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Kommentar: Warum man immer länger auf einen Therapieplatz warten muss

Kommentar: Warum man immer länger auf einen Therapieplatz warten muss
Foto: Christopher Lemercier/Unsplash

Psychisch zu erkranken kann sehr schnell gehen – einen Therapieplatz zu finden dauert dagegen oft lange. Warum sich dieses und weitere Probleme trotz Reform nicht ändern werden, kommentiert MADS-Autorin Tara.


43 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden einmal in ihrem Leben an einer psychischen Erkrankung. Da hilft es nicht, dass man oftmals viele Monate auf einen Therapieplatz warten darf – Privatversicherte ausgenommen. Aber warum ist das eigentlich so? Schließlich gibt es genügend motivierte Menschen, die den Berufsweg der Psychotherapie einschlagen möchten, sonst wäre der NC für ein Psychologiestudium nicht so hoch.

Warum ist die Wartezeit für einen Therapieplatz so hoch?

Um gesetzlich Versicherte zu behandeln, brauchen Psychotherapeutinnen und -therapeuten allerdings einen der wenig verfügbaren Kassensitze. Kassensitze kosten nicht selten um die 100.000 Euro. Nach einem mindestens fünfjährigen Studium und drei- bis fünfjähriger unbezahlter Ausbildung, können oder wollen sich das viele nicht leisten.

Neue Reform, alte Probleme

2019 wurde schließlich eine neue Reform beschlossen, mit der man bereits nach fünf Jahren Bachelor- und Master-Studium die Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut erhält. Somit soll die unvergütete Ausbildung nach dem Studium wegfallen und die Absolventinnen und Absolventen direkt zur Behandlung von Klientinnen und Klienten befähigt werden. 

Was sich nach einer vielversprechenden Lösung anhört, entpuppt sich allerdings als ein schlecht durchdachter Plan: Zum einen wird das Problem der Kassensitze und der Bedarfsplanung überhaupt nicht in Angriff genommen. Somit bleibt ein wichtiges Grundproblem bestehen, was seine Wurzeln schon weit vor dem eigentlichen Studium hat: die soziale Herkunft, die den akademischen Erfolg maßgeblich bestimmt. Von 100 Nichtakademikerkindern beginnen nur 27 ein Studium; bei Akademikerkindern sind es 79. Das sieht auch in der Psychotherapie nicht anders aus – den Weg dahin muss man sich leisten können. Hinzu kommt, dass während des Studiums Vollzeitpraktika absolviert werden müssen. Für einen Job nebenbei bleibt da wenig Zeit. Somit müssen oft die Eltern oder andere Bezugspersonen bei der Studienfinanzierung nachhelfen. Am Ende wartet dann der teure Kassensitz. 

Das nächste Problem ist die fehlende Finanzierung. Nach der Approbation darf man nämlich Klientinnen und Klienten behandeln und soll dafür eine angemessene Vergütung erhalten. Die Reform wurde beschlossen, allerdings ohne zu klären, wie Kliniken und Praxen die neuen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten finanzieren sollen. Die Finanzierung hat bisher nämlich nur geklappt, weil der Nachwuchs die Ausbildung komplett selbst finanziert hat. Folglich müssen viele Kliniken und Praxen ihre Stellen streichen. Somit stehen die fertig studierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit hoher Qualifikation da, können aber nicht eingestellt werden, da sie niemand bezahlen kann. Kein psychotherapeutisches Fachpersonal – keine Therapie. Wer psychisch krank wird, darf also noch länger auf einen Therapieplatz warten.

Was kann man dagegen tun?

Wie in vielen politischen Angelegenheiten ist es in erster Linie wichtig, Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Informationen im eigenen Umfeld weiterverbreiten, Demonstrationen planen oder besuchen und sich an den Gesundheitsausschuss im Bundestag wenden. Eine kurze E-Mail, die auf das Problem aufmerksam macht und Druck ausübt, kann schon reichen. Denn sollte sich nichts an der fehlenden Finanzierung ändern, dann ist das nicht nur für angehende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten belastend, sondern kann zu noch mehr psychischen Erkrankungen führen.

Von Tara Yakar


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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