Das denkt Ususmango von RebellComedy über Klischees
Im März geht Stand-up-Comedian Usama Elyas alias Ususmango mit seiner RebellComedy-Crew zum 11. Mal auf Tour. Ein Gespräch über das Sich-fremd-Fühlen und das Spiel mit Klischees.
Hi Usus, 2005 hast du mit deinem besten Freund Babak Ghassim RebellComedy gegründet – eine Gruppe muslimischer Comedians, die aus ihrem Leben erzählen. Gegen was wollt ihr denn rebellieren?
Wir wollten immer schon gegen den Mainstream rebellieren. Für uns war das Bild von Stand-up-Comedy im Fernsehen nicht so multikulti, und wir haben uns nicht repräsentiert gefühlt. Das wollten wir ändern.
Mit RebellComedy willst du „radikale religiöse Positionen gezielt der Lächerlichkeit preisgeben“, hast du mal gesagt. Gibt es darüber viel Diskussion in deiner Familie? Immerhin war dein Vater Vorsitzender des Zentralrats der Muslime.
Ich bin streng gläubig erzogen worden, und wenn ich auf der Bühne über Schweineärsche oder Michael Jacksons Penis rede, gefällt das meinen Eltern natürlich nicht. Aber sie akzeptieren es. Und bei RebellComedy ist eben genau das das Normale. Das war meine persönliche Rebellion: zu sagen, worauf ich Lust habe. Auf dem Gymnasium warst du als Junge mit Migrationshintergrund in den Neunzigerjahren ein Exot.
Wie hast du das zu spüren bekommen?
Ich hatte oft das Gefühl, dass ich rechtfertigen muss, was in der Welt passiert, obwohl ich einfach nur ein Junge bin. Wenn eine Frau in einem arabischen Land schlecht behandelt wurde oder irgendwo ein Terroranschlag war, hieß es gleich: „Usus, was sagst du dazu?“ Was soll ich dazu sagen? Ich schreib’ gerade die Mathe-Hausaufgaben ab. Die Lehrer hatten Bilder vom Islam, die nicht passen – und dann sollte ich vor ihnen eine Weltreligion verteidigen. Ich musste mich durch Identitätsfragen kämpfen, die irgendein Thomas nicht hatte.
Ist das heute anders?
Ja, ich würde lieber jetzt zur Schule gehen. Die Lehrer sind auch viel jünger. Ich hatte kein Problem mit Deutschland – sondern ein Problem mit einer anderen Generation. Ich bin jetzt auch an vielen Schulen Pate, und da lerne ich ein Lehrerkollegium kennen, das echt cool ist.
Eure neue Show heißt „Ausländer Raus! – Aus dem Zoo“. Wie ist das gemeint?
Das ist vor allem ein Appell an alle Leute mit Migrationshintergrund. Als Migrant ist man oft wie in einem Gehege, man wird nur gefragt: Woher kommst du, woher kommen deine Eltern? Keiner fragt wirklich nach dir. Warum sagt man dann nicht einfach: Nee, darüber rede ich jetzt nicht. Hast du nicht noch eine andere Frage? Das wollen wir aufbrechen.
Das ist RebellComedy
Zum RebellComedy-Team gehören neben Ususmango in der aktuellen Besetzung Benaissa Lamroubal, Khalid Bounouar, Alain Frei, Salim Samatou, Babak Ghassim und Hany Siam. Die Comedians haben ihre Wurzeln in Ländern wie Saudi-Arabien, Marokko, im Iran und in der Schweiz. Ihr Migrationshintergrund spielt in den Shows zwar immer wieder eine Rolle, soll aber nicht im Vordergrund stehen.
Viel lieber erzählen die Jungs aus ihrem Alltag und geben so den Zuschauern die Möglichkeit, sich mit den Geschichten zu identifizieren. Anfangen haben sie in kleinen Bars und Theatern. Im März gehen die Sieben zum elften Mal auf Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und spielen in 22 Städten –inzwischen vor Tausenden von Menschen.
Entstanden ist die Comedy-Gruppe durch eine Idee von Usama Elyas –Spitzname Usus, Künstlername Ususmango. Während seines Designstudiums in Aachen entwickelte der 37-jährige Sohn saudi-arabischer Einwanderer im Rahmen seiner Diplomarbeit ein Konzept für ein Stand-Up-Comedy-Format. Dafür nahm er sich US-amerikanische Comedians wie Dave Chappelle, der auf der Bühne oft über die Kluft zwischen schwarzen und weißen US-Amerikanern spricht, zum Vorbild. Obwohl sein damaliger Professor dem Ganzen wenig Erfolg voraussagte, gründete Usus mit seinem Freund Babak Ghassim 2005 RebellComedy. Ihre ersten Mitstreiter casteten die beiden über einen Aufruf bei Facebook. Zwei Jahre später feierte RebellComedy Premiere auf der Bühne.
