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Das stabile dänische Wetter

Dänemark. Helsingsør. Schloss Kronborg. Kein Friedhof. Die dänische Sonne scheint und am Horizont sieht man schwarz. Ein Unwetter naht. Die Vorfreude auf „Searching for William“ (eine Hommage an Shakespeare), welches beim Shakespearefestival 2018 vor dem Original-Hamletschloss gespielt wird, ist groß.

Die Bühne strahlt vor dem Schlosse, einem wirklich trefflichen Bau. Noch ist genug Zeit für einen Rundgang übers Schlossgelände. Auf der Fläche um die Bühne, die abgegrenzt ist, und davor, steht jeweils ein Bilderrahmen. Dort kann man sich dahinter stellen und ein Foto mit einem goldenen Yorick-Schädel machen. Dem einen fällt schon der Unterkiefer herunter, er hat auch eine Delle im Kopf. „Poor Yorick“ (William Shakespeare; Hamlet).

Kurz vor Beginn des Stückes kommt der Regen. Und mit ihm das Gewitter. Die Regensachen sind schnell geholt. Unterstellen kann man sich in einer Kasematte.
Der Regen peitscht im Wind genau auf die Bühne. Eilig werden die Requisiten in Sicherheit gebracht. Die „Introduction“, eine ein-Mann-Show, wird abgesagt.
Es gewittert nun nicht mehr und der Regen hat fast aufgehört. Frohen Mutes gehen alle auf ihre Plätze. Ein Mitarbeiter des Shakespearefestivals teilt mit, wenn es gewittern würde, falle das Stück buchstäblich ins Wasser. Alle bangen und hoffen, dass das dänische Wetter, welches ihnen bereits bei der „Introduction“ einen Strich durch die Rechnung machte, dies nicht wiederholt.

Dann endlich wird der erste Ton gespielt! Pünktlich mit ihm ertönt ein Donnergrollen und es fängt wieder an zu schütten. Ein Stöhnen geht durch die mit Regenkleidung ausgerüstete Menge. Sie hat Glück, das Gewitter zieht ganz knapp vorbei.

Am Anfang funktioniert das Keyboard nicht, es hat zu viel Wasser abbekommen. Das Textbuch wird ebenfalls vom Regen durchnässt. Kurz nach Beginn des Stückes fällt die Technik aus. Die Vorstellung wird, kaum begonnen, unterbrochen. Mitarbeiter des Festivals und der Crew schippen Regen von der Bühne und bringen Musikinstrumente und Mikrofone wieder in Gang.

Dann läuft aber alles und die „Woods“ („Woods of Birnam“) können spielen. Im Verlauf des Stückes zieht der Sänger der Band, Christian Friedel, unter anderem das rote Kleid von Desdemona („Othello“) an, welches – während er über den vorderen Teil der Bühne läuft – nass wird. Nach vertonten Textstellen aus Sonetten, „Hamlet“ und „Othello“ kommt die Band zu „Ein Sommernachtstraum“. Christian Friedel verwandelt sich in einen Goblin. Es ist immer noch sehr stürmisch und der Umhang, den er anzieht, braucht bei diesem besonderen „Searching“ keine Windmaschine, die diesen zum Flattern bringt.

Die Intermission (Pause) ist länger als sonst. Es bleibt eiskalt und immer wieder weht der Wind Regen über Bühne und Menge. Die Kälte kriecht förmlich in die Körper der Zuschauer und in die der Musiker, welche, bis auf Christian Friedel, dick eingepackt und in Regenjacken spielen. Es wird immer kälter und kälter. Dennoch harrt das Publikum bis zum Ende aus.

Am Schluss wird das vorbereitete Plakat gezückt, welches durch Frischhaltefolie vor dem Durchweichen geschützt ist. Auf ihm steht: „Immer wieder winkt es er, also folg ich ihm.“ (William Shakespeare; Hamlet).

Die Zugabe wird weggelassen.

Die Vorstellung am nächsten Tag findet auf Grund der Wetterlage nicht statt.


Von Johanne Theresa Hingst
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