Geschichten vom Ausziehen: Tschüss, Hotel Mama!
Die meisten Studienplätze sind mittlerweile vergeben. Für viele ist es nun Zeit zum Ausziehen. Hier erzählen die MADS-Autoren von Erlebnissen, in ihren ersten Wohnungen.
Raus aus der Wohlfühlblase
In zehn Tagen geht’s los. Nach Maastricht. Die hübsche, kleine Stadt im Süden der Niederlande wird bald mein neues Zuhause. Die vergangen zehn Jahre hab ich in Hannover gelebt und mich, nach Anfangsschwierigkeiten, schwer in die Stadt verliebt. Aber trotzdem muss ich raus. Will ich raus.
Seit ich weiß, dass ich ausziehen werde, schätze ich alltägliche Momente und Orte viel mehr. Ich freue mich über unseren kleinen Gemüseladen, die überfüllte Limmerstraße mit den Menschenmassen vor den Kiosken, und an sonnigen Kanaltagen ist mir mittlerweile eher zum Heulen als Lachen zumute, einfach weil es so schön ist. Wenn ich jetzt schon so emotional und nostalgisch bin, wie soll das erst werden, wenn ich dann tatsächlich ausgezogen bin?
Aber obwohl ich wirklich Angst vor dieser großen Veränderung habe und ein Teil von mir am liebsten mein ganzes Leben in meiner kleinen, schönen Wohlfühlblase verbringen möchte, weiß ich: Es ist die richtige Entscheidung, wegzugehen. Zurück kann ich immer. Außerdem freue ich mich total auf den Neuanfang: aufs WG-Leben, aufs Studium, darauf, neue Leute kennenzulernen, aufs Zimmer einrichten, aufs Stadt erkunden und darauf, neue Lieblingsplätze zu finden.
Aber bis dahin ist leider noch einiges zu tun. Was ist zum Beispiel mit meiner Krankenversicherung im Ausland? Wie melde ich mich um? Brauche ich eine Haftpflichtversicherung? Wie kriege ich eine Arbeitserlaubnis? Das sind alles nervige, aber leider wichtige Fragen, mit denen ich mich jetzt beschäftigen muss. Und überhaupt: Wieso habe ich eigentlich nicht vorher darüber nachgedacht, wie unfassbar teuer ein Umzugswagen von Hannover nach Holland ist? Salima El Kurdi
Mit Apps und Youtube gegen das Chaos beim Ausziehen
Dass Warmwasser nicht kostenlos ist, ist Ihnen aber schon bewusst, oder nicht?“, fragt mich der Mann am Telefon ungläubig. Nein, das wusste ich nicht – zumindest hatte ich bis zum Anruf der Stadtwerke nicht darüber nachgedacht. Stattdessen hatten sich meine warmen Duschen ein halbes Jahr unbezahlt über mir ergossen. Ups. Der einzige Schockmoment blieb das nicht.
Zehn Monate ist es mittlerweile her, dass ich die kuschelig behütete Wohnung meiner Mutter und ihre Ordnung hinter mir gelassen habe. Seitdem wohne ich alleine – und das eher so mittel bis mäßig erfolgreich. Während dieser Zeit musste ich ziemlich viel lernen – über Versicherungen und Verträge, aber auch über mich selbst.
„Ordnung ist das halbe Leben“, lautet das Credo meiner Mutter. Seit ich alleine wohne, muss ich ihr in diesem Punkt (leider) recht geben. Ordnung meint dabei nicht nur den Zustand meiner Wohnung. Okay, zugegeben – es türmen sich immer mal wieder die Stapel an Wäsche in meiner Wohnung, doch das ist eher ein zweitrangiges Problem.
Ordnung heißt, alltägliche Abläufe und Aufgaben im Blick zu haben. Zu wissen, wen man anruft, wenn die Heizung im Winter ausfällt und welche Kosten für die Wohnung wann und an wen gezahlt werden müssen.
Vorbereitet wurde ich darauf weder in der Schule noch in der Uni. Genauso wenig wie aufs streifenfreie Fensterputzen (eine nicht zu unterschätzende Herausforderung), Mülltrennung oder wie man sich das Geld im Monat am besten einteilt. Über die Monate habe ich ein echtes Organisationstalent entwickelt.
Ich führe mittlerweile einen Terminkalender und über mein Onlinebanking behalte ich meine Finanzen besser im Blick. Geholfen haben mir gerade arbeitserleichternde Apps oder auch mal stumpfe Fensterputzvideos auf Youtube. Und ja, auch Mamas Tipps sind gelegentlich eben doch noch ganz nützlich. Nina Hoffmann
Albtraum Zweck-WG
Zugegeben: Ich war etwas spät dran mit der Wohnungssuche. Das Semester sollte bereits in drei Wochen beginnen, und noch hatte ich keinen passenden Unterschlupf gefunden.
