Erfolgsserie „Das Damengambit“: Schach fasziniert immer mehr Mädchen in Rostock
Die beliebte Netflix-Serie „Das Damengambit“ hat einen weltweiten Schach-Hype ausgelöst. In Rostock verzeichnet ein Schachklub bereits ein Viertel weibliche Mitglieder, die von Frauen trainiert werden. Was das „Spiel der Könige“ so interessant macht.
Wenn Max und Maximilian trainieren, geht es zur Sache. Da wird angegriffen, verteidigt, ausgewichen, angedeutet, ausprobiert und auch mal leise über eigene Fehler geflucht. Die beiden Schüler spielen Schach. Im Verein. Jeden Freitagnachmittag in Rostock-Evershagen.
Der 12-jährige Maximilian kommt dafür extra seit zwei Jahren aus Bastorf bei Kühlungsborn, „weil das Niveau hier im Verein gut ist“. Max (11) kommt aus dem benachbarten Elmenhorst und sagt: „Das Faszinierende am Schachspiel ist, dass es auf die geistige Leistung ankommt.“ Das sei zwar auch anstrengend, aber gleichzeitig irgendwie eine Art innerliche Entspannung.
Robert Jänsch, Vorsitzender des Schach- und Schulvereins „Think Rochade – SC HRO“ am Schulcampus Rostock-Evershagen sagt, dass es in MV etwas mehr als 1000 organisierte Schachspieler gebe. Gut 20 Prozent seien Frauen und Mädchen. „Bei uns im Verein ist fast ein Viertel weiblich“, sagt Jänsch, der gleichzeitig auch Vorsitzender der Schachjugend MV ist.Lesen Sie auch
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Von 44 Mitgliedern sind neun weiblich. Dass Frauen Trainerinnen für Schach sind, soll Mädchen und Frauen ermutigen, mitzuspielen und im Verein zu trainieren, so die (erfolgreiche) Überlegung der Rostocker. Der Landesschachverband MV hat den Verein bereits im vergangenen Jahr als Top-Schachverein für Mädchen- und Frauenschach ausgezeichnet.
Die Königin beschützt den König
Alina Gazizova ist eine der beiden Schach-Trainerinnen des Vereins. Gerade sitzt die 23-jährige gebürtige Weißrussin und Chemiestudentin einer 85-jährigen Dame gegenüber, die ihr erstes Probetraining absolviert. „Es kommt nicht darauf an, wie alt jemand ist, es kommt beim Spiel auch nicht auf das Glück an – wichtig ist die eigene Leistung“, sagt die Trainerin und mehrmalige Landesmeisterin, die erst im Alter von 14 Jahren zum Schach kam. Sie habe schnell gespürt, dass dieser Sport die Konzentrationsfähigkeit fördert. Derzeit spielt sie in der Frauenregionalliga. „Und hoffentlich bald in der 2. Bundesliga.“
Ihre Lieblingsfigur auf dem Brett ist die Dame. „Sie ist eine starke Figur und beschützt den König.“ Das beeindrucke sie. Eines ihrer Schach-Vorbilder ist, neben dem ehemaligen russischen Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik (46), der amtierende Weltmeister, der 20-jährige Norweger Magnus Carlsen.
Schach fördert Schulleistungen
Auch Max und Maximilian sind Fans des norwegischen Meisters. Max spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. „Mein Opa hat es mir beigebracht“, sagt er. Seit der dritten Klasse spielt er im Verein. Maximilian führt ebenfalls schon seit der Grundschule die schwarzen oder weißen Figuren auf dem Brett. Auch online spielen beide Jungs regelmäßig. Wenn sie gegen Familienmitglieder spielen, gewinnen sie meist, geben beide – allerdings sehr zurückhaltend und bescheiden und ein bisschen selbstbewusst – zu. „Mein Opa fordert dann immer eine Revanche“, berichtet Max lächelnd.
Der Elfjährige, der die sizilianische Eröffnung besonders schätzt, ist überzeugt davon, dass Schach sich positiv auf die Schulleistungen auswirkt. „Man kann sich durch das Schach-Training Sachen besser einprägen und das Spiel fördert allgemein das Denken – man probiert einfach öfter, Dinge zu verstehen.“
Studie bestätigt: Konzentration wird besser
Eine wissenschaftliche Studie der Uni Rostock stützt die Beobachtungen von Max. So wurden zwei Grundschulklassen in der Landeshauptstadt vom Institut für Pädagogische Psychologie unter die Lupe genommen – die eine Klasse hatte Schach als Schulfach, die andere hatte kein Schach. Über vier Jahre wurden die Schüler regelmäßig befragt und getestet. Ergebnis: Der positive Einfluss von Schach auf die Leistungen der Schüler ist nachweisbar – Schach wirkt auf die Konzentration, soziale Kompetenz, Gedächtnisleistungen sowie auf geistige Wahrnehmungen und Denkprozesse.
Schach-Fan Erwin Sellering
Der ehemalige Ministerpräsident von MV, Erwin Sellering (SPD) – selbst Schachspieler –, sagte vor gut zwei Jahren beim Schulschach-Kongress in Schwerin, dass Schach zwei grundlegende Dinge fürs Leben lehre: „Die richtige Strategie ist wichtiger als raffiniertes Taktieren. Strategie vor Taktik. Langfristige Überzeugungen vor kurzfristigen Vorteilen und kleinen Tricks.“ Und: „Wenn du gezogen hast, wenn du gehandelt hast, ist es passiert. Dann kannst du nicht zurück zu alten Stellungen, den früheren Verhältnissen. Du musst dazu stehen.“
Netflix-Serie „Das Damengambit“ motiviert Frauen und Mädchen
Aber muss man denn in einem Verein Schach spielen? „Ich lerne hier sehr viel“, sagt Maximilian. Etwa über Strategien. Gerade für Anfänger sei ein Verein super. „Dort wird man extra gefördert und unterstützt.“ Er selbst bevorzugt offensive Eröffnungen des Spiels, wie das Königsgambit. Er meint, niemand solle das Spiel unterschätzen. „Manchmal dauert eine Partie zwei Stunden – dann komme ich sogar ins Schwitzen“, so der Schüler, der außerdem Handball und an seiner Schule in einem Orchester spielt.
Infos und Adressen von Vereinen
Wo gibt es überall Schach in Rostock? Hier gibt es viele Hinweise:
www.sc-hro.de
Wo gibt es Vereine in MV?
www.lsvmv.de/adressen-der-vereine
Klaus Amberger