Nicht lustig: Warum das Tränen-lach-Emoji sterben muss
Til Schweiger benutzt es, Mario Barth sowieso – aber leider auch Rassisten auf Facebook. Das Tränen-lach-Emoji war mal witzig gemeint, ist aber zu einem Symbol des Spotts und des Hasses geworden. Es muss dringend auf den Smiley-Friedhof, meint Matthias Schwarzer.
Das Grauen hat einen Namen: Face with Tears of Joy. Für alle, die mit diesem Begriff nichts anfangen können, zunächst ein kleiner Internet-Crashkurs.
Face with Tears of Joy heißt der Tränen lachende Smiley, den die allermeisten Smartphonenutzer ganz weit oben auf ihrer Emoji-Favoritenliste haben dürften. Denn das sich übermäßig beömmelnde Lachflash-Emoji ist wahrscheinlich, kurz nach dem Daumen-hoch-Emoji, das meistgenutze überhaupt.
Schreibt der Kumpel einen pointierten Fußballspruch bei Whatsapp, befeuern wir ihn mit einem Tränen-lach-Emoji. Ergötzen wir uns an einem lustigen Fail-Video auf Facebook, so markieren wir es mit dem lachenden Tränengesicht. Und schickt Mutti das bereits zehn Jahre alte Youtube-Video vom niesenden Panda in die Familiengruppe, dann sendet sie das Tränen-lach-Emoji sicherheitshalber schon mal selbst hinterher. Danke, Mama.
Ja, eigentlich ist das Tränen-lach-Emoji das Beste, was uns seit der Erfindung von Whatsapp passieren konnte. So viel Freude, so viel Glück hat das Internet zuvor nicht erlebt. Und doch hat der Einsatz der Tears of Joy die Kommunikation im Netz über die Jahre grundlegend verändert – und das nicht nur zum Positiven.
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Plötzlich ist alles ganz doll witzig
Zum einen wäre da der völlig inflationäre Einsatz der lachenden Fratze. Denn eigentlich ist nichts im Leben so häufig so witzig, dass man in Dauerschleife vor Lachen in Tränen ausbrechen möchte. In Messengern allerdings hat der Einsatz der Tears of Joy so absurde Ausmaße angenommen, dass der Inhalt des Gegenübers nur noch dann als einigermaßen unterhaltsam gilt, wenn mindestens eine gewisse Anzahl des lachenden gelben Gesichts als Antwort gesendet wird.
Neunzigerkinder werden sich erinnern: In Messengern wie ICQ oder MSN wurden die Nuancen der Witzigkeit noch mit unterschiedlich aussehenden Lach-Emojis bewertet. Da gab es den lächelnden Smiley für zufriedene Zustimmung, den lachenden Smiley für mittelmäßige Lustigkeit und den extrem laut lachenden Grinse-Smiley für alles darüber. Und manchmal brauchte es nicht mal einen Emoji – ein kräftiges LOL genügte. Aber Tränen? Mit so was haben wir damals nicht gearbeitet, und das war auch gut so!
Heute wird in Messengern und sozialen Netzwerken praktisch nur noch in Tränen gelacht. Ein normal-grinsendes Emoji wirkt in Konversationen fast schon wie eine Beleidigung des Gegenübers. Und auch wer nur einen einzigen, kleinen Tränen-lach-Smiley als Antwort nutzt, befindet sich mit seinem Verhalten schon kurz vor der sozialen Ächtung.
Mindestens drei Emojis ist der Standard
Nein, es müssen mindestens drei sein. Der neue Standard für „witzig“ ist: drei Tränen-lach-Emojis. Das ist unausgesprochener Konsens. Und wenn es richtig witzig war, dann sind es mindestens fünf, acht, 20 und so weiter. In Chatverläufen hat sich gefälligst eine ganze Armada Tränen lachender Grinsegesichter zu befinden, inklusive der umso perverseren Klonweiterentwicklung des Tränen-lach-Emojis: Das schräg lachende Tränen-lach-Emoji. Pfui!
