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Jugenddelegierter beim UN-Nachhaltigkeitsforum: „Es sieht düster aus“

Jugenddelegierter beim UN-Nachhaltigkeitsforum: „Es sieht düster aus“
Foto: Felicia Holtkamp

17 Nachhaltigkeitsziele haben sich die United Nations (UN) bis 2030 gesetzt – nun ist Halbzeit. Der deutsche Jugenddelegierte Fidelis Stehle (23) ist sich sicher: Es braucht dringend eine neue Taktik, um die Ziele noch zu erreichen. MADS-Autorin Felicia hat mit ihm beim Nachhaltigkeitsforum in New York gesprochen.


Fidelis Stehle ist seit März deutscher UN-Jugenddelegierter für Nachhaltige Entwicklung. Schon in seiner Jugend interessierte sich der 23-Jährige für Nachhaltigkeit. Nachdem Abitur 2018 in Baden-Württemberg reist er durch Panama und Israel, pilgert den Jakobsweg. Dort gewinnt er neue politische, kulturelle und historische Eindrücke. „Ich habe damals erkannt, dass wir etwas tun müssen, um eine lebenswerte Zukunft zu haben“, sagt Fidelis. „Das war eine von vielen Motivationen, mich für die Arbeit als UN-Jugenddelegierter zu bewerben.“ 2022 nimmt er bereits mit der Katholischen jungen Gemeinde an der UN-Klimakonferenz in Ägypten teil.

Fidelis Stehle. Foto: Pavel Sepi

„Als Jugenddelegierter möchte ich mich für Bildungsgerechtigkeit und die Bekämpfung von Ungleichheiten einsetzen“, sagt Fidelis, der vor allem jungen Menschen eine Stimme geben möchte. In New York ist er nun bei der Halbzeitkonferenz der Agenda 2030 dabei. „Und es sieht düster aus.“

Das sind die UN

Alphabetisch geordnet von Afghanistan bis Zimbabwe: Jeden Morgen ziehen Sicherheitsbeamte der United Nations (UN, zu Deutsch Vereinte Nationen) mitten in Manhattan 193 Länderflaggen hoch. Sie symbolisieren die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen. Hinter den Fahnenmasten ragt ein riesiges, 166 Meter hohes Gebäude in den Himmel – das Hauptquartier der UN. 1945 gegründet, sollen die Vereinten Nationen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wahren. Seitdem agiert die Institution als wichtigstes weltweites Forum für den Austausch zwischen den 193 Mitgliedsstaaten. „Mich erinnern die Flaggen daran, dass alle UN-Staaten eine Stimme haben und Verantwortung tragen“, sagt Fidelis Stehle.

Foto: Laura Höring

Agenda 2030 mit UN-Nachhaltigkeitszielen

Mit der Agenda 2030 verabschiedeten die UN im Jahr 2015 – also vor inzwischen acht Jahren – 17 konkrete Ziele für nachhaltige Entwicklung. Die Sustainable Development Goals (SDGs), wie sie im offiziellen UN-Jargon heißen, fordern eine Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaften, Klimaschutz sowie gesellschaftlicher Entwicklung. Die SDGs richten sich an alle Mitgliedsstaaten und ziehen jedes Land bewusst in Mitverantwortung für die Umsetzung der Ziele bis 2030. So sind auch die Fahnenmasten vor dem UN-Gebäude mit dem exakt gleichen Abstand angeordnet, um die Gleichberechtigung aller Mitgliedsstaaten darzustellen.

