der 17-jährige Emre möchte im Ramadan zum ersten Mal vier Wochen lang tagsüber fasten, obwohl er weiter Sport macht und Klausuren schreibt. Wie er das schaffen will, hat er MADS erklärt.


Emre hat schon viele Sprüche zum Fasten gehört: „Es ist ungesund“, „Du schadest dir selbst, wenn du den ganzen Tag auf Essen und Trinken verzichtest“. Damit geht er aber selbstbewusst um. Der 17-jährige Moslem fastet dieses Jahr das erste Mal den ganzen Ramadan-Monat vom Abend des 5. Mai bis zum Abend des 4. Juni. Das heißt: kein Essen und Trinken für mehr als vier Wochen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, wenn das Fastenbrechen beginnt.

Fünf Millionen Fastende

In Deutschland gibt es laut Schätzungen des Bundesamts für Migrationetwa fünf Millionen Muslime – so viele Menschen sind also theoretisch zum Fasten aufgerufen. Nicht nur erwachsene Muslime, sondern auch immer mehr Kinder beteiligen sich daran. Dass Emre einer der Fastenden ist, trifft in seinem Umfeld nicht immer auf Verständnis, womit der Schüler jedoch selbstbewusst umgeht. In der Schule in Hannover hätten ihm schon einige Lehrer gesagt, dass Fasten ungesund sei. Die meisten seiner Lehrer würden aber nichts dagegen sagen, erzählt Emre.

Unterernährt und erschöpft?

In Berlin allerdings berichten Lehrer zunehmend von Schülern, die unterernährt und erschöpft zum Unterricht kommen. „Auch während des Ramadans gilt grundsätzlich die schulische Teilnahmepflicht“, sagt eine Sprecherin des Kultusministeriums in Hannover. Sie fügt aber auch hinzu: „Im Unterricht sollte aus Fürsorgegesichtspunkten Rücksicht genommen werden.“ Im Sportunterricht solle man etwa auf Langstreckenlauf möglichst verzichten. 

Emre lenkt sich mit Hausaufgaben vom Fasten ab. Foto:Kutter

„Nachfasten“ und spenden

„Das Fasten soll dazu führen, dass man sich mehr auf seine Handlungen konzentriert, diese kritisch hinterfragt und mögliche neue Handlungsmuster entwickelt, um ethisch wertvolle Handlungen bis zum nächsten Ramadan täglich zu vollziehen“, erklärt Serdar Kurnaz, Professor für Islamische Theologie an der Uni Hamburg. Das möchte auch Emre. „Jeder Moslem sollte für sich selbst entscheiden, ob er fasten möchte oder nicht. Ich bin der Meinung, dass es nicht ungesund ist“, sagt der Schüler. Seine Familie und Freunde unterstützen ihn. 

Für Emre ist das Fasten kein Zwang. Falls es einen Tag gibt, an dem es nicht möglich ist zu fasten – wie auf anstrengenden Reisen – setzt Emre an diesem Tag aus und hängt einen weiteren Tag einfach an seine Fastenzeit an. Das gleiche sich dann wieder aus, sagt der Teenager.

Emre engagiert sich politisch bei den Jusos Hannover, der Jugendorganisation der SPD. Als Unterstützer des Europwahlkampfes fuhr der Schüler mit seiner Partei nach Bremen. An diesem Tag trank und aß er ganz normal.   „Auch gesundheitlich und körperlich müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, wie etwa, dass man während des Fastens nicht schwächelt und seiner Arbeit mehr oder weniger wie gewöhnlich nachgehen kann“, erklärt Islam-Experte Kurnaz. Deshalb könnten Jugendliche wie Emre selbst entscheiden, ob sie Fasten oder nicht. Man könne Tage „nachfasten“ oder – wenn man finanziell dazu in der Lage sei – auch eine Spende von etwa 20 Euro (das soll etwa zwei Mahlzeiten für eine Familie entsprechen) an Bedürftige entrichten. „Ausnahmen sind durchaus möglich“, so Kurnaz.

Gefühl für die Armen entwickeln

Emre ist es wichtig, zu verstehen, wie Menschen leben, die nicht genügend Nahrungsmittel haben. Durch seine Enthaltsamkeit will er versuchen, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, der in dieser Situation ist. Das Fasten klappte allerdings nicht gleich beim ersten Anlauf – Emre brach es in den beiden vorherigen Jahren immer ab.  „Mir ist vor zwei Jahren an meinem ersten Tag passiert, dass ich morgens  etwas getrunken habe. Einfach aus Gewohnheit“, gibt Emre zu. 

