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Kommentar zum geplanten Gesetz gegen digitale Gewalt: Keine Hilfe für Betroffene

Kommentar zum geplanten Gesetz gegen digitale Gewalt: Keine Hilfe für Betroffene
Foto: Fabian Sommer/dpa

Rassistische Kommentare, Bodyshaming, Homophobie: Junge Menschen sind überdurchschnittlich oft von Hass im Netz betroffen. Es ist die Aufgabe des Bundesjustizministeriums, etwas dagegen zu unternehmen. Doch das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt ist eine Mogelpackung, kommentiert MADS-Autor Moritz.


Wer beispielsweise schon einmal ein Dickpic geschickt bekommen hat oder im Internet wegen Hautfarbe oder Körperproportionen beleidigt wurde, ist Opfer digitaler Gewalt geworden. Diese ist zu einem echten Problem herangewachsen. Die Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, stärker gegen Hass im Netz vorzugehen. Doch das im April von Bundesministerium für Justiz (BMJ) veröffentlichte Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt zeigt: Betroffenen wird kaum geholfen.

Unternehmen können persönliche Daten einfordern

Das geplante Gesetz soll Gerichte dazu befähigen, einfacher an die persönlichen Daten mutmaßlicher Täter zu gelangen und ihre Accounts sperren zu können. Das klingt zunächst gut – doch das sogenannte Auskunftsrecht soll nach dem Papier nicht nur für Opfer digitaler Hassrede gelten.

Auch Unternehmen, die sich unverhältnismäßig kritisiert sehen, können sich darauf berufen. Ein irritierender Ansatz, mit dem etwa eine schlechte Restaurantbewertung im schlimmsten Fall die Herausgabe eines Klarnamens bedeuten kann. Zwar sind sogenannte ehrverletzende Äußerungen gegen Unternehmen aktuell und wohl auch künftig nicht strafbar. Doch ein Restaurant könnte hinter schlechten Kritiken ein anderes Unternehmen und Geschäftsschädigung vermuten und so auf das Auskunftsrecht bestehen. Regelungen für den Auskunftsanspruch nennt das BMJ in dem Entwurf nicht – dabei wäre dies dringend nötig, denn derzeit besitzen Unternehmen kein vergleichbares Recht.

Ein juristischer Spielplatz für die Big Player

Das geplante Gesetz würde einen juristischen Spielplatz schaffen, und große Unternehmen hätten mit ihren opulenten juristischen Abteilungen gute Chancen, sich darauf auszutoben. Für die meisten Opfer digitaler Gewalt dürfte das hingegen schwierig werden, denn sie sind in der Regel jung und besitzen selten juristische Kenntnisse oder die finanziellen Mittel für einen Rechtsbeistand.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn

So sind nach einer diesjährigen Befragung von Forsa rund 90 Prozent der 14- bis 44-Jährigen bereits mit Hass im Netz in Kontakt gekommen, etwa 40 Prozent der 14- bis 24-Jährigen waren schon einmal Ziel von Hate Speech. Das hat auch Konsequenzen: Nach der JIM-Studie von 2022 traut sich etwa ein Drittel zwischen 12 und 19 Jahren aus Angst vor negativen Kommentaren nicht mehr, die eigene Meinung öffentlich zu posten, also ein demokratisches Grundrecht wahrzunehmen.

Hilfe für Betroffene: Bund will Fördermittel streichen

Junge Menschen müssten also über digitale Gewalt aufgeklärt und im Einzelfall juristisch beraten werden. Das ist aber vielleicht nur noch bis Ende dieses Jahres möglich. Dann soll für zwei Projekte, die genau das bisher angeboten haben, die Förderung des Bundesjustizministeriums gestrichen werden. Betroffen sind sowohl die Anlaufstelle für Betroffene von digitaler Gewalt „Hate Aid“ als auch das medienpädagogische Projekt „Firewall“ der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Für Letztere laufe der Antrag auf Förderung planmäßig aus, bestätigte das BMJ auf Presseanfrage von MADS. Für „Hate Aid“ sei ursprünglich ein dreijähriges Projekt vorhergesehen, im Haushalt 2023 jedoch nur die Mittel für ein Jahr bewilligt. Das parlamentarische Verfahren für den kommenden Haushalt 2024 sei also abzuwarten.

Gesetz droht zum Privileg einiger weniger zu werden

Ohne diese Beratungsangebote droht das Gesetz gegen digitale Gewalt in der Realität zum Privileg einiger weniger zu werden. Noch bis Ende des Jahres soll das Eckpunktepapier in einen Referentenentwurf überführt werden. Es bleibt dem Ministerium also noch etwas Zeit zu überlegen, ob es politisch gegen tatsächliche digitale Gewalt vorgehen möchte.

Von Moritz Tübbecke


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Über den Autor/die Autorin:

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