Feinstaubwerte steigen durch Silvesterfeuerwerk um das 200-fache
Millionen Deutsche begrüßen am Montag das neue Jahr mit Raketen und Böllern. Das sieht am Himmel schön aus. Doch das Feuerwerk hat eine Kehrseite für Umwelt und Gesundheit: Regelmäßig schießen zu Silvester die Feinstaubwerte in die Höhe, besonders in Großstädten. Wegen der Folgen für kleine Kinder, Senioren und chronisch Kranke ruft die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) dazu auf, weniger Feuerwerk abzubrennen oder ganz darauf zu verzichten. Diese Gruppen litten zu Beginn des neuen Jahres besonders häufig unter Husten und Atembeschwerden, es komme vermehrt zu Krankenhauseinlieferungen, warnt die DGP. In diesem Jahr ist der Verkauf ab dem 28. Dezember gestattet.
Das Umweltbundesamt (UBA) erwartet zu Silvester die Freisetzung von rund 4500 Tonnen Feinstaub – kleinste, für das menschliche Auge meist unsichtbare Teilchen. Das sei in etwa die Größenordnung der Vorjahre, sagte UBA-Meteorologin Ute Dauert. „Wie groß die tatsächliche Feinstaubbelastung in der Silvesternacht wird und wie schnell sie wieder abklingt, hängt dann aber auch von den Wetterverhältnissen ab.“
Belastung erstreckt sich über mehrere Tage
In der ersten Stunde des neuen Jahres können die Feinstaubwerte, die normalerweise um die 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, mitunter auf 2000 oder bis hin zu 4000 in die Höhe schießen, wie Dauert erläuterte. Herrsche eine kalte Hochdruckwetterlage mit sehr eingeschränktem Luftaustausch, gehe die Feinstaubbelastung nur sehr langsam zurück. Das heißt, dass sich die winzigen Stückchen, die beim Abbrennen von Feuerwerk entstehen, durchaus mehrere Tage in der Luft halten – für Städte kann das der Expertin zufolge im Einzelfall extrem hohe Tagesmittelwerte von mehr als 500 Mikrogramm pro Kubikmeter bedeuten.
Zumindest aus gesundheitlicher Sicht wäre auf Regen und Sturm in der Silvesternacht zu hoffen: Dann sinken die Feinstaubwerte in der Regel innerhalb von Stunden wieder auf Normalniveau ab. Das war etwa an Silvester 2017/2018 der Fall. Erfahrungsgemäß trifft eine hohe Feinstaubbelastung zu Silvester besonders Städte wie Berlin, München und Hamburg. Ballungsräume, in denen viele Menschen auf engem Raum Feuerwerk abschießen, zum Beispiel auf Feiermeilen. Generell wird laut UBA in vielen Städten am ersten Januar der höchste Feinstaubwert des ganzen Jahres erreicht.
Atemschutzmasken helfen nicht
Extrem hohe Feinstaubwerte können kleinen Kindern, Senioren, aber auch Asthmatikern und chronisch Lungenkranken akute Probleme wie Husten und Atembeschwerden bereiten. Schützen könnten sich diese Menschen kaum, da selbst Atemschutzmasken die Mini-Teilchen nicht komplett filterten, so die DGP. Auch Gesunde dürften das Halskratzen und das Brennen in den Augen nach dem Feuerwerk kennen.
Für die Gesundheit der Menschen sind laut UBA zwar dauerhaft erhöhte Werte bedeutender als einzelne Ereignisse wie Silvester. Expertin Dauert betonte aber auch, dass es für Feinstaub keine Schwelle gibt, unterhalb derer keine schädigende Wirkung für die Bevölkerung zu erwarten ist.
15 Prozent gegenüber Verkehr
Der Anteil von Feuerwerk an den Gesamt-Feinstaubemissionen in Deutschland betrage gut zwei Prozent, sagte Dauert. Zieht man nur die Straßenverkehrsemissionen als Vergleich heran, so macht Feuerwerk rund 15 Prozent der jährlich freigesetzten Menge aus.
Feinstaub entsteht im Verkehr durch Verbrennungsmotoren, aber auch durch Reifenabrieb. Weitere Quellen sind zum Beispiel die Industrie, Kraftwerke und Holzöfen. Hinzu kommen natürliche Feinstaubquellen, so dass eine gewisse Grundbelastung unvermeidlich ist.
Feinstaub löst Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus
Feinstaub kann je nach Teilchengröße nicht nur tief in Lunge und Bronchien, sondern auch ins Blut gelangen und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems hervorrufen. Insgesamt verliere die Bevölkerung in Deutschland durch Luftverschmutzung mit Feinstaub jährlich 600.000 Lebensjahre, teilte die DGP mit. Inzwischen wird Feinstaub auch als Risikofaktor für Demenz diskutiert.
Die EU-Grenzwerte für Feinstaub wurden in Deutschland in den vergangenen Jahren weitgehend eingehalten – das liegt aber auch daran, dass die zulässigen Werte teils deutlich höher liegen als die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Richtwerte.
8000 Menschen erleiden Hörschäden
Abgesehen von der Luftbelastung landen jedes Jahr zahlreiche Menschen mit Verletzungen durch Feuerwerkskörper in der Notaufnahme – mit Verbrennungen oder Augenverletzungen bis hin zu dauerhaften Hörschäden. So erleiden in Deutschland jedes Jahr allein rund 8.000 Menschen zu Silvester Verletzungen des Innenohrs durch Feuerwerkskörper, so das Umweltbundesamt. Rund ein Drittel dieser Menschen behält bleibende Hörschäden wie Knalltraumata.
Von RND/so/dpa