Der Fall Menendez: Netflix-Serie sorgt für heftige Diskussionen um Mord und sexuelle Gewalt
Lyle und Erik Menendez brachten 1989 ihre Eltern um. Die Netflix-Serie „Monster: Die Geschichte von Lyle and Erik Menendez” basiert auf dieser wahren Begebenheit. Nun gibt es in dem Fall eine neue Anhörung.
Trigger-Warnung: Dieser Artikel behandelt das Thema sexuellen Missbrauch von Kindern.
„Monster: Die Geschichte von Lyle and Erik Menendez“ ist der nächste Teil der True-Crime-Reihe von den Regisseuren Ryan Murphy und Ian Brennan, die auf wahren Begebenheiten basiert und vor Kurzem auf Netflix erschienen ist. Schon der erste Teil der Reihe, der vom Serienmörder Jeffrey Dahmer (gespielt von Evan Peters) handelt, sorgte für heftige Kontroversen.
Ähnlich ist das nun auch bei den neun Folgen, die die Geschichte der Brüder Menendez behandeln, die 1989 ihre Eltern erschossen hatten. Vor Gericht plädierten die beiden damals, dass sie dies aus Notwehr getan hätten, da sie jahrelang von ihren Eltern sexuell missbraucht und von ihrem Vater vergewaltigt worden seien. Auch hätten sie vermutet, dass ihre Eltern wiederum geplant hätten, sie umzubringen. Doch da das Gericht den beiden aus verschiedenen Gründen nicht glaubte, erhielten sie Lebenslänglich, ohne Aussicht auf Bewährung.
Sowohl die Serie, die sofort auf Platz 1 der Serien einstieg (jetzt Platz 5), als auch die Dokumentation „The Menendez Brothers“, die ebenfalls vor Kurzem erschienen ist und in der die echten Menendez-Brüder zu Wort kommen (Nummer 10 unter den Filmen), bringen das Schicksal der Brüder wieder ins Gespräch. Lyle und Erik sind heute 53 und 56 Jahre alt und noch immer in einem Gefängnis in San Diego untergebracht. Doch unter anderem durch diese neu entfachte Diskussion soll der Fall nun vor Gericht noch einmal neu verhandelt werden – und das könnte vielleicht sogar zu einer Neuverurteilung der Brüder führen.
Der Menendez–Fall: Worum geht es?
Lyle und Erik Menendez brachten im Jahr 1989 ihre Eltern José und Mary Louise „Kitty“ Menendez um. Sie erschossen sie in ihrem Wohnzimmer aus nächster Nähe mit Schrotflinten. Die beiden versuchten zunächst, die Morde zu vertuschen und der Mafia die Morde anzuhängen – und wurden von der Polizei zu Anfang auch nicht verdächtigt. Doch Erik Menendez knickte unter dem Druck schließlich ein und gestand den Mord nach sieben Monaten seinem Psychiater Dr. Jerome Ozial.
Es folgten zwei Gerichtsprozesse, da sich die Geschworenen im ersten Prozess nicht auf ein Urteil einigen konnte, nachdem die Menendez-Brüder angegeben hatten, aus Notwehr gehandelt zu haben. 1996 – und damit sieben Jahre nach den Morden – wurde jedoch ein Urteil gefällt: Lyle und Erik Menendez wurden wegen vorsätzlichen Mordes ersten Grades zu lebenslangen Haftstrafen ohne die Möglichkeit einer Entlassung auf Bewährung verurteilt.
Schon damals sorgte das Urteil für heftige Diskussionen. Viele kritisierten, dass, wenn die Brüder Schwestern gewesen wären, man ihnen eher geglaubt hätte. Denn sexuelle Gewalt gegen Jungen war damals ein Thema, über das nur sehr wenig gesprochen wurde.
Viele Diskussionen und offene Fragen
Die Serie behandelt nun die wesentlichen Aspekte der beiden Morde und stellt zudem fast eins zu eins die echten Gerichtsprozesse dar, die damals zum Teil im Fernsehen übertragen wurden. In der Serie werden vor allem die zahlreichen verschiedenen Standpunkte und Kontroversen dargestellt, die damals schon den Verlauf der beiden Gerichtsprozesses bestimmten. Denn damals gab es viele offene Fragen: Waren Lyle und Erik Menendez wirklich in Lebensgefahr, oder war es ein geplanter Mord? Haben ihre Eltern sie wirklich jahrelang sexuell misshandelt? Und wenn ja: Wieso sind weder Familie noch Freunde eingeschritten? Und warum haben die Brüder nicht selbst die Polizei verständigt oder sind weggelaufen? Immerhin waren die beiden 18 und 21 Jahre alt.
Das Publikum ist ähnlich hin- und hergerissen wie damals die Geschworenen. Einige Aussagen von Zeugen passen einfach nicht zusammen. Auch lügen Lyle und Erik in manchen Punkten und erzeugen dadurch Glaubwürdigkeitsprobleme.
