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Lungen-Experte: „Diesel-Fahrverbote wie in Berlin helfen in keinster Weise“

Lungen-Experte: „Diesel-Fahrverbote wie in Berlin helfen in keinster Weise“
Foto:  imago stock&people

Drohende Diesel-Fahrverbote sorgen für Aufregung unter betroffenen Autofahrern. Für den Schmallenberger Professor Heinz Dieter Köhler, einer der renommiertesten deutschen Lungen-Experten, ist die Debatte aufgebauscht: Die reale Gefahr von Stickoxiden, die vom Straßenverkehr in den Städten ausgeht, sei minimal, sagt er. Alarmierende Studien, die bislang anderes sagen, hält Köhler für irreführend: In ihnen würden viele andere Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Einnahmezuverlässigkeit von Medikamenten, sportliche Aktivität oder andere Lebensgewohnheiten nicht ausreichend berücksichtigt. Das führe zu einer verzerrten Wahrnehmung.

Erst Stuttgart, dann Hamburg, jetzt also auch Berlin: Besitzer von Diesel-Fahrzeugen droht die kalte Enteignung. Wird die Berliner Luft aber tatsächlich von der Sperrung einzelner Straßenabschnitten wirklich wieder dufte?

Diesel-Fahrverbote, wie sie jetzt in Berlin geplant sind, helfen in keinster Weise. LKWs werden ja weiter da fahren, andere Emissions-Erzeuger kommen hinzu. Das ist aber für die Stickoxid-Belastung der Luft im Grunde auch irrelevant, da die dort erzeugten Dosen ungefährlich sind. Anders sieht es beim CO2 aus, hier wird die Belastung eher zunehmen, da die Menschen nun andere, weitere Strecken fahren werden, um die gesperrten Straßen zu meiden.

Die Deutsche Umwelthilfe frohlockt dennoch und hofft auf weitere Fahrverbote in anderen Städten. Berechtigte Vorfreude?

Die Freude ist nicht berechtigt, weil es keinesfalls die Verkehrsbelastung in deutschen Innenstädten löst. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ich bleibe dabei: Das Problem, um das wir uns kümmern müssen, ist nicht Stickoxid, sondern die CO2-Belastung. Und die wird sich durch das Herausdrängen der Diesel-Fahrzeuge eher verschärfen, weil die Leute nun vorrangig auf Benziner umsteigen werden. Das läuft allen Klimaschutzzielen völlig entgegen: Diesel haben nun mal durch die höhere Verbrennungstemperatur und besseren Wirkungsgrad einen etwa 20 Prozent geringeren CO2-Ausstoß als Benziner.

Luftreinhalteplan in Leipzig? „Es werden kuriose Klimmzüge gemacht“

Leipzig will mit der Reduzierung des gesamten mobilen Verkehrs in fünf Straßen seinen Luftreinhalteplan einhalten. Was sagen Sie dazu?

Das muss man abwarten. Wir haben aktuell ja einen gewissen Aktionismus, weil wir nun mal die Rechtsverordnung haben, die einklagbar ist und da entstehen dann diese Klimmzüge. Da kommen auch Kuriositäten heraus, wie beispielsweise in Köln, wo die Messstellen einfach weiter weg von den Straßen gerückt worden sind. Das Schlimme daran ist nur, die Kommunen geben jetzt viel Geld aus für allerlei unsinnige Maßnahmen, während an anderen Stellen, wie im sozialen Bereich, das Geld fehlt.

Beim Dieselkompromiss der GroKo gehen Sachsen und Thüringer leer aus – weil es ja nur Prämien und Nachrüstungen in elf betroffenen Städten im Westen gibt. Ist diese Ungleichbehandlung noch zu verstehen?

Nein, ist sie nicht. Sie sind die Leidtragenden eines faulen Kompromisses, der die kriminellen Machenschaften der Autoindustrie kaschieren soll. Hier wurde extrem geschummelt. Jetzt soll einem kleinen Teil der betroffenen Diesel-Fahrer geholfen werden. Im Osten lässt man die Menschen dagegen im Stich. Das versteht kein Mensch.

Sie sagen, die Stickoxid-Gefahr durch den Straßenverkehr in den Städten ist im Grunde zu vernachlässigen. Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis, wo doch zahlreiche Studien zu einem ganz anderen Schluss kommen?

Ganz einfach: Weil die Schlussfolgerungen aus diesen Datenerhebungen nicht stimmen können. Im Grunde folgen alle bekannten Studie zum Feinstaub und neuerdings zum Stickoxid dem gleichen Prinzip: Man vergleicht staubbelastete mit weniger staubbelastetenden Regionen und korreliert sie mit den Erkrankungsraten beziehungsweise mit der Sterberate. Herausgekommen ist dabei bislang eine minimale Erhöhung des Gesundheitsrisikos durch Feinstaub und NO2. Andere, sehr viel stärkere Einflussfaktoren wie Rauchen oder andere Begleiterkrankungen sind 100 bis 1000mal größer, so dass sie gar nicht adäquat berücksichtigt werden können. Das ist fatal, denn schon kleinste Störfaktoren ändern massiv die Ergebnisse. Das heißt: Wir sitzen einem Trugschluss auf. Man hat im Grunde in den Studien unterschiedliche Lebensgewohnheiten und Gesundheitszustände der Menschen gemessen. Und mehr nicht.

6000 Todesopfer durch Stickoxid? „Umweltbundesamt rudert zurück“

Das Umweltbundesamt (UBA) schockierte mit der Zahl von jährlich 6000 vorzeitigen Todesfällen, an denen die Stickoxid-Belastung schuld sein soll. Diese Zahl ist doch nicht aus der Luft gegriffen?

