Macht Mikroplastik krank?
Laut einer neuen Studie nimmt ein Mensch pro Woche bis zu fünf Gramm Mikroplastik zu sich. Die entscheidende Frage dabei ist: Wie gefährlich ist das?
Menschen nehmen täglich Mikroplastik zu sich – durch Nahrung, Trinkwasser oder durch bloßes Atmen. Bis zu 5 Gramm der winzigen Teilchen kommen so pro Woche in den Körper eines Erdenbürgers – abhängig von seinen Lebensumständen. Das schätzen zumindest Forscher der Universität Newcastle (Australien), die sich im Auftrag der Umweltstiftung WWF bereits vorhandene Studien genauer angeschaut haben. Zum Vergleich: Auch eine Kreditkarte wiegt in etwa fünf Gramm.
Die Untersuchung der Forscher basiert auf Daten zu Mikroplastik – also Teilchen kleiner als 5 Millimeter – in der Atemluft, im Trinkwasser, in Salz, Bier und in Schalentieren. Mikroplastik, das möglicherweise auf anderem Wege aufgenommen wird, wurde in der australischen Analyse laut WWF-Mikroplastik-Expertin Caroline Kraas nicht berücksichtigt. Auch Fisch wurde von den Forschern trotz verfügbarer Daten ausgenommen, da nicht klar ist, wie viel Mikroplastik beim Verzehr mitgegessen wird, und wie viel beispielsweise in den Innereien der Tiere bleibt.
Mikroplastik lässt sich nicht aus der Umwelt entfernen
Der WWF fordert ein globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung mit verbindlichen Zielen. „Wenn wir kein Plastik in unserem Körper wollen, müssen wir verhindern, dass jedes Jahr Millionen Tonnen Kunststoffmüll in die Natur geraten“, sagte die Leiterin des Bereiches Meeresschutz beim WWF Deutschland, Heike Vesper, laut einer Mitteilung.
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Für Mikroplastik gibt es keine offizielle Definition. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind üblicherweise Plastikpartikel gemeint, die kleiner als fünf Millimeter und größer als ein Mikrometer (entspricht 1/1000 Millimeter) sind. Es ist technisch praktisch nicht möglich, die kleinen Teilchen wieder aus der Umwelt zu entfernen. Deshalb muss laut WWF verhindert werden, dass Plastik überhaupt in die Natur gelangt.
Leitungswasser in Deutschland unbedenklich
Die kleinen Teilchen entstehen unter anderem beim Abrieb von Reifenoder Schuhsohlen, beim Verschleiß größerer Plastikteile oder beim Waschen synthetischer Textilien. Auch Mikroplastikpartikel in Kosmetika, aus Bauschutt oder Verwehungen von Sport- und Spielplätzen enden als Mikroplastik in der Umwelt. Das Fraunhofer-Institut ging in einer Studie aus dem vergangenen Jahr davon aus, dass in Deutschland nur rund ein Viertel des Kunststoffs, der in die Umwelt gelangt, aus Makroplastik besteht. Dazu gehören Plastiktüten und andere Kunststoff-Produkte. Der Rest, etwa 74 Prozent, sind demnach Mikroplastik.
Der WWF-Studie zufolge nehmen Menschen das meiste Mikroplastiküber Trinkwasser auf – Wasser aus Flaschen ist dabei im Allgemeinen mehr betroffen als Leitungswasser. Dafür ist vermutlich die Flasche selbst oder der Produktions- beziehungsweise Transportprozess verantwortlich. Leitungswasser aus Grundwasservorkommen ist laut WWF-Expertin Kraas in Deutschland unbedenklich: „Man geht nach heutigem Forschungsstand davon aus, dass es im deutschen Grundwasser keinen realen Befund für Mikroplastik gibt.“
USA: Wasser aus Flaschen enthält mehr Mikroplastik als Leitungswasser
Laut der Studie gibt es bei Trinkwasser deutliche regionale Unterschiede. In den USA oder Indien wurde doppelt so viel Plastik nachgewiesen wie in Europa oder Indonesien. „Wieviel Mikroplastikjemand aufnimmt, ist abhängig vom Wohnort, den Lebensbedingungen und der Ernährungsweise“, hieß es von Heike Vesper (WWF).
