Dritte Staffel: Netflix und das ewige Haus des Geldes
Der enorme Erflog der spanische TV-Serie Haus des Geldes war für Zuschauer und Macher eine Überraschung. Nun versucht Netflix, ihn zu wiederholen – leider wortwörtlich. Vorsicht: Spoiler!
Sie selbst sehen sich als moderne Robin-Hoods: Exakt dem genialen Plan des scheinbar allwissenden Professors folgend überfallen Kriminelle in roten Ganzkörperanzügen und Dalí-Masken das Staatseigentum. Die Polizei ist hilflos und wird in den Telefonaten mit dem Professor, der sich tatsächlich gar nicht am Ort des Geschehens befindet, hinters Licht geführt. Immer wieder kommt es dabei zu Zwischenfällen, die Einbrecher müssen zum Beispiel eine Notoperation an einem Crew-Mitglied durchführen. Und eine präparierte Abhörwanze wird eingeschleust, die aber durch die Verbrecher schnell entdeckt wird.
Klingt wie die ersten beiden Staffeln der Erfolgsserie Haus des Geldes? Es scheint so, als sei das Drehbuch für die dritte Staffel in großen Teilen dreist kopiert worden. Und sogar der eigentlich tote Berlin findet wieder seinen Platz: in den ständigen Rückblenden.
Haus des Geldes: Das Ende, das keines ist
Viel wurde im Vorfeld gerätselt. Nachdem der spanische Fernsehsender Antena 3 wohl keine weitere Staffel vorsah, legte Streaminganbieter Netflix sein Veto ein. Und setzte kurzerhand die bereits erworbene Serie in Eigenregie fort. An sich verständlich, war das Meisterwerk um den Professor und seine Bande doch völlig unverhofft zu einem Kassenschlager im Streaming-Angebot geworden.
Dass die Handlung der eigentlichen Serienschöpfer eigentlich abgeschlossen und zu Ende erzählt war, sorgte aber von Anfang an für Spekulationen unter den Fans. Könnte das Leben der ja jetzt schwer reichen Diebe zum Thema werden? Oder geben sie, wie der in der Serie zitierte Robin Hood, ihre Beute an die Öffentlichkeit ab? Ohne zu viel zu verraten, kann man sagen, dass beides irgendwie schon passiert. Eine wirklich große Rolle spielt das aber nicht.
Dafür wird Río in einem geheimen Regierungsgefängnis irgendwo im Ausland gefoltert. Die Lösung: Der Überfall auf die Bank von Spanien. Mit den dort lagernden Goldreserven möchte man den Staat dazu zwingen, ihn frei zu lassen. Schnell werden aus den ehemaligen Räubern aufständische in einem gewaltbereiten Unterdrückungsstaat. Und ja, die Serie spielt nach wie vor im eigentlich äußerst zivilisierten Spanien.
Was in der letzten Folge geschah…
Um die Fortsetzung rund in die Handlung einzubauen, musste man logischerweise recht weit ausholen. Das tut die Serie auch. Und kanzelt dann alles, was zwischen dem Ende des alten und dem Beginn des neuen Überfalls liegt in den knapp 50 Minuten der ersten Folge ab. Die aufwendige Zuteilung der Verstecke und Geheimidentitäten, der erneut äußerst durchdachte Plan des Professors, die Verteilung der Beute, die Liebesgeschichte zwischen Río und Tokio, die Gefangennahme von Río – das sind nur einige der wichtigen Handlungsschritte in besagter Folge.
Das Resultat: All diesen eigentlich eindrucksvollen Handlungssträngen fehlt völlig die erzählerische Tiefe. Sie werden einfach genannt und gezeigt – stumpf nach dem Motto: „Was bisher geschah“.
Das alles heißt sicher nicht, dass die dritte Staffel von Haus des Geldes keines Blickes würdig ist. Über ein handwerklich solides Heist-Movie geht die Produktion aber nicht hinaus. Aus einer heldenhaften Geschichte über nur im Sinne des Gesetzes kriminelle Weltverbesserer, die einen Weg gefunden haben, Geld zu erbeuten ohne jemandem damit ernsthaft zu schaden hat Netflix in meinen Augen eine Action-Serie mit lauter Explosionen und Spannung, aber ohne starke Charaktere oder neue Gedanken gemacht.
Von Finn Bachmann