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Prank von Nikocado Avocado: Wie Essstörungen auf Social Media trenden

Prank von Nikocado Avocado: Wie Essstörungen auf Social Media trenden
Foto: Nikocado Avocado/Youtube

Youtuber Nikocado Avocado hat mit seinem krassen Gewichtsverlust für Aufsehen gesorgt. Er produzierte wochenlang Videos vor und zeigte sich nun plötzlich 100 Kilo leichter. Der Hype um ihn zeigt, wie obsessiv die Themen Essen und Gewicht in sozialen Medien behandelt werden.


Ein Prank bewegt ganz Youtube: Nikocado Avocado, ein amerikanischer Youtuber, verschlang acht Jahre lang vor laufender Kamera Berge an Nudeln, Burgern und Sushi. Das Videoformat, bei dem sich Menschen beim Essen filmen, stammt ursprünglich aus Südkorea und nennt sich „Mukbang“. Nikocado Avocado, mit bürgerlichem Namen Nicholas Perry, präsentierte seinen 4,45 Millionen Fans immer größere Mengen an Essen und nahm dabei stetig zu – bis er fast 200 Kilogramm wog. In seinen Videos brach er regelmäßig in Tränen aus und äußerte verzweifelt den Wunsch, diesen ungesunden Lebensstil zu beenden. Zwei Jahre lang ließ der 32-jährige seine Community glauben, er werde immer kränker. Währenddessen produzierte er jedoch Videos vor. Vor zwei Wochen zeigte er sich in einem neuen Video plötzlich 100 Kilo leichter. Der Titel: „Two steps ahead“ – zwei Schritte voraus. 

Man kann dieses Video als den genialsten Prank in der Geschichte von Youtube sehen, als einen Sieg gegen die Hater, die Nicholas als Versager und Langweiler beschimpften. Vielleicht sieht man es auch als Happy End nach seinem extrem krankhaften Essverhalten. Vor allem aber zeigt Nikocado Avocado, welchen Einfluss Social Media auf unser Essverhalten haben kann. Wie groß ist die Macht dieses virtuellen Raums, in dem man ständig auf seinen Körper reduziert wird?

Ein kurzer Überblick zu Essstörungen

In Deutschland leiden laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) etwa 1,4 Prozent der erwachsenen Frauen und 0,5 Prozent der erwachsenen Männer an Essstörungen. Entgegen vieler Stereotype haben diese Menschen nicht einfach einen schwachen Charakter, sondern leiden unter psychischen Erkrankungen. Die häufigste Form ist die Binge-Eating-Störung. Dabei erleben Betroffene unkontrollierte Essanfälle. Bei Bulimie kommt zu den Anfällen eine Brechsucht, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Anorexie, oft auch Magersucht genannt, ist eine langwierige Krankheit. Menschen, die darunter leiden, verlieren häufig viel Gewicht und haben trotzdem das Gefühl, übergewichtig zu sein.

Wichtig ist – Essstörungen haben nie nur eine einzige Ursache, es gibt immer mehrere Auslöser. Am häufigsten treffen sie Mädchen und junge Frauen. Doch der Fall von Nikocado Avocado zeigt, dass grundsätzlich jeder betroffen sein kann. Wer eine Essstörung entwickelt, hat oft ein niedriges Selbstwertgefühl und überhöhte Ansprüche an sich selbst. Erkrankte sind häufig wenig flexibel und brauchen viel Kontrolle im Alltag. Auch Traumata in der Kindheit, wie etwa sexueller Missbrauch, oder auch frühes Übergewicht können Ursachen sein. Ein gesunder Umgang mit dem Thema Essen in der Familie hilft – haben bereits die Eltern eine Essstörung oder kontrollieren das Essverhalten ihrer Kinder zu sehr, kann das extrem schädlich sein.

Klicks und Likes mit polarisierender Ernährung

Nikocado Avocado hat die Debatte über den Zusammenhang von Ernährung und Social Media neu entfacht. Dennoch ist er nur ein Beispiel von zahlreichen Influencerinnen und Influencern, die mit einem ungewöhnlichen Essverhalten viral gehen. Da ist Johanna Friedmann, die eigenen Angaben zufolge wöchentlich mehr als 70 Bananen isst und als „Bananenfrau“ auf Tiktok bekannt wurde. Für ihre einseitige Ernährung wird sie vielfach kritisiert. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen Fitnessinfluencerinnen und -influencer, die mit durchtrainierten Körpern und immer neuen Abnehmtipps das Internet fluten. Ein prominentes Beispiel dafür ist Christian Wolf. Er hat fast eine Million Follower auf Instagram und postet regelmäßig Tipps für eine Ernährung, mit der man vermeintlich schnell abnimmt. Was viele nicht wissen – Wolf ist Mitbegründer des Unternehmens More Nutrition, das mit teils illegalen Abnehmversprechen auf Social Media warb. 

Nikocado Avocado: Social Media kann unsere Gesundheit gefährden

Wie wir uns verhalten, sprechen und kleiden, wird mittlerweile stark von Instagram, Tiktok und Co. beeinflusst. Auch unsere Vorbilder werden immer mehr von sozialen Medien bestimmt. Gerade bei psychisch labilen Personen kann das verheerende Auswirkungen haben. Unrealistische Körpernormen setzen schnell unter Druck. Ein weiterer Faktor sind Filterblasen. Wer auf Kurzvideos von besonders muskulösen oder dünnen Personen anspringt, bekommt vom Algorithmus vermehrt solche Inhalte angezeigt. So festigt sich das gestörte Körperbild immer weiter. Abschalten kann man nur schwer – das Handy ist immer dabei, die belastenden Inhalte jederzeit abrufbar. Eine im Dezember veröffentlichte Studie erkennt direkte Hinweise zwischen Social Media und einer psychischen Störung im Essverhalten an. Soziale Medien sind aber nicht der alleinige Verursacher von Essstörungen. Sie fungieren eher als Anzünder für vorbelastete Menschen und verstärken diese Vorbelastungen. Wie so etwas enden kann, zeigt das Beispiel von sogenannten „Ana-Communities“.

Wer unter Magersucht leidet, kann dies nur schwer verheimlichen. Körperliche Veränderungen sind für das soziale Umfeld sichtbar. Oft reagieren Eltern, Freundinnen und Freunde und fordern, dass man sich Hilfe holt. In der „Pro-Ana-Szene“ ist das anders. Ana steht für „Anorexia nervosa“, also Magersucht. In Onlineforen und Chats bestärken sich Betroffene gegenseitig in ihrem Körperbild. Mitglieder beschreiben das Gefühl, dort endlich echt sein zu können. „Ana-Coaches“, hinter denen jedoch oftmals Pädophile stecken, spornen die zumeist jungen Frauen an, immer weiter abzunehmen und Bildmaterial zu teilen. Auch wenn dies Extremfälle sind, zeigt es, wie gefährlich Social Media sein kann.

Von Hendrik Heim


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Über den Autor/die Autorin:

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