„Krass, du bist ja voll normal“: Basma Hallak über das Leben als Autorin of Colour
Personen mit Kopftuch finden selten Platz in typischen New-Adult-Liebesromanen in Deutschland: Mit ihrem Roman „Between My Worlds“ möchte Basma Hallak mehr Sichtbarkeit schaffen. Die Berlinerin spricht im MADS-Interview über Diskriminierungserfahrungen, Probleme in der Buchindustrie und das Leben als Autorin.
Basma, wie bist du auf die Idee für „Between My Worlds“ gekommen?
Mein Buch fängt romantisch an und wird im Laufe der Handlung immer heftiger: Es wird immer trauriger und trauriger. Meine ursprüngliche Idee war es, einen süßen, cozy New-Adult-Roman (NA) zu schreiben, in dem die Protagonistin ein Kopftuch trägt. Dann habe ich aber gemerkt, dass, wenn man die Lebensrealität einer BIPoC-Person* widerspiegelt, man einfach nicht bei einem super süßen NA-Roman herauskommt. Ich habe alles versucht: viele Blumen, süßer Hund, toller Junge. Aber bei der Lebensrealität einer BIPoC-Person kommt eben viel Trauriges raus.
Basma Hallak wurde 1996 als Tochter palästinensischer Eltern in Berlin geboren, wo sie Bibliotheks- und Informationsmanagement studierte. Inzwischen arbeitet sie als Autorin und Content Creatorin auf Instagram.
*BIPoC ist eine Abkürzung aus dem Englischen für Black People, Indigenous People and People of Colour. Auf Deutsch bedeutet das Schwarze Menschen, Indigene Menschen und Menschen of Colour. Oft wird auch PoC als Kurzform genutzt.
Deine Protagonistin Kalima spricht viel von ihren Diskriminierungserfahrungen. Inwiefern spiegeln sich deine Erfahrungen darin wider?
Teilweise sind die aus meinem Leben, aber größtenteils sind es die Erfahrungen meiner Eltern. Ich bin in Neukölln aufgewachsen, das heißt, ich war größtenteils von Leuten mit Migrationshintergrund umgeben. Als ich dann aber für mein Studium nach Bayern gegangen bin, habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht.
Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?
Man wird krass anders angeschaut, und wenn man angesprochen wird, dann immer auf Englisch. Manchmal kam es sogar vor, dass man mir gesagt hat, dass ich zurück in mein Land soll. Dann dachte ich mir: Bruder, ich stehe hier nur rum und will zum Hausarzt. Meine beste Freundin ist auch PoC und sie hat kaum Diskriminierungserfahrungen gemacht. Das liegt aber vermutlich wirklich an Neukölln. Wenn man dann einmal aus dieser Blase herauskommt, merkt man schnell, dass es ganz anders sein kann.
Themen wie Rassismus und Diskriminierung in einen Liebesroman zu verpacken kann herausfordernd sein: Auf welche Schwierigkeiten bist du beim Schreiben getreten?
Es war schwierig, Kalimas Stimme zu finden und es immer noch humorvoll gestalten zu wollen. Ich habe mich oft gefragt: „Würde sie das jetzt wirklich denken oder sagen?“ Ich habe das Gefühl, dass vor allem Leute mit Migrationshintergrund immer ihr Trauma in Witze verpacken wollen. Aber auf so einem richtig unnatürlichen Level. Ich habe immer noch Bedenken, dass Leute verwirrt sind, weil es recht fröhlich anfängt und dann immer trauriger wird. Aber man kann eben auch humorvoll und traumatisiert sein.
Außerdem hatte ich keinen Spice drinnen. So eine richtige Bindung zwischen zwei Leuten zu schaffen, ohne dass sie sich anfassen, also nur mit Gesprächen, war herausfordernd.
Viele kaufen Romance-Bücher auch aufgrund sexueller Inhalte. Warum hast du dich dagegen entschieden, diese zu integrieren?
Spice ist immer ein tolles Werbemittel, ich finde das ja auch interessant. Die Protagonistin trägt aber ein Kopftuch. Kalima handelt zwar nicht unbedingt, wie ich handeln würde, aber ich möchte, dass sich Mädels gesehen fühlen. Es stimmt natürlich auch nicht, dass Mädchen mit Kopftuch immer brav sind und nichts machen dürfen, aber für eine allgemeine Repräsentation fand ich das am besten. Und ehrlich gesagt, wusste ich auch nicht mehr, wo ich das hinstecken sollte in meiner Geschichte.
Man hört oft, dass sich Verlage sehr in die Geschichte einmischen. Wie war das bei dir?
Mein Verlag hat sich nie eingemischt, obwohl ich am Ende super politisch wurde. Es gibt allerdings auch Verlage, die gerade, wenn es um Themen wie Rassismus geht, oft sagen: „Ne, mach mal lieber weniger davon, wir wollen die Leute nicht wütend machen.“
Was gibt es aus deiner Sicht noch für Probleme in der Buchindustrie?
Erst mal muss ich sagen, dass ich mega privilegiert bin. Ich habe eine tolle Agentin und kann inzwischen vom Schreiben leben. In der deutschen NA-Szene gibt es allerdings nur wenige PoC-Autorinnen. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leuten eine Stimme gegeben wird und mehr PoCs eingekauft werden, denn meist gibt es nur eine pro Verlag. Ansonsten gibt es natürlich auch viele, die einen ausbeuten wollen, und der Druck, alle drei Monate etwas herausbringen zu müssen, ist auch nicht ohne.
