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Experte: „Mit Influencer-Marketing werden unüberlegte Impulskäufe angestoßen“

Experte: „Mit Influencer-Marketing werden unüberlegte Impulskäufe angestoßen“
Foto: Mizuno K./pexels

Influencer haben die Marketingwelt im Sturm erobert und sind für renommierte Marken zu unverzichtbaren Kooperationspartnern avanciert. Dabei verändern sie nicht nur die Werbebranche, sondern beeinflussen auch unser Konsumverhalten. Ein Experte erklärt, welche Auswirkungen Influencer-Marketing hat.


Die sozialen Medien sind das natürliche Habitat der Influencer. Auf Plattformen wie Instagram und Tiktok teilen sie ihren Alltag, geben sich dabei möglichst authentisch und bauen so eine Millionenreichweite auf, von der große Unternehmen gerne profitieren. Durch sogenanntes Influencer-Marketing erhoffen sich Marken höhere Verkaufschancen für Produkte, die in einer Kollaboration mit Influencern auf Social Media beworben werden.

Influencer-Marketing: So funktioniert es

Besonders beliebt ist Influencer-Marketing in der Gastronomie, im Beauty- und Fashion-Bereich, mittlerweile schwappt der Trend jedoch auch auf andere Sparten wie das Entertainmentbusiness oder die Fitnessbranche über. Im Interview erklärt Marketing-Professor Florian Stahl, was genau Influencer-Marketing eigentlich ist und wie es unser Konsumverhalten beeinflusst.

Herr Stahl, haben Sie schon einmal ein Produkt gekauft, das von Influencern beworben wurde? 

Ja, ich habe mich sogar aktiv nach Influencern umgeschaut, zum Beispiel als ich ein Auto gekauft habe. Auf Youtube gab es einen Influencer, der verschiedene Automodelle detailliert vorgestellt, die Vor- und Nachteile aufzeigt und auch verschiedene Marken miteinander verglichen hat. Ein Auto ist eine große und bedeutende Kaufentscheidung, und eine umfassende Begutachtung ist mir deshalb sehr wichtig. 

Hat dabei die Authentizität des Influencers eine Rolle gespielt? 

Auf jeden Fall. Ich denke, dass man sich natürlich anschaut, was für eine Person der Influencer ist, der einem da etwas empfiehlt und ob man seinem Rat vertrauen kann. Das unterscheidet einen Influencer auch von einer Onlinereview, bei der uns der Autor ja meist verborgen bleibt. 

Zur Person

Prof. Dr. Florian Stahl ist Professor für Marketing und trat im Herbst 2013 in den Lehr­stuhl für Betriebs­wirtschafts­lehre an der Universität Mannheim ein. Er forscht zur digitalen Trans­formation von Marketingprozessen und -strategien, wozu unter anderem die Themengebiete Werbung, Branding und Social Media zählen.

Foto: privat

Denken Sie, dass der Anstieg von Influencern die Marketingstrategien großer Unternehmen nachhaltig beeinflusst hat? 

Ja, seit 2015 hat sich das Influencer-Marketing sehr steil entwickelt, besonders in Bezug auf Social Media und User-Generated-Content. Aber natürlich hat es nicht erst da begonnen – eher im Gegenteil. Unternehmen haben auch vor dem Aufkommen von Influencern schon mit viralem Marketing gearbeitet, das ja stark in die Richtung des Influencer-Marketings geht. Mark Twain beispielsweise hat schon vor über 100 Jahren vor seinen Lesungen für etwaige Produkte geworben.

Und welche Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft? Werden noch mehr Unternehmen auf Influencer zurückgreifen? 

Mit Sicherheit. Ich denke zwar nicht, dass es in derselben Art und Weise passieren wird, wie es in den letzten fünf Jahren der Fall war, aber wir beobachten ja, dass die Glaubwürdigkeit und Effektivität von klassischer Werbung immer weiter abnimmt. Influencer haben einfach einen größeren Effekt. Trotzdem wird sich im Influencer-Bereich noch einiges ändern.

