Andere Schüler, gleiche Regeln: So funktioniert der Corona-Alltag im Förderzentrum
Im Oldenburger Förderzentrum Kastanienhof hat es in der Werkstufe den ersten bestätigen Corona-Fall gegeben. Bisher gibt es jedoch keine weiteren bestätigten Infektionen (Stand Mittwoch, 16. September). Dabei haben es Förderzentren bei der Umsetzung der Corona-Regeln nicht leicht. Wie alle anderen Schulen müssen sie sich an das Rahmenkonzept des Bildungsministeriums halten. Das bedeutet, es gilt das Abstandsgebot, die Maskenpflicht auf den Laufwegen, das Kohortenprinzip. Vor allem für Förderzentren wie die Schule Kastanienhof, die den Schwerpunkt geistige Entwicklung und körperliche und motorische Entwicklung hat, bringt das enorme Herausforderungen mit sich. Noch vor der nun bestätigen Infektion hat das Förderzentrum den LN gezeigt, wie der Schulalltag in Corona-Zeiten bewältigt wird.
Für viele Schüler ist körperliche Nähe wichtig
Wenn Millissa in die Pause geht, verbringt sie ihre Zeit immer mit den gleichen Mitschülern. Die 17-Jährige ist Schulsprecherin und geht in die Werkstufe des Förderzentrums. „Klar, das ist jetzt manchmal langweilig“, sagt sie. „Wir wollen ja auch mal wieder mit anderen Zeit verbringen.“ Das mit der Mund-Nasen-Bedeckung sei auch nicht immer einfach. „Manche Schüler können keine Maske tragen“, sagt Millissa.
„Am Anfang waren wir schon sehr skeptisch und haben uns gefragt, wie das für uns funktionieren soll“, sagt Schulleiterin Elsbeth Rinast. Auf der einen Seite seien in der Schülerschaft Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Behinderung zur Risikogruppe gehören, auf der anderen Seite sei körperliche Nähe für viele sehr wichtig. „Auch können nicht alle einschätzen, wie viel eineinhalb Meter Abstand wirklich sind“, sagt die Schulleiterin.
Ein striktes Einhalten des Rahmenkonzeptes funktioniert für die Förderzentren also nicht. Deshalb muss die Schulleitung Anpassungen vornehmen. Das bestätigt auch das Bildungsministerium: „Wichtig ist – an allen Schulen –, dass die Schulleitung die Regeln jeweils auf die aktuelle Situation vor Ort anwenden kann. Das ist bei einem Förderzentrum zum Beispiel hinsichtlich Maskenpflicht und Mindestabständen wichtig“, sagt Sprecher David Ermes. Bei Bedarf berate die Schulaufsicht die Förderzentren vor Ort. Dennoch: Mit dem größeren Spielraum geht die Sorge, etwas falsch zu machen, einher. „Ich würde überhaupt nicht sagen, dass wir allein gelassen werden“, sagt Elsbeth Rinast. „Aber ich spüre schon, dass ich mehr Verantwortung habe als vorher.“
Auch der Fahrdienst muss Kohorten einhalten
Hinzu kommen organisatorische Schwierigkeiten. „Eine ganz große Herausforderung war es für den Fahrdienst“, sagt Rinast. Denn die Schüler sollen auch auf der Fahrt zur Schule innerhalb ihrer Kohorte bleiben. Vor Corona fuhren die Schüler zusammen, die nah beieinander wohnen, jetzt gibt es einen neuen Fahrplan. „Eine Kohorte ist bei uns eine Stufe“, erklärt die Schulleiterin. Das seien etwa 30 bis 40 Schüler. Weil die Fahrtzeiten nicht mehr eingehalten werden können, kommen sie zu unterschiedlichen Zeiten in der Schule an. Für die Unter- und Mittelstufe beginne der Unterricht am Morgen, für die Ober- und Werkstufe erst am Vormittag. Das sei auch für die Elternhäuser teilweise problematisch.
Komplett weggefallen sind Nachmittagsangebote. Rinast: „Da würden sich die Schüler wieder mischen. Wir wollen in den Herbstferien an einer Lösung arbeiten, wie diese aussehen kann, wissen wir aber noch nicht.“
Homeschooling: Herausforderung für die Eltern
Und dann ist da noch das Homeschooling. Aktuell muss fast die gesamte Werkstufe zu Hause bleiben. Beim Lernen zuhause seien die Schüler häufig auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen, sagt Elsbeth Rinast. Zwar gibt es durchaus die Möglichkeit digitalen Lernens und „wir üben das auch“, aber die Schüler allein am Bildschirm ihre Aufgaben erledigen zu lassen, das funktioniere in vielen Fällen einfach nicht.
In Sachen Hygiene haben Förderzentren anderen Schulen etwas voraus
Doch es gibt auch Bereiche, in denen das Förderzentrum Kastanienhof kaum umdenken musste. In Sachen Hygienemaßnahmen war die Schule schon vor Corona gut aufgestellt. „Wir mussten unsere Schüler immer schon in besonderer Weise schützen“, sagt Elsbeth Rinast. „Menschen mit Trisomie 21 sind beispielsweise häufig anfällig für Erkältungen.“ Einige Schüler müssten auch Immunsuppressiva nehmen. Regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren hätten deshalb immer zum Alltag gehört. Auch gibt es ausreichend Sanitärräume, die verschiedenen Klassen zugeordnet sind.
Schulsprecherin: „So schlimm ist das alles auch nicht“
Zudem habe sich vieles mit der Zeit einfach eingespielt. „Wir haben Schüler, die die Maske nicht tragen können“, sagt Elsbeth Rinast. „Aber keine, die das nicht wollen.“ Grundsätzlich funktioniere das Einhalten der Regeln erstaunlich gut. Für Schüler, die nicht gut hören können und beispielsweise in der Sprachtherapie darauf angewiesen seien, die Mundbewegungen des Gegenübers zu sehen, habe man Masken mit Sichtfeld angeschafft. Wenn Schüler den Abstand vergessen würden, müsse man einen Schritt zurück treten, und es fiele ihnen wieder ein.
Auch die Schulsprecherin Millissa sagt: „Natürlich wünschen wir uns alle, dass das bald vorbei ist.“ Aber nach ihrem Eindruck hätten ihre Mitschüler akzeptiert, dass es im Moment anders läuft als vor Corona. „Das muss eben sein, so schlimm ist das alles auch nicht.“
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Von Luisa Jacobsen