Jeder dritte Student fühlt sich allein: Was man gegen Einsamkeit tun kann
Junge Menschen gelten als offen und neugierig. Was aber, wenn der Start an der neuen Universität oder der Auszug von Zuhause einfach nur einsam macht? Mehr als ein Drittel aller Studierenden fühlen sich alleine. MADS-Autorin Jacky erzählt.
Als ich von dem Glühweinabend in Nicks WG kam, war mir ganz schummrig. Mir war klar: Das unwohle Gefühl kam nicht von dem süßlich-zimtigen Wintergetränk. Vielmehr war es meine innere Stimme, die mir immer wieder sagte: „Du passt hier nicht rein. Das sind nicht die Leute, mit denen du befreundet sein willst.“
Ich war neu an der Universität in Jena. Bei der Erstsemester-Woche hatte ich eine Gruppe Studenten kennengelernt, die viel zusammen unternahm – und zu der ich auf gar keinen Fall gehören wollte. Zu den Treffen kam ich trotzdem. Zu groß war die Angst, sonst niemanden in dieser neuen Stadt zu haben und mit mir alleine zu sein. Doch bei jedem gemeinsamen Abend mit der Studigruppe fühlte ich mich schlechter. Irgendwann konnte ich mir eingestehen: „Ich bin unter Leuten – aber trotzdem verdammt einsam.“
Studenten fühlen sich einsam
Mit dem Gefühl vom Einsamsein war ich nicht allein: Eine Studie von vier Forscherinnen des Mannheimer Instituts für öffentliche Gesundheitspflege zeigt, dass mehr als ein Drittel aller Studierenden sich ein wenig bis sehr einsam fühlen. Dafür befragten die Sozialwissenschaftler 689 deutsche Studierende. Ein trubelig-studentisches Umfeld schützt also nicht vor dem Gefühl, allein zu sein. Die Forscher stellen in ihrer Studie nicht nur fest, dass Einsamkeit im Studium sehr verbreitet ist – sie liefern auch Vorschläge, um das Alleinsein zu beenden: Wer sich einsam fühlt, sollte das Unisportangebot wahrnehmen oder sich Lerngruppen anschließen. Auch Beratungen können Wege aus der Einsamkeit aufzeigen. Deshalb versuchen immer mehr Universitäten, ihren Studierenden beizustehen.
Universitäten bieten Hilfe
Ein Beispiel dafür ist die Nightline Berlin. Die Humboldt-Universität hat erkannt, dass viele Studierende mit emotionalen Problemen zu kämpfen haben und finanziert deshalb eine Telefonseelsorge. Seit Oktober haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter dort ein offenes Ohr für Berliner Studierende. Unter Telefon (0 30) 2 09 37 06 66 sind die Seelsorger jeden Donnerstag zwischen 21 und 24 Uhr zu erreichen.
Die Psychologie-Professorin Maike Luhmann und ihre Kollegin Louise Hawkley haben in einer Studie Daten von 30.000 Deutschen ausgewertet. Nicht nur Menschen über 80 Jahren sind demnach oft allein.
Eine Nightline gibt es allerdings nicht nur in der Hauptstadt: Diverse Städte wie Dresden, Münster und Leipzig bieten ebenfalls einen nächtlichen Telefondienst für ihre Studenten an. Die geschulten Ehrenamtlichen wollen den Studierenden als Zuhörer zur Seite stehen und versuchen, gemeinsam mit den Anrufern Lösungen für ihre Probleme zu finden.
Nicht nur Studenten betroffen
Doch nicht nur Studenten fühlen sich einsam: Obwohl gerade junge Menschen als offen und neugierig gelten, fühlen sich immer mehr Menschen unter 30 Jahren einsam. Die Psychologie-Professorin Maike Luhmann und ihre Kollegin Louise Hawkley haben in einer Studie Daten von 30 000 Deutschen ausgewertet. Nicht nur Menschen über 80 Jahren sind demnach oft allein.
Zu Beginn meines Studiums wusste ich leider nichts von den Beratungsangeboten der Unis. Ansonsten hätte ich sie wahrscheinlich wahrgenommen. Trotzdem habe ich es geschafft, etwas gegen mein Gefühl von Einsamkeit zu tun: Ich entschied mich für Tanz- und Tenniskurse beim Uni-Sport. Dort lernte ich neue Leute kennen, konnte mich nach und nach von der alten Gruppe lösen und bekam einen neuen Freundeskreis. Klar, das hat alles ein bisschen gedauert. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Heute kann ich mich an eine tolle Studienzeit in Jena erinnern, aus der noch viele Freundschaften bestehen.
Somit kann ich bestätigen, was die Studie zu Einsamkeit an Unis herausfindet: Viele Studierende fühlen sich einsam. Aber – und das ist die gute Nachricht – Universitäten liefern das richtige Umfeld, um der Einsamkeit auch wieder zu entkommen.
„Scheißgefühle dürfen kein Tabu sein“
Drei junge Frauen gründen die Shitshow, eine Agentur für psychische Gesundheit. Sie finden: Wir könnten Einsamkeit ganz bekämpfen. MADS-Autorin Jacqueline hat mit zwei der Gründerinnen gesprochen.
Hallo Nele, hallo Luisa. „Keine Angst vor Scheißgefühlen“ ist euer Slogan bei Shitshow. Wieso hilft es, sich mit Einsamkeit auseinander-zusetzen?
Luisa: Negative Gefühle gehen oft mit Scham einher, weshalb wir Probleme mit uns selbst ausmachen. Scham schneidet uns von Support-Möglichkeiten ab. Dabei hilft es, sich auszutauschen. Wir sagen immer „a shit shared is a shit spared“ – also geteilter Mist ist halber Mist. Darum wollen wir negative Emotionen enttabuisieren. Lies das ganze Interview hier.
Von Jacqueline Hadasch