Mega-Influencer ab einer Reichweite von über einer Million Followern werden sich für die meisten Unternehmen bald nicht mehr lohnen, denn für große Influencer zahlt ein Unternehmen mittlerweile proportional mehr. Durch die Algorithmen werden vielen Nutzern und Nutzerinnen Werbebeiträge großer Influencer gar nicht mehr angezeigt, und in Studien konnten wir nachweisen, dass die Effizienz ihrer Werbung dadurch eher sinkt. Die Tendenz geht deshalb vor allem in Richtung Mikro-Influencer. 

Können Sie eine bestimmte Zielgruppe ausmachen, die für Influencer-Marketing besonders anfällig ist? 

Da würde ich mich gar nicht unbedingt festlegen. In Bayern gibt es beispielsweise eine Influencerin mit etwa 30.000 Followern, die Dirndl bewirbt und damit in einer Nische sehr erfolgreich ist, in der die Kundschaft in der Regel um die 50 bis 70 Jahre alt sein dürfte. Da muss man sehr ins Detail schauen und darf sich nicht zu sehr auf die jüngere Generation beschränken. Tiktok ist nur ein kleiner Teil der Branche.

Glauben Sie, dass Influencer unser Konsumverhalten beeinflussen?  

Ja, definitiv. Produkte, die viral gehen und besonders stark nachgefragt werden, sind fast ausschließlich auf Influencer zurückzuführen.

Haben Sie ein Beispiel? 

Im Modebereich sehen wir zum Beispiel immer wieder, dass ausgefallene Modestücke erst durch Influencer ihre Bedeutung für Konsumenten gewinnen. Gerade unter Teenagern und jungen Erwachsenen lassen sich Mode- und Make-up-Trends beobachten, die durch Werbung von Influencern beeinflusst werden. Viele Fast-Fashion-Unternehmen aus Schweden arbeiten ausschließlich mit Influencern zusammen. 

Sehen Sie darin auch Gefahren? 

Absolut. Mit Influencer-Marketing werden unüberlegte Impulskäufe angestoßen. Käufer und Käuferinnen werden so dazu animiert, möglichst zügig zu bestellen, selbst wenn das Budget eigentlich nicht reicht, woraus eine sehr hohe Rücksendungs-Quote resultiert. Das ist ein Desaster für Unternehmen, aber natürlich auch für die Umwelt. 

Fraunhofer-Institut warnt vor kritischem Konsum unter Jugendlichen

Obwohl nicht nur Jugendliche von Influencer-Marketing erreicht werden, besteht für sie dennoch ein maßgeblich erhöhtes Risiko für kritischen, das heißt unreflektierten, Konsum. Eine quantitativen Erhebung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt und der Universität Mannheim ergab, dass etwa 50 Prozent aller Jugendlichen schon einmal ein von Influencern beworbenes Produkt gekauft haben.

Besondere Gefahr bestehe bei jüngeren Social-Media-Nutzenden vor allem durch den gesteigerten Gebrauch sozialer Medien, eine noch nicht vollständig ausgereifte Werbekompetenz und eine soziale Entwicklungsphase, in der Jugendliche oft parasoziale Beziehungen zu Influencern entwickelten. Influencer seien damit nicht mehr nur Rezensenten von Produkten, sondern nähmen für viele Jugendliche die Rolle eines Vorbilds ein, so die Studienergebnisse.

Im Zuge des Forschungsprojekts hat sich das Fraunhofer-Institut deshalb an die Politik gerichtet und fordert nun auch eine Kennzeichnungspflicht für unbezahlte Empfehlungen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen habe oberste Priorität, so Pia Niessen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. Neben einer Anpassung der Rechtslage benötige es außerdem dringend den Ausbau von Medienkompetenz.

Von Kleopatra Kuhn


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