Diversität wird mittlerweile oft als Marketingmittel genutzt: Was war deine Wahrnehmung, als du auf der Suche nach einem Verlag warst?
Bei meinem Verlag habe ich mich nie wie eine Diversitätsquote gefühlt. Aber ein Verlag hat mich zum Beispiel abgelehnt, mit der Begründung, schon ein Buch zu haben, das Rassismus thematisiert. Dann habe ich mich gefragt: Wie viele weiße Autorinnen habt ihr, die über ähnliche Themen schreiben und zusammen erscheinen?
Welche Nachteile erfährt man als PoC in der Buchindustrie?
Mein Vorteil war, dass ich mir schon vorher eine Reichweite aufgebaut habe. Deswegen habe ich persönlich nicht viel von den Nachteilen gespürt. Eine Sache, die wir alle gemeinsam haben, ist aber, dass man sich immer erst beweisen muss. Als ich meinen Account vor vier Jahren gegründet habe und angefangen habe lustige Rezensionen zu veröffentlichen, kamen oft Kommentare wie: „Krass, wie lustig du bist, krass, wie gut du Deutsch sprichst“. Oder, wenn ich zum Beispiel gepostet habe, dass ich mir gerade einen Pumpkin Spice Latte gekauft habe, schreiben Leute: „Krass, du bist ja voll normal.“ Hätte ich meine Reichweite nicht gehabt – ciao. Vor fünf Jahren wäre mein Buch wahrscheinlich niemals veröffentlicht worden.
Auf Instagram bist du Teil der Bookstagram-Community, gibt es Dinge, die dich daran stören?
Die Erwartungshaltung an Autorinnen und Autoren, da schließe ich mich aber selbst mit ein. Ich habe ja gerade erst veröffentlicht, die meisten nehmen mich noch gar nicht als Autorin wahr. Dann wird sich darüber aufgeregt, dass eine Autorin die Veröffentlichung verschiebt, obwohl sie sich gerade ins Burnout arbeitet. Manche Rezensionen sind auch total respektlos. Natürlich darf man sich eine Meinung bilden, aber es muss nicht auf so persönlicher Ebene sein. Viele Leute sind sich auch nicht bewusst, unter welchem Druck Autorinnen und Autoren stehen. Deine Verkaufszahlen bestimmen, wie deine nächsten Verträge sind und ob du eine Zukunft als Autorin hast. Vorbesteller Zahlen sind auch super wichtig. Es kommen super viele Bücher heraus, und der Markt ist schnelllebig.
Die New-Adult-Szene kämpft mit dem Klischee, immer wieder ähnliche Liebesgeschichten mit unrealistischen Männern zu produzieren. Wie bist du damit in deiner Geschichte umgegangen?
Das Klischee stimmt halt. Also sorry, du kannst mir nicht erzählen, dass es irgendeinen Typen in Island gibt, der sich nicht bewusst ist, wie hübsch er ist und nur mit Blumen arbeitet. Vielleicht ist es aber auch die Großstadt, die mich versaut hat. Manchmal will man sich die Welt auch schönschreiben, romantisieren und in eine Traumwelt fallen. Man kann sich ja auch solche Liebesgeschichten wünschen und begreifen, dass man so etwas verdient. Viele Mädels geben sich mit so wenig zufrieden und dann ist es wichtig, seinen Wert zu erkennen.
„Between My Worlds“: Wichtige Themen, mittelmäßige Umsetzung
Kalima kann es kaum erwarten, ihr Leben als Fotografin in Berlin für einen Moment hinter sich zu lassen, um nach Island zu fliegen. Dort trifft sie auf den gutaussehenden Nói, der im Lokal seiner Eltern arbeitet. Schon bald beginnen die beiden, eine ganz besondere Verbindung zueinander aufzubauen. Doch auch in Island wird Kalima immer wieder mit ihrer Herkunft und Diskriminierungserfahrungen konfrontiert.
„Between My Worlds“ behandelt viele wichtige Themen wie Rassismus, Diskriminierungserfahrungen und Sexismus – verpackt in einem schönen Setting mit einer Liebesgeschichte. Basma Hallak hat es geschafft, die Lebensrealität einer Frau mit Kopftuch darzulegen und auf Missstände unserer Gesellschaft hinzuweisen. „Between My Worlds“ bringt deutlich rüber, durch welche verschiedenen Filter Menschen ihre Welt wahrnehmen – und wie diese Wahrnehmung von Privilegien geprägt ist.
Trotzdem kann die Geschichte nicht vollends überzeugen: Die Dialoge zwischen Kalima und Nói wirkten oft erzwungen und unnatürlich. Dadurch fällt es schwer, mit den Hauptcharakteren warmzuwerden. Kalimas Art zu kontern wirkte eher unnatürlich als schlagfertig. Ihr aufgesetzter Humor macht das Lesen teilweise anstrengend. Der Roman klärt über wichtige Themen auf, als Liebesgeschichte überzeugt er aber nicht.
Von Tara Yakar
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