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Auf dem Prüfstand: Wie sozial ist eigentlich das Wohngeld?

Auf dem Prüfstand: Wie sozial ist eigentlich das Wohngeld?
Foto: Jakub Zerdzicki/Unsplash

Als Reaktion auf die hohen Energiepreise und die gestiegene Inflation in den Jahren 2022 und 2023 soll das Wohngeld zum Januar 2025 erhöht werden. So will der Staat Menschen mit geringem Einkommen unterstützen. Dies verschleiert jedoch, wer am Ende tatsächlich von der Sozialleistung profitiert, meint MADS-Autorin Imke.


Das Wohngeld steigt weiter. Durch das Upgrade auf „Wohngeld Plus“ im Januar 2023 wurde der durchschnittlich ausgezahlte Betrag bereits von 180 Euro auf 370 Euro angehoben. Zudem haben seither mehr Menschen einen gesetzlichen Anspruch auf die Sozialleistung, insgesamt rund 4,5 Millionen. Laut Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) reagiere man nun erneut auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, indem das Wohngeld ab 1. Januar 2025 durchschnittlich um 30 Euro erhöht werden soll.

Das Wohngeld ist eine staatliche Leistung und kann beantragt werden, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, um die Miete oder den eigenen Wohnraum zu finanzieren. Auch Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studierende können einen Antrag auf Wohngeld stellen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Einen ersten Überblick über den individuellen Anspruch gibt der Online-Wohngeldrechner, den Antrag stellt man dann über die jeweilige Wohngeldstelle der Stadt oder Gemeinde, in der man lebt.

Diese staatliche Unterstützung ist nötig, denn die Mieten in Deutschland steigen stetig. Dem Deutschen Mieterbund (DMB) zufolge waren die Mieten allein in bestehenden Mietverhältnissen 2023 rund 5,5 Prozent höher als im Jahr 2020. Laut DMB zahlen Deutsche durchschnittlich 30 bis 40 Prozent des monatlichen Einkommens für Miete.

Das Problem mit der Indexmiete

Neben den Energiepreisen, welche gemäß einer Erhebung des Vergleichsportals Verivox auch im Jahr 2024 noch knapp 40 Prozent über dem Vorkrisenniveau liegen, und dem generellen Defizit an bezahlbarem Wohnraum vor allem in den Städten treibt ein weiterer Trend die Kosten in die Höhe: Indexmietverträge. Hierbei ist nicht mehr die ortsübliche Vergleichsmiete Ankerpunkt für etwaige Erhöhungen, sondern die Verbraucherpreise und damit die Inflation. Laut Mieterverein Hamburg sind aktuell rund 15 Prozent aller Mietverhältnisse in Hamburg mit einer Indexmiete abgeschlossen, was vor allem junge Menschen in Zeiten der Inflation zusätzlich belastet.

Nun scheint es ja wünschenswert, dass die Bundesregierung durch höheres Wohngeld und mehr Berechtigte auf die Krisen des Wohnungsmarktes reagiert. Menschen mit geringem Einkommen, Rentnerinnen und Rentner, Studierende und Azubis werden unterstützt und davor bewahrt, potenziell in weitreichendere Sozialleistungen zu fallen, weil Wohnraum zu teuer ist. Was ist also das Problem?

Über die Ungerechtigkeiten des Wohngeldes

Zunächst besteht, wie bei vielen Sozialleistungen, eine Kluft zwischen Anspruchsberechtigten und tatsächlich Leistungsbeziehenden. Laut BMWSB haben seit der Reform Anfang 2023 rund 4,5 Millionen Menschen einen Anspruch auf Wohngeld. Aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum 1. Quartal 2024 geht allerdings hervor, dass nur rund 700.000 Menschen zusätzlich einen Antrag gestellt haben. Mitsamt derer, die bis Ende 2022 Wohngeld bezogen haben, liegt die Zahl der aktuell Beziehenden bei rund 1,4 Millionen Menschen – und damit deutlich unter der Zahl der eigentlich Anspruchsberechtigten.

Statt die Anspruchsberechtigten, wie in Deutschland bei vielen Sozialleistungen üblich, in die Rolle der Holschuldigen zu drängen, die sich selbst umfassend über Ansprüche informieren und diese beantragen müssen, könnte sich der Staat auch in die Bringschuld begeben und die entsprechenden Gelder an die Anspruchsberechtigten auszahlen.

Doch dem Wohngeld liegt eine noch viel größere Ungerechtigkeit zugrunde. Am Ende landet der Betrag nämlich nicht beim Antragstellenden, sondern bei dessen Vermieter. Anstatt das Menschenrecht auf Wohnen ernst zu nehmen, nachhaltig in bezahlbaren Wohnraum zu investieren und diesen beispielsweise mit den versprochenen 400.000 Wohnungen im Jahr auszubauen, empfiehlt die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) den Umzug aufs Land und subventioniert im selben Atemzug horrende Mieten und Dividenden börsennotierter Wohnungsunternehmen wie Vonovia und Co. Getarnt wird dies dann als Dienst am kleinen Bürger.

Wohnungsmarkt reformieren

Das Wohngeld ist akut richtig und hilfreich, um den Beziehenden etwas finanzielle Last von den Schultern zu nehmen. Unternimmt man jedoch langfristig nichts gegen die immer stärker werdenden Ungleichheiten auf dem Wohnungsmarkt und überlässt diesen mehr und mehr den kapitalgetriebenen Unternehmen und Privatpersonen, die Wohnraum als Spekulationsobjekt nutzen, treibt dies die Gruppe der Mietenden in eine immer prekärere Situation. Und das steht einer SPD-geführten Bundesregierung wirklich nicht gut zu Gesicht.

Von Imke Laura Berg


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Über den Autor/die Autorin:

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