Mit einigem Glück fand ich dennoch was. Eine Dreier-WG in relativer Uninähe. Ein Neubau. Etwas teuer, aber nun ja, so ist das nun mal beim ersten Ausziehen, weg von Mama.
Die Hausbesichtigung fand mit dem Vermieter statt – ich habe mir dabei nichts gedacht und war zufrieden. „Die anderen sind grade nicht da, aber ihr passt bestimmt super zusammen“, sagte er noch. Weit gefehlt.
Am Umzugstag stand ich mit meinen Kartons vor der Tür. Mit dem Schlüssel, den ich vom Vermieter bekommen hatte, platzte ich in meine neue Wohnung – und blickte in die staunenden Augenpaare meiner neuen Mitbewohner. Sie waren geschockt. Nicht nur, dass niemand der beiden von mir, dem neuen Mieter wusste, auch hätten wir unterschiedlicher nicht sein können. Sie, relativ introvertiert, ließ sich dann nicht abhalten bis spät in die Nacht K-Pop auf Anschlag zu hören, er, groß, muskulös, verfluchte seinen Teamkollegen Justin gerne lautstark auf Teamspeak für sein Verhalten beim Onlinezocken. Im nächsten Semester bin ich ausgezogen.
Auch wenn ich es besser hätte treffen können, bin ich nun glücklich im Studierendenleben angekommen. Eine anfangs schlechte Wohnsituation bedeutet nicht das Ende. In meiner zweiten WG wohne ich mit Freunden aus meinem Studiengang in einer gänzlich anderen Atmosphäre. Milan Blau
Pflanzen nicht mit Wodka gießen
Als mein Freund und ich beschlossen, zusammenzuziehen, war ich anfangs ein bisschen nervös. Wir waren zwar schon häufiger auf längeren Reisen gewesen und hatten natürlich auch im Alltag viel Zeit miteinander verbracht. Aber irgendwie erschien Zusammenleben dann doch noch mal etwas extremer.
Letztendlich blieb das große Drama aber aus. Wir fanden sehr schnell einen gemeinsamen Rhythmus und stritten uns auch nicht über die Farben und Muster von Vorhängen oder Sofapolstern. Unser einziger Konfliktpunkt war von eher praktischer Natur: Keiner von uns beiden fühlte sich wirklich für den Haushalt verantwortlich. Häufig stand deswegen das schmutzige Geschirr am nächsten Morgen noch ungewaschen im Becken und der Staubsauger ungenutzt in der Ecke. Irgendwann einigten wir uns dann, dass wir uns von Tag zu Tag immer abwechseln und das auch kontrollieren würden. Diese Lösung war einfach, funktioniert bisher aber.
Natürlich muss man sich auf neue Lebensbedingungen einstellen, wenn man aus- und vielleicht sogar mit jemand anderem zusammenzieht. Der ein oder andere Fauxpas wird einfach passieren. Ich habe letztens aus Versehen meine Pflanzen mit Wodka gegossen. Den hatte ich in eine alte Colaflasche gefüllt und wollte ihn eigentlich zum Feiern mitnehmen. Am nächsten Morgen hatte ich das leider vergessen. Die Pflanzen sind übrigens allesamt ein paar Wochen später eingegangen. Das kann ich also nicht weiterempfehlen. Ronja Wirts
MADS-Tipps zum erfolgreichen Ausziehen:
Vergiss nicht, dich sofort umzumelden und bei den Behörden Bescheid zu geben. Dazu bist du gesetzlich verpflichtet. Dein neuer Wohnort muss auch amtlich dein neues Zuhause werden.
Neuorganisieren: Ein Umzug ist die Gelegenheit, Sachen auszumisten. Lass deinen Krempel nicht bei deinen Eltern stehen, sondern gehe lieber zum Flohmarkt.
Vorräte anlegen: Ein paar Haushaltsartikel sollte man immer da haben. Deswegen dürfen Klopapier, Nudeln und eine kleine Hausapotheke in der neuen Wohnung keinesfalls fehlen.
Haftpflicht: Wer in der Schule, Ausbildung oder im Studium ist, ist in den meisten Fällen noch über die Eltern versichert – überprüfe solltest du das trotzdem.
Putzplan: Damit es nicht direkt am Anfang zum Streit mit den WG-Mitbewohnern kommt, realistischen Putzplan erstellen oder App-Alternativen wie “Flatastic” nutzen.
Bei Handwerkerfragen: Auf Youtube findest du zahlreiche gute Tutorials, in denen erfahrene Menschen dir Tipps und Tricks über das Streichen, Spachteln, Schleifen und Bohren verraten. Insa Merkel