Leerverkäufe, Hedgefonds, Spekulationen: Der Hype um die Gamestop-Aktie
Der Internet-Hype die Gamestop-Aktie sorgt bei vielen für Verwirrung: Gamestop ist ein amerikanisches Unternehmen, spezialisiert auf den Verkauf von Computerspielen und Unterhaltungselektronik. Früher war Gamestop gefragt, doch mit der Möglichkeit, Computerspiele auch direkt beim Hersteller zu kaufen, hat das Unternehmen jedoch an Relevanz verloren. Das spiegelte sich auch im Aktienkurs wieder, seit Jahren dümpelte die auf einem niedrigen Kurs herum. Doch dann stieg er innerhalb weniger Tage um etwa 2.000 Prozentpunkte. Der aktuelle Run auf die Gamestop-Aktie verflog jedoch so schnell wie er kam. Aber was genau ist da eigentlich passiert?
Auslöser des Sturms auf die Aktie war, dass sogenannte Hedgefonds darauf wetteten, dass der Aktienkurs von Gamestop weiter fällt. Das würde starke finanzielle Einbußen für das Unternehmen bedeuten, was sich Reddit-Nutzer nicht gefallen lassen wollten. Sie verabredeten sich zum massenhaften Kauf von Gamestop-Aktien – um den Hedgefons zuvor zu kommen. Um zu verstehen, wieso dieses Ereignis so besonders ist und wie Kleinanleger für ordentlich Aufruhr gesorgt haben, müssen zunächst ein paar grundlegende Begriffe geklärt werden.
Auf dem Aktienmarkt werden Wertpapiere von Unternehmen gehandelt, die Aktien. Je nach Angebot und Nachfrage steigt oder fällt der Aktienkurs. Durch geschickten Kauf und Verkauf können Anleger Gewinne machen. Kleinanleger sind ganz normale Personen. Es gibt aber auch professionelle, organisierte Anleger. Das können zum Beispiel Hedgefonds sein.
Hedgefonds sind eine besondere Art von Investmentfonds, welche ihr Geld möglichst gewinnbringend, zum Beispiel in Aktien, anlegen. Deshalb gehen sie gleichzeitig aber auch mit einem hohen Risiko des Verlustes einher. Einen Fonds kann man sich wie einen Topf vorstellen, in dem Geld zum investieren gesammelt wird. Teilweise werden Hedgefonds als die „Heuschrecken“ des Finanzmarkts bezeichnet, weil sie mit skrupellose Strategien auf den Markt einfallen, Gewinn erzielen und dann ohne Rücksicht auf Verluste weiterziehen. Eine Anlagestrategie von Hedgefonds sind Leerverkäufe, auf Englisch das Shorten. Dabei wetten Hedgefonds auf fallende Aktienkurse (Englisch: Shorts) der gekauften Aktie. Weil das Risiko von Verlusten so hoch ist, dürfen Kleinanleger nicht direkt in Hedgefonds investieren. Kleinanleger dürfen auch keine Leerverkäufe tätigen.
Bei einem Leerverkauf passiert folgendes: Hedgefonds leihen sich Aktien bei einem Makler, zum Beispiel einer Bank, aus und vereinbaren dabei einen bestimmten Zeitpunkt, zu dem sie die Aktie wieder zurückgeben. Dafür zahlen sie eine Leihgebühr. Die Aktien gehören den Hedgefonds also nicht, aber sie können sie für die Zeit benutzen. Ähnlich wie wenn du dir ein Buch in einer Bibliothek ausleihst, welches du lesen kannst und dann später zurückgibst. Hier gibt es auch Leihfristen.
Diese geliehenen Aktien verkaufen die Hedgefonds dann auf dem Aktienmarkt. Zum Zeitpunkt der Rückgabe haben sie also gar keine Aktien, die sie zurückgeben können. Deshalb kaufen Hedgefonds dann neue Aktien in der gleichen Art und Anzahl, um sie dem Makler zurückzugeben. Um zum Beispiel des Buches zurückzukommen, das wäre so, als ob du das geliehene Buch verkaufst und dann das Buch in der Buchhandlung neu kaufst, damit du ein Buch hast, was du zurückgeben kannst. Dabei bleibt der Buchtitel und Inhalt gleich.
Aktienkurse sollen sinken
Das Ziel dieses Hin und Her ist am Ende ein Gewinn für die Hedgefonds. Ein Gewinn entsteht dadurch, dass der Kurs der gekauften Aktie in der Zwischenzeit fällt. Dadurch ist der Kaufpreis der Aktie am Anfang des Leerverkaufs höher, als zum Zeitpunkt des späteren Rückkaufs für die Rückgabe. Du erhältst für das geliehene Buch im ersten Schritt also einen höheren Verkaufspreis, als den Preis, den die Buchhandlung, in dem du das Buch später kaufst, verlangt. Die Differenz ist dann dein Gewinn. Das geliehene Buch dürftest du nicht verkaufen und dann ein neues zurückgeben. Selbst wenn das neue Buch neuer, schöner und besser riechen würde. Du versprichst beim Ausleihen, genau dieses Buch im gleichen Zustand zurückzubringen. Leerverkäufe sind jedoch eine gängige Praxis am Aktienmarkt und sind nicht verboten.
Tatsächlich wurden die ersten Leerverkäufe bereits im Jahr 1602 beschrieben. Damals verkaufte der holländische Kaufmann Isaac Le Maire mehr Anteile an einem Unternehmen zu verkaufen als er besaß.
Solche Leerverkäufe stehen immer wieder in der Kritik. Sie haben sie das Potenzial, Finanzmärkte durcheinanderzubringen und in Krisenzeiten verstärken Leerverkäufe die eh schon fallenden Aktienkurse. Hedgefonds können deshalb von einer Krise profitieren.
Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 wurden Leerverkäufe deshalb in den USA bis zur Wiedereinführung in 2007 verboten. Wir erinnern uns: Im Jahr 2008 folgte die nächste Weltwirtschaftskrise. Auch hier spielten Hedgefonds als Verstärker der Krise eine Rolle. Im Zuge der Covid-19-Pandemie ist die Debatte um Leerverkäufe erneut aufgekommen. Manche Staaten, wie zum Beispiel unsere Nachbarländer Frankreich, Österreich, Italien und Belgien haben Leerverkäufe zu Beginn der Pandemie sogar verboten.
Nicht jeder Leerverkauf löst eine globale Wirtschaftskrise aus, allerdings hat diese Taktik von Hedgefonds erhebliche Folgen bis hin zum Ruin für das Unternehmen, auf das gewettet wird. Im Fall von Gamestop sind den Hedgefonds allerdings Kleinanleger dazwischengekommen:
Nachdem die Hedgefonds auf die fallenden Kurse gesetzt hatten, kauften tausende Kleinanleger Aktien, sodass die Kurse nicht wie von den Hedgefonds erhofft fielen, sondern stark anstiegen. Dadurch ging das Konzept der Leerverkäufe nicht mehr auf. Bei den Hedgefonds entstehen hohe Verluste, wenn sie die Aktien zurückkaufen müssen. Diesen Vorgang nennt man einen Short Squeeze. Nach einem starken Anstieg des Aktienkurses, in Fachkreisen wird von einer Blasenbildung gesprochen, hat sich der Kurs der Gamestop-Aktie mittlerweile auf einem moderaten, aber höheren Niveau als vor diesem Spektakel eingependelt.
von Katharina Kalinke