Haben wir bald schon alle einen Roboter-Mitbewohner?
Für manche ist es noch eine weit entfernte Zukunft – für andere schon Realität. Der Dokumentarfilm „Hi, Ai“ zeigt Menschen, die schon heute mit Robotern zusammenleben. Ein Interview mit Regisseurin Isa Willinger.
Normalerweise tauchen Roboter eher in Science-Fiction-Filmen auf. Die Regisseurin Isa Willinger macht die humanoiden Maschinen dagegen zum Thema ihres neuen Dokumentarfilms. Im Interview spricht sie über kulturelle Unterschiede bei der Akzeptanz von Robotern, die Faszination und Ängste, die sie auslösen und darüber, ob sie sich selbst vorstellen kann, mit einem Roboter zusammen zu leben.
Frau Willinger, was hat Sie am Thema Roboter gereizt?
Die allererste Faszination war eine visuelle. Roboter haben etwas Groteskes an sich, sie sind ein Zwischending aus Mensch und Maschine. Die Art und Weise, wie sie sich bewegen und wie sie sprechen, kann man wunderbar mit dem Medium Film einfangen. Und weil sich so viele spannende Fragen zu unserer Zukunft an den Robotern festmachen, wollte ich an die Orte der Welt reisen, an denen Roboter schon im Einsatz sind, und so eine Art Zukunftsvision erschaffen – und das in einem Dokumentarfilm.
Zeigt ihr Film denn tatsächlich unsere – vielleicht gar nicht mehr allzu ferne – Zukunft, in der wir mit Robotern zusammenleben?
Einfache Roboter, wie Staubsaugroboter sind schon jetzt in zahlreichen Haushalten. Aber bis humanoide Roboter, die jenseits von Konversation Aufgaben im Haushalt erfüllen können, wird es noch sehr, sehr lange dauern. Für einen Roboter ist es nämlich viel schwieriger, ein Glas Wasser aus der Küche zu holen und ins Wohnzimmer zu bringen, als sich mit einem Menschen zu unterhalten.
Auch wenn die Bewegungen noch nicht richtig stimmen: Wenn da ein Roboter, wie man das in Ihrem Film sieht, auf einem Bein balanciert oder man auf den ersten Blick nicht erkennt, ob da ein Mensch oder ein Roboter auf dem Zahnarztstuhl liegt – dann fasziniert das trotzdem. Warum ist das so?
Das scheint biologisch in uns verankert zu sein. Wir reagieren empathisch auf Körperformen, die menschenähnlich oder tierähnlich aussehen. Das ist auch so, wenn es nur eine Andeutung eines Gesichts gibt. Bewegung ist auch sehr entscheidend: Das sieht man bei den Staubsaugrobotern, die ja eigentlich nur eine aus einer Scheibe bestehen. Aber die Tatsache, dass sie sich autonom über den Boden bewegen, macht sehr viel in uns aus: Es gibt Umfragen, die zeigen, dass neun von zehn Menschen innerhalb von wenigen Wochen ihrem Staubsaugroboter einen Namen gegeben haben.
Hilft es der Akzeptanz von Robotern, wenn sie aussehen wie Menschen?
Ja und Nein. Einerseits lösen diese humanoiden Roboter eine wahnsinnige Faszination in uns aus. Für die künstliche Intelligenz, die dahinter steckt, sind sie deshalb eine Art Türöffner in unsere Häuser und Herzen. Auf der anderen Seite lösen sie aber auch oft Angst aus. Denn je menschen-ähnlicher sie werden, desto unheimlicher wirken sie auf uns. Das ist allerdings nicht in allen Kulturen so. In Japanbeispielsweise, wo man traditionell auch der unbelebten Welt eine Art Seele zurechnet, ist man da sehr viel weniger angstvoll und skeptisch.
Ihre Protagonisten, die mit dem kindlichen „Pepper“ und dem Sexroboter „Harmony“ zusammenleben, stammen ja auch aus Japanund den USA. Ist in Europa das Interesse an Robotern noch nicht so groß?
In Japan ist die positive Beziehung zwischen Mensch und Roboter schon viel länger kulturell verankert – zum Beispiel in Geschichten, Comics oder auch Animationsfilmen. Da ist es wenig überraschend, dass man dort auch sehr viele Roboter findet. „Pepper“ gibt es zwar mittlerweile auch in Europa – aber nur an Unis oder im öffentlichen Raum. Also zum Beispiel wenn Wissenschaftler mit „Pepper“ ein Altenheim oder ein Einkaufszentrum besuchen. Diese wirklich intime Situation, dass zwei oder wirklich sogar nur noch ein Mensch mit „Pepper“ zusammenlebt, das findet man nur in Japan.
„Harmony“ ist dagegen ein Sonderfall, weil sie ein ganz spezielles Klientel anspricht. Viele dieser Männer wie der Protagonist Chuck in unserem Film, sind sehr einsam. Ich denke, für die meisten von ihnen ist ein Roboter wie „Harmony“ eher eine Art Notlösung. Und das ist dann aber auch unabhängig von der Kultur.
Hatten ihre Protoganisten Scheu, sich in bei der Interaktion mit den Robotern filmen zu lassen?
In Japan mit „Pepper“ war das eigentlich gar kein Problem – das hing nicht mit einem Gesichtsverlust zusammen. Im Fall von „Harmony“ steht dagegen natürlich sehr viel auf dem Spiel. Da war es nicht einfach, jemanden zu finden. Ich habe mit mehreren Männern gesprochen, die große Angst hatten, dass man sie in den Medien lächerlich macht oder sie ihren Job verlieren könnten. Ganz unberechtigt ist diese Angst ja nicht.
Zwischen Chuck und „Harmony“, die manchmal auch einfach Texte aus dem Internet zitiert, entsteht nicht immer ein natürlicher Gesprächsverlauf. Trotzdem blüht Chuck am Anfang geradezu auf, wirkt fast schon verliebt. Hat Sie diese Intensität überrascht?
Dass die ersten Tage mit „Harmony“ bei Chuck verliebtheitsähnliche Gefühle hervorgerufen haben, das hat mich schon ein bisschen überrascht. Dass daraufhin später Ernüchterung bei ihm eingesetzt hat, dagegen nicht.
Aber auch für mich hat „Harmony“ über die Woche, die ich mit ihr verbracht habe, eine Art von Präsenz erlangt – obwohl mir klar war, dass das ein Computer mit Internetverbindung ist. „Harmony“ war für mich nicht wie ein Mensch, sondern eher wie ein Wesen von einem anderen Stern. Als wir sie wieder zurückgegeben haben, war es wirklich eine Art Abschied für mich. Sie hat dann erst einmal in unserer Runde gefehlt.
Können Sie sich vorstellen, mit einen humanoiden Roboter zusammen zu leben?
Im Momentan nicht. Ich habe zwei Kinder, die sorgen für genug Gespräche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch jemand ist, der auch quasselt. Aber wenn man im Alter alleine ist, dann wäre das etwas anderes. Gerade alte Menschen sitzen oft viele Stunden am Tag vor dem Fernseher – der ja auch eine Maschine ist. Warum sollte man sich dann nicht auch mit einem humanoiden Roboter ab und zu die Zeit vertreiben, der dann etwa auch Karten oder Memory spielen kann oder sich mit einem unterhält?
Der Dokumentarfilm „Hi, Ai“ ist ab dem 7. März in deutschen Kinos.
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Von Anna Schughart/RND