Durch die Tränenlachisierung der Chatkonversationen geht praktisch jede Form des doppelten Boden verloren. Das Tränen-Lach-Emoji hat sich zum „Ironie off“ des Jahres 2019 entwickelt. Wer einen Witz macht, der schreibt den Tränenlacher gefälligst sofort dahinter, um zu signalisieren: Diese Nachricht wurde als ironisch markiert.
Und überhaupt: Wirken Chatnachrichten komplett ohne Emoji nicht inzwischen generell total unfreundlich? Packen wir doch einfach zwei Tränen-Lach-Emojis hinter jeden Satz, und schon herrscht eine viel heiterere Grundstimmung.
Ein Symbol des Spotts
So skurril die Benutzung des Smileys in Messengern sein mag – sie ist auf diese Art und Weise immer noch die angenehmste. Denn seit Facebook seit einigen Jahren auch Emojis in Posts und Kommentaren erlaubt, ist das Tränen-lach-Emoji auch in sozialen Netzwerken auf dem Weg zur totalen Nervigkeit.
Natürlich gilt auch auf Facebook: Je mehr Tränen-lach-Emojis, desto humorvoller wird der Post mitunter wahrgenommen. Das geht sogar so weit, dass Videoproduzenten in ihren Viral-Videos mehrere einblenden, um ihre Zuschauer schon mal auf ein angemessenes Fun-Level zu pushen, bevor sie das Video überhaupt gesehen haben.
Die deutlich unangenehmere Verwendung der lachenden Fratze ist aber eine andere. Denn die Tears of Joy sind inzwischen auch ein Symbol des Spottes. Wenn eine Facebook-Gruppe wie Fridays for Hubraum Beleidigungen gegen Greta Thunberg in die Welt bläst, dann stilecht mit Tränen-lach-Emoji. Wenn Mario Barth gegen Fridays for Future oder den Wendler ätzt, dann beendet er seine Sätze wie selbstverständlich mit einem spöttischen .
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Und dann wäre da noch Til Schweiger, dem in dieser Woche der Tatort aus Wiesbaden nicht gefiel – respektive die dazugehörige Filmkritik eines FAZ-Autors. Mit insgesamt sechs Tränen-lach-Smileys wies der Schauspieler den Autoren in die Schranken und machte damit auch unterschwellig die Großartigkeit seines eigenen Schaffens deutlich.
Lieber Oliver, was hast du genommen, bevor du diese “Kritik” geschrieben hast?!Ich werf mich wegJede Folge der Augsburger Puppenkiste war glaubwürdiger, besser gespielt und vor allem spannender!
Gepostet von Til Schweiger am Sonntag, 20. Oktober 2019
Auch Nazis lachen Tränen
Posts wie diese zeigen: Das Tränen-lach-Emoji ist von einem Ausdruck der Freude zu einem Ausdruck der Überheblichkeit, zu einem Ausdruck des Hasses geworden. Aus „sehr laut lachen“ wurde im Laufe der Jahre „auslachen“. Das sieht man auch daran, dass inzwischen selbst Nazis den Smiley intensiv benutzen. Eine Spezies, die eigentlich nicht für ihren großartigen Humor bekannt ist.
Der Tränen-lach-Smiley hilft auch dem schlimmsten Rassisten, die eigentlich nicht vorhandene Witzigkeit auszudrücken und ein Gag-Feuerwerk (natürlich auf Kosten anderer) abzufeuern. Der Tränen-lach-Smiley wird dabei in den Facebook-Kommentarspalten zum Zeichen der Ausgrenzung, zum Zeichen der Erniedrigung, zur Verniedlichung ekelhaftester Beleidigungen.
Warum ist das so? Vielleicht weil das Emoji so unnatürlich und fratzig gestaltet ist, dass es eigentlich nur eins sein kann: unmenschlich. Die Zeiten seines unbeschwerten Einsatzes sind jedenfalls lange vorbei. Das Tränen-lach-Emoji ist kaputt und nervt. Begleiten wir es auf den Emoji-Friedhof.
Von Matthias Schwarzer/RND