Diversität in Filmen und Serien: Wir sind noch lange nicht am Ziel
Laut dem „Hollywood Diversity Report“ der University of California erzielen Filme mit einem diversen Cast im Durchschnitt höhere Einnahmen als solche mit homogener Besetzung. Doch die wachsende Vielfalt zieht auch Kritik auf sich. Woran sich Menschen stören – und warum mehr Diversität trotzdem wichtig ist. Ein Kommentar.
Sie sei erzwungen und eher ein moderner Trend als wirkliche Überzeugung: Das sagen Kritikerinnen und Kritiker gern über diverse Besetzung in Filmen und Serien. Diversität werde als oberflächliche Marketingstrategie genutzt, um sich als fortschrittlich zu präsentieren, ohne dass dies in der Tiefe der Handlung oder der Charakterentwicklung verankert sei. Diese Praxis, auch als „Tokenism“ bekannt, führe dazu, dass Diversität eher wie ein dekoratives Element wirke und kein integraler Bestandteil der Geschichte sei. Gerade in den sozialen Netzwerken ist der Begriff woke in diesem Kontext zum Kampfbegriff geworden. Ursprünglich stammt er aus der afroamerikanischen Kultur und steht für das Bewusstsein sozialer Ungerechtigkeit. Heute wird er oft abwertend verwendet, um progressive oder inklusive Ansätze als übertrieben politisch korrekt darzustellen.
Konservativer: *tritt auf Lego Stein*
— Timm | Filmriss (@Spielenator) July 20, 2024
„DIESES VERDAMMTE WOKE DIVERSITY GENDER GAGA FRÜHER GABS NOCH KEINE LEGO STEINE AUF DEM BODEN“ https://t.co/YGOn6LFeDY
Diversität in den Medien ist aber nicht nur ein vorübergehender Trend, der sich in einiger Zeit wieder in Luft auflöst, sondern eine notwendige Entwicklung zu einer gerechteren Medienlandschaft. Doch um nachhaltig zu wirken, muss die Repräsentation verschiedener Gruppen authentisch und tiefgründig sein. Medienschaffende sollten Kritikerinnen und Kritiker mit guten Geschichten und starken Charakterentwicklungen überzeugen, damit der Begriff woke nicht weiter als Synonym für oberflächliche politische Korrektheit oder erzwungene Diversität verwendet wird.
Diversität in der Unterhaltungsbranche
Streamingdienste wie Netflix und Disney+ investieren gezielt in Produktionen, die eine breitere Palette an Charakteren und Geschichten bieten, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen und neue Märkte zu erschließen. Zudem veröffentlicht Netflix in Zusammenarbeit mit der Inklusionsinitiative der University of Southern California Annenberg alle zwei Jahre einen Diversity-Report. Dieser zeigt auf, wie viel für Chancengleichheit und Inklusion bereits getan wurde und was noch erreicht werden soll.
Diversität in den verschiedenen Produktionen bietet Medienschaffenden mehr kreative Freiheiten und ermöglicht komplexere Charaktere, wodurch Stereotypen vermieden werden können. So erklärte der neuseeländische Regisseur Taika Waititi in einem Interview mit „Deutschlandfunk Nova“, dass seine Vorstellung von Diversität nicht sei, „irgendwie blindwütig divers zu besetzen, sondern eine Diversifizierung der Arbeit an sich“. Auch merkte Waititi in einer Rede beim „Raising Our Voices“-Event des „Hollywood Reporter“ an, dass er beispielsweise keine bloßen polynesischen Charaktere in einer Serie sehen wolle. Stattdessen wünsche er sich eine Geschichte, die von Polynesiern geschrieben und geleitet wird, statt von außenstehenden Showrunnern diktiert zu werden.
Denn ein weiteres Problem ist die mangelnde Repräsentation von Randgruppen hinter der Kamera. In den Bereichen Regie, Drehbuch und Produktion gibt es ähnliche Defizite, die aber aufgrund der fehlenden Aufmerksamkeit oft übersehen werden. Mehr Diversität sollte die gesamte Branche umfassen – egal ob vor oder hinter der Kamera.
So kann der kreative Prozess bereichert werden und zu einer tieferen, vielschichtigeren Darstellung von Geschichten beitragen. Beispiele wie die Erfolgsserie „Pose“, die das Leben der LGBTQIA+-Community in den 80er- und 90er-Jahren beleuchtet, oder die „Black Panther“-Filme, die einen Meilenstein in der Darstellung afrikanischer und afroamerikanischer Kulturen setzten, zeigen, wie kraftvoll und authentisch Erzählungen durch einen diversen Cast werden können. Solche Geschichten ermöglichen es ausgegrenzten Gruppen, sich auf der Leinwand wiederzuerkennen, und bieten dem Publikum neue Perspektiven.
Keine erzwungene Diversität
Produzierende und Schreibende sollten Minderheiten allerdings nicht erzwungen in ein Drehbuch einbauen, nur um mit Diversität werben zu können. Dies könnte zur Folge haben, dass Geschichten beispielsweise aufgrund von logischen Fehlern an Qualität verlieren. Vielmehr sollte es normal sein, verschiedene Kulturen am Set zu haben, um gar nicht in diese Drucksituation zu gelangen. Solange Diversität als Marketingstrategie genutzt wird, sind wir noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen. Erst wenn Diversität in der Medienlandschaft keine besondere Erwähnung mehr findet, sondern zur Selbstverständlichkeit geworden ist, haben wir das Happy End erreicht.
Von Luca Stentzel
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