Doch, ich fürchte leider ja. Das Umweltbundesamt rudert auch schon etwas zurück und spricht jetzt von 1 bis 2 Tagen Verkürzung der Lebenserwartung bei der Stickoxid-Belastung im Vergleich Stadt/Land. Aber nehmen wir nochmals das Rauchen. Die Konzentration des Zigarettenrauchs liegt etwa 10millionenfach über dem Limit des Feinstaubs. Die Stickoxid-Belastung einer Zigarette liegt bei 300 000 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nach wenigen Monaten hätte ein Raucher den NO2-Tagesgrenzwert aus dem Straßenverkehr von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht, wenn er diesem lebenslang ausgesetzt wäre. Raucher müssten also nach wenigen Monaten tot umfallen, allein wegen der NO2-Belastung.

Gilt das auch bei der Gefahr durch Feinstaub?

Bei der Feinstaubbelastung wäre die Wirkung sogar noch stärker. Hier haben die Raucher die Dosis bereits nach wenigen Wochen erreicht, für die ein Nichtraucher ein Leben lang braucht, wenn er 24 Stunden am Tag den Grenzwert von 50 Mikrogramm einatmen würde. Hinzu kommt, dass der Zigarettenrauch viel gefährlichere Inhaltsstoffe enthält als der Feinstaub in unserer Umwelt. Das müsste doch Forschern auffallen, dass in der Beschwörung der Stickoxid-und Feinstaubgefahr etwas nicht stimmen kann. Im Grunde sind damit alle Beobachtungsstudien zur Gefahr von NO2 und Feinstaub in diesem Niedrigdosisbereich widerlegt.

Forscher hängen alle an den Fördertöpfen

Warum sehen nur Sie diese Vergleiche, andere renommierte Forscher aber nicht?

Dafür gibt es einige Gründe, ein wichtiger ist die Ausstattung der Forschungsprojekte mit öffentlichen Fördermitteln. Pro Forschungsprojekt fließen hier 7 bis 12 Millionen Euro, überwiegend aus EU-Töpfen. Es drängt sich leider der Eindruck auf, dass die Daten im Sinne einer Erwartungshaltung ausgewertet worden sind. Man sägt eben nicht an dem Ast auf dem man sitzt.

Das ist starker Tobak…

…ja, aber man muss es so klar sagen. Hier werden aus Korrelationen unzulässigerweise Kausalitäten gezogen, das ist eine Todsünde der Wissenschaft! Ich habe mal nur zum Vergnügen die Zunahme der Lebenserwartung von 1950 bis 2013 mit der Zunahme der zugelassenen Autos korreliert. Beide Werte sind stark angestiegen. Daraus aber den Schluss zu ziehen, wir müssen noch mehr Autos zulassen um die Lebenserwartung weiter zu steigern, ist natürlich Quatsch. Schon allein wenn man die Personen ohne Führerschein aus dieser Betrachtung herausrechnet, würde man sehen, dass deren Lebenserwartung ebenfalls gestiegen ist – ganz ohne Auto. So einfach geht es eben nicht, man muss in der Forschung sehr viele Faktoren hinterfragen.

Kritiker der strengen NO2-Grenzwerte im Straßenverkehr verweisen auch immer gern darauf, dass an bestimmten Arbeitsplätzen ein Maximalwert von 950 Gramm des Reizgases pro Kubikmeter erlaubt ist. Werden hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen?

Nein, der Grenzwert an Hauptverkehrsstraßen wird ja zunehmend zum Politikum, einige fordern ja sogar schon die weitere Verschärfung auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nur zum Vergleich: Wenn Sie zuhause vier Kerzen im Zimmer anzünden, dann haben sie schon 200 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter. Studien an gesunden Menschen im Kurzzeitversuch haben bis 3000 Mikrogramm keine Effekte gezeigt. Deshalb ist die maximale NO2-Konzentration an Arbeitsplätzen in Deutschland immer noch bei 950 Mikrogramm pro Kubikmeter. In der Schweiz liegt sie gar bei 6000 Mikrogramm.

Weiterer Kritikpunk ist der Standort der Messstellen. In Deutschland stehen sie meist direkt am Straßenrand – während beispielsweise in Wien deutlich Abstand gehalten wird, was natürlich zu günstigeren Messwerten führt.

Ja, es gibt zwar verbindliche Richtlinien, aber sie werden wohl sehr unterschiedlich ausgelegt. Der vorauseilende Gehorsam war leider immer schon eine deutsche Tugend.

Der Diesel ist zukunftsweisende Technologie

Nach der EU-Einigung vom Dienstag werden Autohersteller nun zu schärferen CO2-Grenzen für Neuwagen verpflichtet. Wie passt das zusammen, wenn ausgerechnet jetzt die CO2-freundlicheren Diesel aus dem Markt gedrängt werden?

Das passt gar nicht zusammen. Moderne Diesel mit Adblue-Technologie sind schadstoffarm und von ihrem Wirkungsgrad und ihrer Energiedichte einfach nicht zu toppen. Und spätestens wenn synthetische Kohlenwasserstoffe zur Marktreife kommen, wird sich zeigen: Der Diesel ist eine zukunftsweisende Technologie.

Aber was hilft uns aktuell in dieser sprichwörtlich verfahrenen Situation weiter?

Vielleicht tatsächlich mal eine Atempause, um die Datenlage korrekt zu studieren. Diese Ehrlichkeit in der Debatte ist wichtig, selbst wenn wir dabei zur bitteren Erkenntnis gelangen, dass wir möglicherweise auf falscher Datengrundlage Gesetze erlassen haben. Eine Korrektur ist hier allemal besser, als weiter blind mit Zitronen zu handeln.

Von Olaf Majer/RND


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