Das erste Ziel bezieht sich beispielsweise darauf, Armut in all ihren Formen und überall zu beseitigen. SDG 13 fordert umgehende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Und bei SDG 16 geht es um friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern. Um den Fortschritt und die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele zu überprüfen, tagt einmal pro Jahr das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung, das auf English den Titel „High-Level Political Forum on Sustainable Development“, kurz: HLPF, trägt. Jedes Jahr im Juli treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aller Mitgliedsstaaten im UN-Hauptquartier in New York, um die Entwicklungen der SDGs genauer zu betrachten.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele

Ziel 1: Armut in jeder Form und überall beenden
Ziel 2: Ernährung weltweit sichern
Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen
Ziel 4: Hochwertige Bildung weltweit
Ziel 5: Gleichstellung von Frauen und Männern
Ziel 6: Ausreichend Wasser in bester Qualität
Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie
Ziel 8: Nachhaltig wirtschaften als Chance für alle
Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur
Ziel 10: Weniger Ungleichheiten
Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden
Ziel 12: Nachhaltig produzieren und konsumieren
Ziel 13: Weltweit Klimaschutz umsetzen
Ziel 14: Leben unter Wasser schützen
Ziel 15: Leben an Land
Ziel 16: Starke und transparente Institutionen fördern
Ziel 17: Globale Partnerschaft

Zu viele Krisen, schlechte Umsetzung

Auf dem Nachhaltigkeitsforum sind sich alle einig: Die Umsetzung der Ziele ist nicht besonders erfolgreich. „Die Welt hat sich immer noch von der Corona-Pandemie erholt, als der Angriffskrieg auf die Ukraine begann“, sagt Lachezara Stoeva, Präsidentin des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen, um die Stagnation der 17 Nachhaltigkeitsziele zu erklären. Der Krieg in der Ukraine verschlimmerte die wirtschaftliche Lage auf der Welt dramatisch. Mehr als 106 Länder seien indirekt oder direkt betroffen vom russischen Angriffskrieg. „Es passieren aktuell einfach zu viele Krisen“, sagt Stoeva.

Fidelis hingegen sieht den Grund für den geringen Fortschritt der SDGs vor allem bei der konkreten Umsetzung der Mitgliedsstaaten. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Agenda 2030 eine sehr starke Vision ist und sie auf Freiwilligkeit und nicht Verbindlichkeit beruht“, sagt der Jugenddelegierte. Um diese freiwilligen Ziele in tatsächliches Handeln auf globaler, aber auch kommunaler Ebene zu bringen, brauche es aber noch viel Optimierungsbedarf.

Das UN-Gelände in New York. Foto: Felicia Holtkamp

Die UN können die Probleme der Welt allerdings nicht allein lösen, dazu braucht es die Hilfe von Regierungen und der Zivilgesellschaft. Stoeva weist darauf hin, auch den Privatsektor für finanzielle Unterstützung mit einzubeziehen. „Ich glaube, da gibt es durchaus Interesse, weil die SDGs eben alle betreffen“, sagt Stoeva. „Deswegen gibt es auch auf Seiten der Wirtschaft Interesse an der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele, weil sie dadurch wiederum Geld bekommen können.“ Eine Verbindlichkeit für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele könnte durch nationale Gesetzgebung oder konkretere Abkommen geschaffen werden.

Neue Taktik für die Nachhaltigkeitsziele

Fidelis vergleicht die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele mit einem Fußballspiel. „Wenn wir so die erste Halbzeit beim Fußball gespielt hätten, gäbe es in der Kabine eine laute und deutliche Ansprache.“ Es brauche also eine Taktikumstellung, denn die meisten Ziele seien off track. „Das HLPF ist eine gute Chance, in der Kabine zusammenzukommen und eine neue Taktik zu überlegen“, sagt der 23-Jährige.

Eine konkrete Taktikbesprechung soll während der Generalversammlung der UN im September 2023 erfolgen. Dann werden die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten am UN- Hauptquartier in New York zusammenkommen, um die Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu überprüfen. „Der Vergleich zu einem Fußballspiel hinkt aber ein bisschen“, gesteht Fidelis. „Es geht um die Zukunft unseres Planeten, und das ist eben kein Spiel.“

Von Felicia Holtkamp


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