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Youtube und Hass: Wie rechte Blogger ein neues Zuhause suchen

Youtube und Hass: Wie rechte Blogger ein neues Zuhause suchen
Foto: dpa/RND Montage

Über Jahre hinweg konnten Rechtsextreme auf Youtube ungestört Hass und Verschwörungstheorien verbreiten. Seit ein paar Monaten geht die Plattform jedoch immer restriktiver dagegen vor. Auf ihrer Suche nach einer neuen Onlineheimat werden die rechten Blogger ziemlich kreativ.


Hagen G. hält nichts vom Feminismus, aber viel von Björn Höcke. Den AfD-Hardliner hat er darum auch zum Interview auf seinem Youtube-Kanal geladen – genau wie den Identitären-Chef Martin Sellner oder den rechtsextremen, selbsternannten Volkslehrer Nikolai N.

G. macht Videos gegen den Islam, leugnet den menschengemachten Klimawandel und schwadroniert in seinen Filmen über einen angeblichen „Holocaust an den Deutschen“. Und all das auf Youtube – frei zugänglich für ein junges Publikum zwischen Videos von „Bibis Beauty Palace“ und „Concrafter“.

Die Stars der rechten Youtube-Szene

Auf der Plattform hat sich der rechte Blogger eine beachtliche Reichweite aufgebaut: Rund 84.000 Abonnenten folgen seinem Kanal. Einige seiner Videos samt Verschwörungstheorien, Antifeminismus und Merkel-Kritik wurden gar eine halbe Million mal angeklickt.

Ein anderer Videoblogger aus der Szene heißt Tim K.: Der Chef eines ostwestfälischen Rockerclubs bloggt auf seinem Kanal über das „Märchen von der Integration“, Gewalttaten von Asylbewerbern und die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete – ebenfalls mit beachtlichem Erfolg.

G. und K. gehören zu den großen Namen der rechten Youtube-Szene – und sie haben noch etwas gemeinsam: Beide haben von Youtube gestrichen die Nase voll. Googles Videoplattform geht nämlich seit einiger Zeit immer restriktiver gegen rechtsextreme und hasserfüllte Inhalte vor.

Youtube sperrt Hetze

Hagen G. beispielsweise verdient seit ein paar Monaten mit seinen Filmchen kein Geld mehr – denn Youtube hat G. den Geldhahn zugedreht. Vor seinen Clips könnten Unternehmen keine Werbung mehr schalten – die sogenannte Monetarisierungsfunktion wurde deaktiviert, erzählt er in einem seiner Videos.

Tim K. traf es noch härter: Er wurde laut eigener Aussage zeitweise komplett auf YouTube gesperrt. Strike nennt sich das – und dieser wird immer dann ausgesprochen, wenn sich ein Youtuber nicht an die Communityrichtlinien hält.

Der Anfangs erwähnte selbst ernannte Volkslehrer Nikolai N. verlor seinen Youtube-Kanal gänzlich. Dort hatte er bis Anfang des Jahres noch Verschwörungstheorien verbreitet und gegen Juden gehetzt, ließ Holocaustleugner und Reichsbürger zu Wort kommen. Jetzt ist der Kanal nicht mehr aufzufinden. Tagsüber unterrichtete der 38-Jährige an einer Grundschule in Berlin-Gesundbrunnen Englisch, Musik und Sport.

Rechtsextreme Alternative gesucht

Mit N.s Job als Lehrer ist es inzwischen genauso vorbei wie mit seiner Youtube-Karriere. Nikolai N. wechselte nach dem Aus auf der Videoplattform zu „Bitchute“. Ein Videonetzwerk, das bei rechtsextremen Bloggern überaus beliebt ist – weil es selbst die hasserfülltesten Inhalte ohne Prüfung durchwinkt.

In den USA gilt die 2017 gegründete Plattform als Sprachrohr der sogenannten Far-Right-Bewegung. Seit der Gründung wurden hier unzählige rechtsextremistische und rechtsterroristische Inhalte veröffentlicht. Auch Hagen G. und Tim K. haben Kanäle auf Bitchute.

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Doch die Blogger sind noch einen Schritt weiter gegangen: Unabhängig voneinander haben sie vor ein paar Wochen ihre eigenen Videoplattformen ins Leben gerufen. Zum Teil auf ausländischen Servern, um einer vermeintlichen Zensur entgegenzuwirken. Und: mit bislang überschaubarem Erfolg. Denn statt dem Traum von echter Hate-Speech-Freiheit gab es für beide bislang vor allem eins: Ärger.

Blogger gründen eigene Plattformen

Tim K.s Plattform war noch nicht einmal online, da verlor der rechte Rocker sein Girokonto bei der Sparkasse. Er hatte seine Anhänger in Videos aufgefordert, für seine neue Internetplattform zu spenden.

Eine Sparkasse aus Ostwestfalen jedoch machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung – und kündigte K. das Konto. Der Grund: K. habe sein privates Girokonto für gewerbliche Zwecke verwendet.

Hagen G. kassierte mit seiner Plattform noch mehr Ärger – und zwar durch seine eigenen Anhänger. Die Plattform für „echte Meinungsfreiheit“, wie er es nennt, hatte er bereits 2017 angekündigt und dafür satte 70.000 Euro an Spenden eingesammelt. Passiert war dann aber lange Zeit erst einmal nichts. Fans witterten Betrug – und der rechte Blogger war bei seiner Community unten durch.

Ärger mit der eigenen Gefolgschaft

Seit August 2019 ist G.s Portal nun tatsächlich online. Statt einer Youtube-Alternative fanden Besucher jedoch eine eher mittelmäßig programmierte Website vor, deren Videos nicht einmal auf eigenen Servern laufen – sondern über Youtube eingebettet sind. Also der Plattform, die man mit dem Projekt ja eigentlich umgehen wollte.

Insgesamt hatte G. nach eigenen Angaben 140.000 Euro in die Plattform gesteckt. Eine Summe, die seine Anhänger nicht so ganz glauben können. Ihre Wut äußert sich dementsprechend in den Kommentarspalten.

Tim K.s Plattform kommt in rechten Kreisen deutlich besser an, dürfte jedoch an die Reichweiten seines Youtube-Kanales nicht mal ansatzweise heranreichen.

Vloggen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Bedeuten YouTubes neue Richtlinien am Ende vielleicht sogar das Aus der rechten Videoblogger-Szene? Ganz so einfach ist es vermutlich nicht.

Die Versuche der Blogger haben gezeigt, dass sie eine beachtliche Anhängerschaft besitzen, die ihnen im Zweifel überall hinfolgt. Das Beispiel Nikolai N. zeigt aber auch: Diese Loyalität ist endlich.

Seit seinem Youtube-Aus sendet der selbsternannte „Volkslehrer“ praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Von seinen einst 70.000 Youtube-Followern wanderten gerade einmal 3000 mit zu Bitchute.

Von Matthias Schwarzer/RND


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