Make-up und Hochkultur: Instagrammer Timur bewertet Goethe, Schiller & Co.
„Faust“, „Wilhelm Tell“ und „Homo faber“: Mindestens durch die Schulzeit hat jeder eine Verbindung zu klassischer Literatur – und assoziiert damit oft wohl keine positiven Erinnerungen. Auch Timur scheint seine Schwierigkeiten mit den großen Werken der deutschen Literatur zu haben. Doch er lädt dazu unterhaltsame Videos auf Instagram hoch, die sehr zu empfehlen sind.
Zu Beginn hält er immer ein Buch in die Kamera, dann beginnt er, sich zu schminken. Drag-artiges Make-up, das dramatisch die Augen betont. Wer ganz genau hinschaut, erkennt, dass das Make-up immer im Stil des jeweiligen Buchcovers gehalten ist. Während Timur sich schminkt, fasst er nebenbei das Buch zusammen. Dabei wirft er stets jede Menge Kritik an Geschichte und Schreibstil, Witze und zeitgenössische Gedanken in seine Zusammenfassung ein.
Intersektional interpretiert
Das erfrischende an Timurs Instagram-Reels ist, dass er ohne zu zögern und mit einem schneidenden queeren Humor urteilt, aber auch zeitgenössisch interpretiert. So sieht er in Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ eine Geschichte über strukturellen männlichen Machtmissbrauch. Er zeigt, was man heute noch durch diese Geschichte lernen kann und lenkt bei seinen Zusammenfassungen stets den Blick auf die, die in der Geschichte zu wenig Gehör gefunden haben.
Gleichzeitig sagt er aber auch ehrlich, warum einige Geschichten, die im Deutschunterricht noch gelesen werden, in seinen Augen einfach Mist sind. „Find’ ich gut, dass da 136 Seiten mit gefüllt wurden, nur damit am Ende beide jemand anderen heiraten“, urteilt er beispielsweise über Theodor von Fontanes „Irrungen und Wirrungen“.
Timur vermittelt Spaß an klassischer Literatur
„Kleider machen Leute“, „Die Räuber“, „Die Physiker“ und viele weitere deutsche Literaturklassiker hat Timur bereits zusammengefasst und bewertet. Dabei kommt weder die Kritik an den befremdlichen Inzestszenen in „Homo faber“ noch die Suche nach einer Repräsentation von wirklich psychisch erkrankten Menschen bei „Die Physiker“ zu kurz.
Kurz um: Für das Deutschabitur sollte man mit Timurs Zusammenfassungen vielleicht nicht lernen. Aber so, wie Timur Klassiker zusammenfasst und über sie spricht, mit etwas glitzerndem Make-up und ganz viel Sarkasmus, macht das Ganze Spaß, regt zum Nachdenken an und animiert vielleicht dazu, selbst mal wieder ein Reclam-Heft in die Hand zu nehmen.
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