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Dass die meisten Plastikteilchen über Trinkwasser in den menschlichen Körper gelangen, zeigt auch eine erst vor kurzem im Fachblatt „Environmental Science & Technology“ („EST“) veröffentlichte Studie. Die für die USA erstellte Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Wasser aus Flaschen wesentlich mehr Mikroplastik enthält als Leitungswasser. Die Studie geht insgesamt von bis zu 121.000 Partikelnaus, die ein erwachsener Mann jedes Jahr unter anderem auch über Nahrung aufnimmt. Da sie nur einen Teil der möglichen Mikroplastikquellen berücksichtigen konnten, gehen die Forscher davon aus, dass ihre Schätzungen drastisch zu niedrig liegen.
Macht Mikoplastik aus Lebensmittel krank – keine Beweise
Der Studie zufolge nehmen US-Amerikaner Mikroplastik mehrheitlich durch Atemluft, Wasser aus Flaschen und über Meerestiere auf. Beide Studien lassen dabei aber keine wissenschaftlichen Rückschlüsse auf Deutschland zu. Sie enthalten auch keine Informationen, wie sich die Aufnahme von Plastik auf die menschliche Gesundheit auswirkt – das müsse erst noch erforscht werden.
Ob Mikroplastik dem menschlichen Körper schadet, ist laut dem BfRbislang nicht bewiesen. „Die These, dass Mikroplastik aus Lebensmitteln Menschen krank macht, ist derzeit wissenschaftlich nicht belegt“, sagte Institutspräsident Andreas Hensel Anfang Juni der Funke-Mediengruppe.
Toxische Wirkung von Mikroplastikunwahrscheinlich – aber noch viele offene Fragen
Die Forscher der „EST“-Studie schreiben, dass die Auswirkungen von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit weitgehend unbekannt sind, trotzdem seien mögliche Ursachen für Schäden schon beschrieben worden. Auch das BfR will mögliche negative Auswirkungen nicht ausschließen. Nach einem Aufsatz von Alfonso Lampen vom BfRreagieren die meisten sogenannten Polymere, aus denen Plastik hauptsächlich besteht, im menschlichen Körper nicht. Eine toxische Wirkung sei also vermutlich erstmal unwahrscheinlich – auch wenn es hier viele offene Fragen gebe.
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Zudem fügten die Hersteller laut Lampen dem Plastik oft Zusatzstoffe, wie Weichmacher, Farbstoffe und Duftstoffe hinzu. Diese könnten unter bestimmten Bedingungen im Körper wieder freigesetzt werden. Außerdem sei es möglich, dass die Plastikteilchen durch die Umwelt zum Beispiel durch Algentoxine oder Biozide kontaminiert wurden – hier ist unklar, ob sie im Menschen wieder freigesetzt werden können.
Forschung ist kompliziert – Daten fehlen
Kleine Partikel in einer Größenordnung von wenigen Mikrometern könnten direkt von Zellen in Lunge oder Darm aufgenommen werden, so die EST-Studie. Die Datengrundlage sei aber noch nicht groß genug, um auf gesundheitliche Auswirkungen schließen zu können. Lampenvom BfR schreibt, dass in allen Geweben, mit denen die Partikel in Kontakt kommen, prinzipiell unerwünschte Wirkungen auftreten könnten. Deshalb sei die Frage nach dem Gesundheitsrisiko von Mikroplastik durch Ernährung eine der Hauptfragestellungen der Risikobewertung.
Die Forschung ist allerdings kompliziert. Größere Partikel bis in den Millimeterbereich sind einfacher zu analysieren. Kleinere könnten durch Filtrations- und Siebtechniken nicht erfasst werden, gleichzeitig spielten sie aber für die Aufnahme durch den Menschen eine größere Rolle.
Insgesamt fehlen den Forschern noch zahlreiche Daten, um die Auswirkungen auf die Gesundheit bestimmen zu können. Das BfR geht davon aus, dass der Kenntnisstand zu Mikroplastik in den nächsten Jahren deutlich wachsen wird, damit würden auch die Analysen besser. Bis dahin bringt die EST-Studie das Vorsorgeprinzip ins Spiel: Um die Aufnahme von Mikroplastik beim Menschen zu reduzieren, wäre es am effektivsten, weniger Plastik zu produzieren und zu nutzen.
Von RND/dpa