Das sei aber nicht schlimm, solange man das nicht mit Absicht mache. Nach Sonnenuntergang, gegen 21.15 Uhr, ist es Zeit, das Fasten zu brechen. Emre isst oft mit Freunden, die auch fasten, oder mit seiner Familie. Seine Mutter und seine Schwester fasten nicht. „Wenn ein Moslem fastet ist das schön, wenn nicht, genauso gut“, findet Emre. In Deutschland ist er aus seiner Familie der Einzige. Emres Verwandten in der Türkei fasten allerdings alle.

Schlafrythmus verändert sich

„Mein Tagesablauf verändert sich durch das Fasten mehr, als ich anfangs gedacht habe. Ich spare auf jeden Fall sehr viel Zeit“, erzählt Emre. Anstatt morgens gemütlich zu frühstücken, kann er eine Viertelstunde länger schlafen. Aber dafür verlagert sich der Tag durch das Fastenbrechen nach hinten, und der Schlafrhythmus verändert sich. Emre stellt sich nämlich um Mitternacht einen Wecker, um zu essen. Dann gibt es Nudeln, Brot oder Kartoffeln. 

In der Schule werden seine Leistungen durch den Ramadan nicht beeinflusst, findet der 17-Jährige. Auch bei Klausuren könne er sich ganz normal konzentrieren.  „Klar, gibt es ab und an Momente, in denen ich gerne trinken oder essen würde. Zum Beispiel nach dem Sport, wenn alle anderen um mich herum auch trinken“, sagt Emre. Einige bekämpfen das Hunger- und Durstgefühl, indem sie schlafen. Davon ist Emre kein Fan. Er unternimmt lieber etwas mit Freunden oder arbeitet für die Schule. „Ab und an bin ich trotzdem schlapp und lustlos oder die Konzentration lässt nach. Nach einer halben Stunde ausruhen geht es aber wieder“, sagt Emre.

Schule soll nicht drunter leiden

Jugendliche dürfen im Ramadan Ausnahmen machen, damit ihre schulischen Leistungen nicht leiden, erklärt Professor Kurnaz. „Insbesondere wenn es sich dabei um das Abitur handelt, das ja entscheidend für die spätere Karriere sein kann.“ In den Schulen müsse allerdings offen über das Fasten gesprochen werden. „Plakative Fragen wie ,Wieso fastet ihr eigentlich, ist das nicht überholt’ führen eher zu Trotzreaktionen im Gespräch“, sagt er. 

Dass es an Schulen Wettfasten, Mobbing und Unverständnis gegenüber Nichtfastenden gebe, sei nicht in Ordnung.  „Das sind genau die Dinge, die im Monat Ramadan vermieden werden sollten“, so Kurnaz. Für Emre ist das Fasten bereits jetzt schon ein Erfolg auf den er stolz ist: „Ich habe gemerkt, dass ich Essen und Trinken mehr wertschätzen muss“, sagt er. 

Louisa Vietmeyer 

Was ist eigentlich Ramadan?

Der neunte Monat des islamischen Mondkalenders wird als Ramadan, auch als Fastenmonat bekannt, bezeichnet. Der Monat steht in der Tradition Muhammads, dem Propheten und Vorbild der Muslime.

Foto: Unsplash/ Masjid Pogung Dalangan

Ramadan zählt zu den fünf Säulen, also den Hauptpflichten, des Islam. Der Monat ist eine Form des Gottesdienstes, in dem häufig gebetet und der Koran gelesen wird. 

Zwischen der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang wird während der vier Wochen weder gegessen noch getrunken – auch Lästereien, sündhaftes Verhalten und Sex sind während dieser Zeit verboten.

Der Begriff Ramadan kommt aus dem Arabischen und leitet sich von den Worten „ramida und arramad“ ab – das bedeutet „brennende Hitze und Trockenheit” und steht symbolisch für das Hitzegefühl im Magen, das durch den Durst erzeugt wird. 

Sinn des Fastens ist die Reinigung und Läuterung. Auch das Mitgefühl mit Armen und Bedürftigen soll in dieser Zeit  gesteigert werden. 

Foto: unsplash.com/@firdoussross

Menschen die gesundheitlich nicht in der Lage sind über so lange Zeit hinweg zu fasten, sind vom Ramadan ausgenommen. So etwa Schwangere, Frauen während ihrer Periode, Kinder, Ältere und Kranke, aber auch Reisende.

Nina Hoffmann


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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