Mit Super Mario zum Pixelpokal
Statt Counterstrike werden beim Pixelpokal Retrospiele gezockt – auf dem Sofa. Sonntag steht das Finale im Capitol an. Wir haben den Titelverteidiger getroffen
Super Mario, Luigi und Zelda stehen im Regal, und die Videospielcharaktere hängen auch an der Wand über dem Flachbildfernseher. Davor sitzt Carsten Reichelt und spielt gerade auf der Wii U „Super Mario Kart“. Als verpixelter Titelheld überholt er im Rennwagen mühelos seinen letzten Konkurrenten und düst über die Ziellinie. „Schon seit meiner Kindheit mag ich diese Spielreihe besonders gern“, erzählt Carsten. Der 23-jährige Medienmanagement-Student ist Titelverteidiger des Pixelpokals: Jeder kann bei dem Videospielwettbewerb mitmachen. Es gibt vier Turniertage pro Jahr, gezockt werden jeweils sechs Spiele, alte und neue. Welche das genau sind, wird von den Organisatoren erst kurz vorher verraten. Vor dem letzten und entscheidenden Turnier, das am Sonntag öffentlich im Capitol ausgetragen wird, steht nur fest, dass es Spiele für PC und Nintendo Switch sein werden.
Seinen Titel will Carsten dann unbedingt verteidigen – momentan liegt er jedoch nur auf Platz zwei der Pixelpokal-Rangliste. Mehr als zehn Stunden pro Woche sitzt Carsten dafür jedoch nicht am Controller – denn professioneller E-Sportler ist er nicht.
Das braucht man beim Pixelpokal auch gar nicht zu sein. Bei dem Videospielwettbewerb kann jeder mitmachen – oder einfach zuschauen. Und dabei viel von dem spielen, was Rang und Namen in der Videospielgeschichte hat: Es gibt Konsolen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, aber auch neue Spiele können ausprobiert werden. „Wir wollen mit dem Pixelpokal Menschen zusammenbringen und versuchen, die Videospielekultur in Hannover zu stärken“, erklärt Regine Silbermann, die die Veranstaltung zusammen mit mittlerweile 15 anderen Ehrenamtlichen organisiert.
Die Idee kam der 31-Jährigen und ihrem Freund Marko zu Hause im Wohnzimmer. „Wir haben anfangs mit zehn Leuten auf einer Leinwand Spieleklassiker, wie ,Street Fighter’ oder ,Fifa’, gezockt. Dann wollten alle noch ihre Freunde und Bekannte mitbringen – bis es viel zu voll war. Deswegen sind wir ins Béi Chéz Heinz gezogen“, erzählt Regine. Ohne vorher Werbung zu machen, kamen beim ersten Mal direkt 60 Leute vorbei. Durch Mundpropaganda sprach sich die Veranstaltung weiter herum, weshalb der Pixelpokal für das Finale 2017 ins Capitol umgezogen ist. Bereits 400 Anmeldungen gibt es.
Die Faszination für Retrospiele erklärt sich Regine mit den vielen Emotionen und Erinnerungen, die an ihnen hängen. „Wie alte Architektur sind auch Videospiele Kultur und besitzen eine interessante Geschichte“, erklärt sie. Auch Carsten fühlt sich beim Zocken ein Stück weit in seine Kindheit zurückversetzt. „Was mich aber auch an den Spielen meiner Kindheit begeistert, ist ihr Schwierigkeitsgrad: In den neuen Spielen wird man sehr an die Hand genommen, und es wird einem dauernd gesagt, was genau man in dem Moment machen soll. In den alten Spielen sind die Level viel schwieriger abzuschließen – aber das Erfolgserlebnis größer“, erklärt er.
Beim Spieleturnier auf der großen Leinwand des Pixelpokals sind die sechs Spiele, die die Teilnehmer spielen müssen, bunt gemischt: Beim Finale 2016 wurden unter anderem „Mario Kart Deluxe 8“, „ARMS“, „Gang Beasts“ oder „Super Bomberman R“gezockt. Wer die meisten Spiele für sich entscheiden kann, gewinnt. Zu den Preisen gehören Videospiele, Hardware oder limitierte Sammlerfiguren. Neben der Einzelwertung gibt es auch den Teamwettbewerb. Zu Beginn des Turniers werden die Spieler in eine von vier Gruppen eingeteilt. „Gewinnen ist nicht das Wichtigste“, meint Carsten. Vielmehr gehe es um Spaß und darum, neue Leute mit denselben Interessen kennenzulernen. „Einmal hat mich ein Wildfremder bei ,Mario Kart’ mit Sprechchören angefeuert, nur weil wir im selben Team waren“, erinnert er sich und schmunzelt. Mit dem Pixelpokal will Organisatorin Regine ein Netzwerk aus hannoverschen Zockern aufbauen. „Wir hatten in Hannover keine wirkliche Gaming-Community, da sind uns andere Städte um Meilen voraus. Das hat uns genervt“, erzählt sie.
Das Besondere an der Veranstaltung ist, dass nicht in abgetrennten Glaskabinen wie bei professionellen E-Sport-Events oder über das Internet gezockt wird, sondern dass die Spieler nebeneinander auf dem Sofa sitzen und sogar ein Bier in der Hand halten dürfen. Auch werden – anders als bei den Profis – selten Shooter oder langwierige Strategiespiele gespielt: Stattdessen sind es oft kunterbunte Arcade-Titel, die auch lustig anzusehen sind.
„Der persönliche Kontakt untereinander ist uns sehr wichtig. Das gemeinsame Zocken ist am schönsten,wenn man dabei nebeneinander auf dem Sofa sitzt. Das geht am besten auf dem Sofa“, erklärt Regine. Deshalb werden die auch im Capitol stehen, wo sonst große Bands auftreten. Ein Zocker-Turnier in dieser Form gibt es noch nirgendwo in Deutschland – weshalb sogar Spieler aus dem Ruhrpott, Berlin und sogar Bayern anreisen.
Einen nicht ganz so weiten Weg zum Pixelpokal hat die 28-jährige Ally Schäfer. Die Hannoveranerin ist regelmäßig dabei, hat aber kein Internet zu Hause und nur wenige Konsolen. „Früher habe ich immer auf dem Nintendo 64 meiner großen Schwester gespielt. Aber irgendwann hat sie den dann beim Ausziehen mitgenommen“, erzählt sie. „Retrospiele finde ich klasse, weil nicht gefühlt alle fünf Minuten eine neue Erweiterung dazukommt“, erklärt Ally. Zocken kann die ehemalige Mediendesign-Studentin nur bei ihrem Freund oder bei einer ihrer Freundinnen. Trotzdem nimmt sie am Pixelpokal teil: „Mitmachen kann schließlich jeder.“
Auch wer am Sonntag spontan vorbeikommt, kann sich außer Konkurrenz an echten Arcade-Automaten ausprobieren. Außerdem werden Videospiel-Kunstwerke ausgestellt, einige sind von Ally. „Ich bin Nerd und stolz drauf“, sagt sie. Die Bezeichnung ist für sie nicht negativ. Auch Carsten ist gleicher Meinung wie Ally. „Jeder ist irgendwo ein Nerd, da jeder eine Sparte hat, in der er sich gut auskennt“, erklärt Carsten. Schließlich habe er auch andere Hobbys neben dem Zocken von alten Konsolenklassikern: „Ich spiele auch viel Keyboard.“ Doch auch dort klimpert er am liebsten die Musik aus seinen Spielen nach – seine Lieblingslieder kommen natürlich aus den Super-Mario-Spielen.