Pro & Contra KI: Wenn ChatGPT die Hausaufgaben übernimmt
ChatGPT ist eine künstliche Intelligenz, die als offen zugängliches Tool Texte erstellen kann. Das Programm könnte vor allem im Bereich Bildung riesige Konsequenzen haben: Was passiert, wenn ChatGPT die Schulaufgaben erledigt? Die MADS-Autorinnen Marie und Lea diskutieren über Chancen und Risiken.
Pro: ChatGPT kann Meinungsbildung und Kreativität fördern
Die Schule ist ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler etwas Neues lernen sollen. Dabei geht es sowohl um Fachwissen als auch um Trends und Entwicklungen in der Gesellschaft, etwa die Digitalisierung. Neue Technologien sorgen dafür, dass Tablets zum Arbeitsmittel der Stunde an vielen Schulen werden – und dass das Schülersein vielleicht auch neu gedacht werden muss.
Das Internet bietet Schülerinnen und Schülern schon seit Jahren die Möglichkeit, Wissen einfach zu recherchieren und zu reproduzieren. ChatGPT ist nun eine Plattform, die dieses Wissen wie ein Mensch in einen neuen Text zusammenfassen kann. Die Schülerinnen und Schüler steuern hier Inhalt und Ausrichtung. Die reine Texterstellung könnte sich so erübrigen. Diese Entwicklung widerspricht der bisher geläufigen Vermittlung von Wissen. Sie zeigt aber eben auch, dass in der Zukunft gebrauchte Fähigkeiten eher in anderen Bereichen liegen.
Was die Maschine den Schülerinnen und Schülern nämlich nicht abnehmen kann, ist die persönliche Meinung und Kritik, die Vorstellung für Verbesserungen und Visionen. Gerade hier bestehen im Unterricht Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler mehr dazu aufzufordern, ihre eigene Meinung zu bilden, Informationen zu analysieren und zu interpretieren. Das kann helfen, um die eigene Persönlichkeit zu stärken und in direkter Diskussion im Klassenraum kommunikative Fähigkeiten zu bilden.
Lehrkräfte, die Technologie wie ChatGPT aktiv in den Unterricht einbinden, können Jugendliche also dabei unterstützen, Kompetenzen zu bilden, anstatt einfach nur Fachwissen wiederzugeben. Allgemeinwissen bleibt unentbehrlich. Doch Kompetenzen wie das Analysieren von Informationen und Aufdecken von Fake News sind eben auch wichtig, gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und wachsender Datenmassen.
Im Allgemeinen hat ChatGPT ja auch einen großen Nachteil: Die Anwendung kann nur auf zugespielte Daten zugreifen, momentan bis zum Jahr 2021. Das bedeutet, dass die Texte teils zwar faszinierend authentisch erscheinen, jedoch Schülerinnen und Schüler immer den Vorteil der eigenen Kreativität besitzen werden. Texte wie Gedichte oder Kommentare zum Ausdruck der eigenen Gefühle und Meinungen bleiben im Vergleich zur künstlichen Intelligenz die menschliche Stärke, die es zu fördern gilt, um Schülerinnen und Schüler für die Zukunft zu wappnen.
Schulen sollten vor dem digitalen Wandel nicht zurückschrecken. Sie sollten die Chancen nutzen, im Unterricht im Umgang mit Tools wie ChatGPT zu sensibilisieren und die Anwendungen gemeinsam kritisch zu hinterfragen. ChatGPT muss nicht zum Schüler werden, wenn Schülerinnen und Schüler mehr können als ChatGPT.
Von Marie Hobusch
Contra: Wer Hausaufgaben nicht selbst erledigt, lernt auch nichts
Im ersten Moment klingt es ja ganz witzig: eine künstliche Intelligenz, die die Hausaufgaben und Hausarbeiten für uns erledigen kann. Schülerinnen und Schüler müssen ChatGPT dafür nur mit Informationen füttern, und schon bekommen sie eine Gedichtinterpretation oder Charakterisierung fertig geschrieben. Ziemlich schnell merkt man aber: So einfach geht es dann doch nicht.
Der Selbstversuch zeigt: Die künstliche Intelligenz muss wirklich ganz konkrete Anweisungen erhalten, damit ein faktisch richtiger Text entsteht und nicht aus dem Gedicht „Mondnacht“ von Eichendorff „Dem aufgehenden Vollmonde“ von Goethe wird. Das heißt, ChatGPT muss immer noch mal geprüft werden oder gleich mit so vielen Informationen versorgt werden, dass man den Text auch selbst schreiben könnte.
Auch wenn das textbasierte Modell versucht, auf jede Frage eine Antwort zu geben, ist es noch weit davon entfernt, automatisiert formgerechte Schulaufgaben zu formulieren. Es kann sicherlich als erste Orientierung und vielleicht als Formulierungshilfe dienen, doch Recherche, Grammatik, Textaufbau und -länge müssen von Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet oder nachgebessert werden.
Was bei aller Euphorie über den technischen Fortschritt auch nicht vergessen werden darf: Wenn Schülerinnen und Schüler aufhören, ihre eigene Schreibarbeit zu leisten, wofür gehen sie dann noch in die Schule? Die Textproduktion ist schließlich essenzieller Teil der Schularbeit. In so gut wie jedem Fach müssen Schülerinnen und Schüler eigene Texte nach bestimmten Formalitäten verfassen. Einerseits, um auf das gelernte Wissen zurückzugreifen. Andererseits, um zu lernen, wie man sich fachgerecht ausdrückt.
Wenn nun ChatGPT diese Texte schreibt und in der Freizeit ohnehin die Autokorrektur am Smartphone fehlende Rechtschreibkenntnisse kaschiert, dann lernen junge Menschen gar nicht erst, wie sie sich in Facharbeiten oder bei formellen Anlässen auszudrücken haben.
ChatGPT selbst antwortet auf die Frage, ob es Schulaufgaben für Schülerinnen und Schüler erledigen kann, übrigens so:
„Ich kann Ihnen dabei helfen, Ihre Hausaufgaben zu verstehen und zu bearbeiten, indem ich Ihnen Erklärungen und Anweisungen gebe. Aber es ist wichtig zu beachten, dass es wichtig ist, selbst zu lernen und verstehen, anstatt die Arbeit einfach von jemandem anderen machen zu lassen.“
Mehr als eine Hilfestellung auf dem Weg zur Lösung kann ChatGPT in Schulen also nicht sein.
Von Lea Stockmann
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