„Männer töten“ von Eva Reisinger: Eine Utopie?
In ihrem Debütroman „Männer töten“ kreiert Eva Reisinger eine Matriarchats-Utopie: Frauen töten Männer, statt von ihnen getötet zu werden. Damit regt der Roman zum Nachdenken an – auch wenn er sich nicht utopisch anfühlt.
Eva Reisinger ist Journalistin, Sachbuch- und nun auch Romanautorin. Mit dem Roman „Männer töten“ steht sie auf der Shortlist des Österreichischen Debütbuchpreises, der am 6. November verliehen wird. In der Selbstbeschreibung und einem Interview mit der „Vogue“ wird ihre entworfene Romanwelt als „Matriarchats-Utopie“ gehandelt.
Untypische Traditionen
Nach Aussichtslosigkeit im Job zieht die Protagonistin Anna Maria aus Berlin aufs Land in ein fiktives Dorf Österreich. Zunächst wirkt ihre neue Heimat wie ein unscheinbares Dorf – welches sich sich jedoch als außergewöhnlicher Ort entpuppt. Hier gibt es keine Femizide, stattdessen sterben häufig Männer. Das weckt die Aufmerksamkeit eines Journalisten, der nach den ungeklärten Morden an Männern in diesem Dorf fragt. Anna Maria selbst wird nach und nach klar, dass hier einiges anders läuft und die Frauen im Dorf die Oberhand haben.
Auch die Traditionen scheinen genderstereotypisch umgedreht zu sein: Die Frauen ziehen vor der Hochzeit mit Bierkästen um die Häuser und exen Flasche um Flasche. Wenn Männer zu Wort kommen, dann ist es nicht besonders maßgeblich für die Handlung. Beim Lesen stellt sich hier jedoch die Frage, ob die fehlende Charaktertiefe der meisten männlichen Figuren Absicht ist.
Matriarchat als vermeintliche Utopie
Der Fokus liegt auf dem Zusammenhalt von Frauen. Gemeinsam rächen sie sich an Männern – in Form von Mord. Auf Gewalterfahrung folgt also Gegengewalt. Mit dieser radikalen Antwort auf das Patriarchat wird das Matriarchat als Utopie in Frage gestellt: Utopisch fühlt sich der Roman nämlich definitiv nicht an.
So lässt auch der eine oder andere Nebencharakter, wie zum Beispiel Anna Marias Freundin Evîn, anklingen, dass ein mordendes Matriarchat nicht ihre Idealvorstellung ist. Aber genau diesen Zweifel an absoluten Gesellschaftskonzepten wie Patriarchat und Matriarchat, die von Herrschaft eines Geschlechts über das andere leben, kann der Roman dadurch durchaus anregen.
„Männer töten“: Stilecht, aber charakterschwach
Zuletzt sind besonders die starken, wortgewandten Passagen des Romans tragend. Eher unterentwickelt bleiben jedoch die Nebencharaktere, die damit auch die Handlung zäher gestalten. Reisinger gelingt mit ihrem Debüt die Fiktionalisierung einer wunden Stelle des österreichischen (und ebenso deutschen und internationalen) Systems. Damit bringt die Autorin die Thematik auf eine größere Bühne.
Von Lucie Mohme
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