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Heilsamer Trip? Mit Ecstasy und psychedelischen Pilzen gegen Depressionen

Heilsamer Trip? Mit Ecstasy und psychedelischen Pilzen gegen Depressionen
Foto: luckakcul - stock.adobe.com

Ob psychedelische Pilze bei Depressionen oder Ecstasy bei traumatischen Erlebnissen – Ärzte wollen mit bewusstseinsverändernden Drogen psychische Störungen heilen.


Seit einigen Jahren träumen Psychiater einen Traum, der zunächst einmal irritiert: Aus illegalen bewusstseinsverändernden Drogen sollen legale Medikamente werden. Von der Partydroge zum Medikament hat Ketamin es zumindest in den USAgeschafft. Anfang des Jahres hat die US-Arzneimittelbehörde FDA unter strengen Auflagen die Ketamin-ähnliche Substanz Esketamin als Nasenspray bei der therapieresistenten Depression zugelassen.

Der Mediziner Malek Bajbouj hat in der Berliner Charité vor allem Erfahrung mit Ketamin als Infusion gesammelt. „Wir haben bei etwa 150 Patienten gesehen, dass grob ein Drittel auf die antidepressive Behandlung anspricht, ein Drittel teilweise und ein Drittel überhaupt nicht.“ Das Besondere an Ketamin ist, dass Patienten, wenn sie ansprechen, innerhalb von Tagen oder sogar schon Stunden ansprechen. Das hebt es von anderen antidepressiven Medikamentenab. Der Haken ist allerdings: „Die Wirkung hält oft nur Tage an.“

Ketamin wird schon lange als Narkosemittel eingesetzt. Von daher wissen Ärzte, dass Patienten am häufigsten von Dissoziationen als Nebenwirkung berichten: Sie erleben sich selbst als seien sie vom Leben wie durch eine Nebelwand getrennt. Ketamin steigert zudem die Herzfrequenz und den Blutdruck und kann bei dafür anfälligen Menschen auch eine Psychose auslösen. Bei ihren Patienten mit Depressionen hatten die Ärzte um Malek Bajbouj Psychosen und Horrortrips befürchtet. Doch das Ketamin sei insgesamt überraschend verträglich gewesen. „Manche Patienten erlebten Dissoziationen, einige empfanden das als angenehm, andere als unangenehm.“ In der EU läuft gerade ein Antrag auf eine Zulassung. „Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Substanz unter bestimmten Sicherheitsbedingungen, beispielsweise eine Einnahme unter ärztlicher Kontrolle in bestimmten Praxen, zugelassen wird.“ Auf Webseiten von großen Kliniken sehe man, dass Ketamin bereits heute „off label“, also jenseits der zugelassenen Indikationsgebiete zur Therapie von Depressionen genutzt werde. „Wir setzen Ketamin ja auch ein, sowohl in Studien als auch als individuellen Heilversuch.“

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Ketamin: Narkose- und Schmerzmittel weckt Hoffnungen

Es gibt zwei gute Gründe, warum Ketamin so viele Hoffnungen weckt. Ein Teil der depressiv Erkrankten spricht nicht auf die üblichen Methoden der psychiatrischen Behandlung – Psychotherapie und Antidepressiva – an. Die Methode der letzten Wahl war bislang die Elektrokonvulsionstherapie. Bei dieser Behandlung werden dem Gehirn der Patienten unter Narkose krampfauslösende Stromstöße verabreicht, – ein massiver Eingriff. Außerdem hat es in den letzten Jahrzehnten an der Psychopharmaka-Front wenig wirkliche Innovationen gegeben. Deshalb nehmen Wissenschaftler bereits bekannte psychoaktive Substanzen dahingehend unter die Lupe, ob sie in der Behandlung von psychischen Erkrankungen helfen können. So auch Psilocybin, den Inhaltsstoff von psychedelischen Pilzen.

„Die Forschung zu Psilocybin steht noch am Anfang“, sagt Henrik Jungaberle, Gesundheitswissenschaftler, Psychotherapeut und Direktor der Wissenschaftsorganisation MIND – European Foundation for Psychedelic Science. „Nach dem derzeitigen Stand scheint das therapeutische Potential aber groß zu sein.“ Das Erstaunliche sei, dass die Wirkung selbst bei einer einmaligen Gabe sowohl auf der pharmakologischen als auch auf der subjektiven Ebene bis zu einem halben Jahr anhalten könne. Das subjektive Erleben ist hier besonders wichtig. Denn es geht um nicht weniger als eine existenzielle Bewusstseinsänderung. Dabei könne der Patient sein eingefahrenes Selbstbild verändern sowie seine Werte und Ziele überdenken. Subjektive Erfahrungen wie die Ehrfurcht vor der Natur und dem Leben stehen in einem statistischen Zusammenhang mit dem langfristigen Therapieerfolg, sagt Jungaberle. „Gerade depressive Patienten, die am Wert der eigenen Existenz zweifeln, können durch die Erfahrung profitieren, ein zwar unbedeutendes, aber dennoch wertvolles Lebewesen in einem großen Universum zu sein.“

Angsterkrankungen: MDMA soll Ängste verringern

Die Wirkung von Psilocybin untersuchen Forscher zudem bei Angsterkrankungen, – vor allem bei Menschen, die unter starken Ängsten angesichts von lebensbedrohlichen Ereignissen wie Krebs und traumatischen Erlebnissen leiden. Eine Studie von Forschern um den Psychiater Roland Griffiths von der Johns Hopkins University zeigte: Verabreichte man Patienten mit einer lebensbedrohlichen Krebsdiagnose unter unterstützenden Bedingungen eine einzelne Dosis Psilocybin waren die Betroffenen dauerhaft erheblich weniger ängstlich und depressiv. „Besonders bei diesen Patienten kann Psilocybin dazu führen, die Endlichkeit ihres Lebens zu akzeptieren und entspannter mit der Erkrankung umzugehen“, sagt Jungaberle. Ängste zu verringern, vermag auch MDMA, besser bekannt als Ecstasy, die Lieblingsdroge der Techno-Fraktion. Patienten können durch die Droge in die Lage versetzt werden, im Rahmen einer Psychotherapie stark mit negativen Emotionen besetzte und normalerweise vermiedene Erlebnisse wie Vergewaltigungen oder Kriegstraumata anzugehen.

Nebenwirkungen noch unklar

Der Suchtforscher Rainer Thomasius vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf warnt allerdings vor möglichen Folgen. „Botanische oder synthetische Halluzinogene sowie die Substanzen aus der Ecstasy-Gruppe haben schwere Nebenwirkungen.“ Sie können Psychosen auslösen und zu Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen beitragen. Und: „Es können Hirninfarkte auftreten.“

Henrik Jungaberle hält dagegen: „Nach dem, was wir derzeit wissen, führt es zu keinerlei Schäden, wenn man MDMA zwei- dreimal im Rahmen einer Therapie einnimmt. Schäden werden aber hervorgerufen, wenn man die Droge 50-mal und öfter einnimmt oder in Kombination mit viel Alkohol.“ Die Wirkungen und Nebenwirkungen bewusstseinsverändernder Drogen müssen sicherlich noch genauer untersucht werden: Doch dann könnten aus illegalen Drogen legale Medikamente werden.

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Von Christian Wolf/RND


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