Ihr sprecht vor allem junge Migranten an. Wie reagieren die auf euer Programm?
Wir sprechen nicht gezielt junge Migranten an. Wir sprechen einfach alle an, die auf unserer Wellenlänge sind. Wir sind ja hier aufgewachsen, gucken dieselben Serien, dieselben Turniere, üben denselben Sport aus. Es geht nicht um den Migrationshintergrund.
Euer Ton ist gern mal derbe, ihr nennt euch selbst Kanaken. Das ist doch ein rassistisches Schimpfwort. Warum benutzt ihr das?
Na ja, du willst auch nicht die ganze Zeit sagen „Deutscher mit Migrationshintergrund“, wenn du mit deinen Jungs unterwegs bist. Für uns ist das ein lockeres Wort, das politisch nicht korrekt ist, aber politisch korrekt zu sein ist auch nicht so wichtig, wenn du mit deinen Freunden unterwegs bist.
Ihr benutzt das Wort aber auch auf der Bühne. Das ist ja nicht privat.
Richtig, aber wir wollen unser Publikum behandeln wie Freunde. Wir machen Comedy und keine Politik. Wir haben Vertrauen in unser Publikum, dass die wissen, wie wir das meinen.
Ususmango ist ab Oktober auch solo unterwegs – mit seinem Comedyprogramm „Ungefiltert“.
Aber jemand ohne Migrationshintergrund sollte das Wort nicht benutzen?
Ja, genau. Es gibt wenige Vorteile, wenn man zu einer benachteiligten Gruppe gehört, aber das ist einer davon. Und ein Comedian hat ja nicht die Verpflichtung, es jedem recht zu machen.
Du bist als erster deutscher Comedian im konservativen Saudi-Arabien aufgetreten. In Deutschland nimmst du es auch gern mal aufs Korn – etwa, indem du dich über die mangelnde Vielfalt lustig machst: „Wäre ich dort aufgewachsen, stünde in meinem Telefonbuch nur: Abdel, Abdel, Abdel, Abdul, Abdul, Abdul“, sagst du bei einem deiner Auftritte. Über was hast du dort Witze gemacht – und wie kam das an?
Das Lustigste in Saudi-Arabien, was man mir gesagt hat, bevor ich aufgetreten bin: Du darfst nicht über Sex, nicht über Frauen, nicht über Politik und nicht über Glauben Witze erzählen. Da ist nicht viel übrig geblieben. Ich habe dann viel darüber erzählt, warum ich mich auf einmal in Saudi-Arabien, meinem vermeintlichen Heimatland, noch viel fremder fühle als in Deutschland.
Bei einem Auftritt hast du erzählt, dass du lieber sagst, dass du keinen Alkohol trinkst, weil du allergisch bist – und nicht, weil du Moslem bist. Nutzt du solche Notlügen oft im Alltag, um dich nicht für deinen Glauben rechtfertigen zu müssen?
Mir geht es dabei eher darum, dass man oft reduziert wird auf seinen Glauben und dass ich manchmal diese Konfrontation leid bin. Du bist der komische Freak, wenn du keinen Alkohol trinkst in Deutschland. Darauf habe ich manchmal einfach keine Lust.
Von Anna Beckmann
Ab März gehen RebellComedy mit ihrem neuen Programm „Ausländer raus! – Aus dem Zoo!“ auf Tour und machen 22 Stopps in Deutschland, Österreich und der Schweiz:
- 22. März: Basel
- 24. März: Wien
- 26. März: Bielefeld
- 27. März: Bremen
- 29. März: Düsseldorf
- 30. März: Münster
- 31. März: Dortmund
- 1. April: Köln
- 2. April: Hannover
- 3. April: Essen
- 6. April: Berlin
- 7. April: Leipzig
- 10. April: Aachen
- 11. April Saarbrücken
- 13. April: Frankfurt am Main
- 14. April: Hamburg
- 24. April: Osnabrück
- 25. April: Wuppertal
- 27. April: Zürich
- 28. April: Stuttgart
- 29. April: München
- 30. April: Nürnberg