Kritik an der Serie
Kein Wunder also, dass die Serie die Diskussionen erneut aufflammen lässt – sie erfährt aber auch selbst einiges an Kritik. Beispielsweise seien die Brüder in der Serie zu verwöhnt, zu arrogant und zu manipulativ dargestellt. Dazu kommt die homoerotische Darstellung der beiden Brüder, die zahlreiche Zuschauende kritisieren. Denn im ersten Gerichtsprozess hatte Lyle zwar damals ausgesagt, dass er seinem Bruder die gleiche sexuelle Gewalt angetan hatte, wie es sein Vater eins bei ihm gemacht hätte. Inwiefern die beiden Brüder aber wirklich eine Inzest-Beziehung führten oder gar welcher sexuellen Orientierung sie angehören, wurde damals nicht berichtet. Viele kritisierten daher, dass Ryan Murphy zwei Opfer von sexueller Gewalt selbst sexualisiere.
Zu der Serie äußerte sich auch der echte Erik Menendez aus dem Gefängnis und bezeichnete sie als falsche Darstellung der echten Ereignisse.
Erik's response to the Netflix's series.#NetflixMonsters #Netflix #RyanMurphy pic.twitter.com/Xz1waxA2u3
— Tammi Menendez (@TammiMenendez1) September 20, 2024
Doch trotz der Kritik an der Serie ist der Menendez-Fall nun wieder in den Schlagzeilen – und das sorgt dafür, dass Dutzende eine Freilassung der beiden Brüder fordern, da sie sie als Opfer sexueller Gewalt ansehen und erklären, dass die Strafe damals zu hoch ausgefallen sei.
Menendez-Fall: Prominente Unterstützung
Die beiden Brüder haben heute zudem prominente Unterstützung. Nicht nur Schauspieler Nathan Lane, der Dominick Dunne in der Serie spielt, sondern auch Cooper Koch, der Erik Menendez spielt, erklärten jeweils unabhängig voneinander in Interviews, dass sie den beiden Brüdern glauben und für eine Neuverurteilung seien. Auch Kim Kardashian, die derzeit Jura studiert, erklärte in einem Essay, dass sie für die Freilassung der beiden Brüder sei. Sowohl Koch als auch Kardashian hatten Lyle und Erik Menendez im September im Gefängnis besucht.
Auch in den sozialen Medien – und vor allem über Tiktok – erhielten die beiden Brüder große Unterstützung. So gibt es etliche Userinnen und User, die sich ebenfalls für eine Freisprechung von Lyle und Erik Menendez einsetzen. Viele sagen, dass nicht einmal professionelle Schauspielende den Schmerz nachspielen könnten, den beispielsweise Erik Menendez damals im Gericht verspürt haben müsse. Die Brüder müssten demnach bezüglich der sexuellen Gewalt die Wahrheit erzählt haben. So schreibt jemand unter einem der Videos, die auf Tiktok kursieren: „Also kann der Schauspieler den Schmerz nicht einmal darstellen, aber sie denken, die Brüder hätten ihn inszeniert? Das lässt sich nicht inszenieren, man sieht ihm den Schmerz im Gesicht an.“ Der Kommentar hat 115.800 Likes.
Ein X-Post von Tammi Menendez, der Frau von Erik, in der sie sich für die viele Unterstützung bedankte, erhielt mittlerweile bereits mehr als 5400 Likes und wurde mehr als 216.000 Mal aufgerufen.
This movement to free Erik & Lyle is truly amazing. Let’s take this opportunity to flood social media with our support! Now is the time. ❤️🔥💖❣️❣️
— Tammi Menendez (@TammiMenendez1) October 6, 2024
Neue Beweise aufgetaucht
Zu der allgemeinen Unterstützung kommt hinzu, dass mittlerweile neue Beweise gefunden wurden. So hatte Sänger Roy Rosselló im Jahr 2023 ausgesagt, dass auch er sexuell von José Menendez misshandelt wurde. Er gehörte der Boyband Menudo an, die José unter Vertrag hatte. Zusätzlich wurde ein Brief gefunden, den Erik Menéndez acht Monate vor der Tat an ein anderes Familienmitglied geschickt hatte und in dem er beschrieben haben soll, dass er noch immer sexuell von seinem Vater belästigt werde.
Ist eine Neuverurteilung möglich?
All dies war nun Anlass genug, dass es tatsächlich eine neue Anhörung vor Gericht für die beiden Brüder geben soll – und zwar am 29. November 2024. Der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles County, George Gascón, hatte in einer Pressekonferenz am 3. Oktober erklärt, dass der Fall neu bewertet werden müsse.
Noch steht allerdings nicht fest, ob die Anhörung wirklich zu einer Wiederaufnahme des Prozesses und damit einer Neuverurteilung beziehungsweise Urteilsänderung führen könnte.
Von Josefine Battermann
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