Kommentar: Verbot von E-Scootern ist auch eine soziale Frage
Ärger über wild abgestellte E-Scooter und Raser auf zwei Rädern gibt es in vielen Großstädten. In Paris tritt demnächst sogar ein Verbot in Kraft. Dabei sind E-Scooter nicht die einzigen Fahrzeuge, die im Straßenverkehr gefährlich sind, kommentiert MADS-Autor Finn.
Die Pariser Bürgerinnen und Bürger haben entschieden. Besser gesagt haben das 7,46 Prozent von ihnen, denn höher war die Wahlbeteiligung nicht. So oder so steht nun fest: Miet-E-Scooter werden aus dem Stadtgebiet verbannt. Zu oft würden sie im Weg abgestellt, zu oft komme es zu Unfällen, darunter auch tödliche. Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Betrachtet man die E-Scooter als vom restlichen Verkehrsmix abgrenzbare Kategorie, scheint ein Verbot sinnvoll.
Unfälle, Falschparker und Temposünder sind allerdings Phänomene, die sich nicht auf eine Verkehrsform beschränken. Vielmehr zeichnen sie den Individualverkehr im Allgemeinen aus. Wer sich über wild abgestellte E-Scooter aufregt, andere Verkehrsmittel aber außer Acht lässt, verschließt die Augen vor der Realität. Schließlich scheinen viele Viertel europäischer Innenstädte eher dem Abstellen zahlloser Autos als dem sozialen Leben zu dienen. Von amerikanischen Städten ganz zu schweigen.
Teures Verkehrsmittel: Nicht jeder kann sich ein Auto leisten
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Autos, die Straßen zuparken, und E-Scootern, die dasselbe auf Fußwegen tun, ist der Preis. Ein eigenes Auto kann sich nicht jeder leisten. Sich einen E-Scooter zu mieten kommt hingegen auch infrage, wenn man nur einige Zehn-Euro-Scheine pro Monat für Mobilität übrig hat – wenn auch eher nicht für den täglichen Gebrauch.
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Deswegen ist das Verbot von E-Scootern auch eine soziale Frage: Wer es sich leisten kann, darf mit dem SUV bis vor den Bioladen fahren und hat, sofern er dabei einen Radweg zuparkt, nichts als ein Knöllchen zu befürchten. Menschen, die über weniger Geld verfügen, dürfen hoffen, dass in der Nähe ein Bus hält – oder halt zu Fuß gehen.
Die Verkehrssituationen in Innenstädten sind verbesserungswürdig, keine Frage. Und auch E-Scooter muss es nicht überall geben. Wer sie aber aus dem Stadtbild verbannt, sollte auch fragen, welche anderen Fahrzeuge einen Freifahrtschein in enge Verkaufsstraßen haben müssen. Eine Verkehrswende, die zuerst die Mobilitätsform verbietet, die keine große Lobby hat, ist zum Scheitern verurteilt.
Autos statt E-Scooter? Verkehrswende in die falsche Richtung
E-Scooter zu verbieten, während viele Innenstädte tagtäglich vor dem Autoverkehrskollaps stehen, ist mindestens unfair. Allemal ist es Klientelpolitik, die die Interessen wohlhabender gegen die Notwendigkeiten weniger vermögender Menschen durchsetzt und somit ein Schritt in genau die falsche Richtung. Würden die Straßen nicht mehr allein den Autofahrern gehören, wäre öfter Platz für ausgedehnte Rad- und E-Scooter-Wege. Ohne Autos in engen Straßen könnten viele Verkehrsunfälle vermieden werden, auch die Feinstaubbelastung ginge zurück. Es ist an der Zeit, das Privileg infrage zu stellen, mit dem eigenen Auto überall hinfahren zu können. Ein E-Scooter-Verbot lenkt zum aktuellen Zeitpunkt nur von diesem eigentlichen Problem ab.
Im Jahr 2022 war eine betont traditionelle Fahrzeugart übrigens fast zwölfmal so oft in Unfälle mit Personenschäden verwickelt, wie sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge: das gute alte Fahrrad.
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Ein Artikel mit eigentlich gute Botschaften:
Besser mehr E-Scooter als Autos in Innenstädten.
E-Scooter erweitern die Mobilitätsoptionen für finanziell Schwächere.
Aber dann wird es traurig:
12-mal häufigere Unfälle hat das klassische Fahrrad in absoluten Zahlen. Ist dem Autor entgangen, dass täglich auch 100-mal so viele Fahrräder auf den Straßen sind?!?
Es wird auch komplett ausgeblendet, dass statistisch E-Scooter hauptsächlich auf Strecken eingesetzt werden, die man sonst zu Fuß gegangen wäre. Fußgänger verursachen allerdings noch seltener Unfälle als Radfahrende.