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Wird Missbrauch in der Popkultur romantisiert? Wie der Roman „It Ends with Us“ eine Debatte auslöste

Wird Missbrauch in der Popkultur romantisiert? Wie der Roman „It Ends with Us“ eine Debatte auslöste
Foto: Jojo Whilden/Sony Pictures via AP

Die Filmadaption des Bestsellers „It Ends with Us“ von Colleen Hoover ist gerade in den deutschen Kinos gestartet. Die Geschichte handelt von einer Blumenhändlerin, die versucht, aus einer toxischen Beziehung herauszukommen. Im Fokus der Erzählung steht häusliche Gewalt – diese wird, wie einige finden, zu romantisch dargestellt.


Der Roman „It Ends with Us“ von Colleen Hoover ging im Jahr 2021 auf Tiktok viral. Das Buch erzählt die Geschichte einer Blumenhändlerin, die versucht, aus einer toxischen Beziehung zu flüchten. In vielen Passagen des Werkes wird Missbrauch detailreich beschrieben. Problematisch für viele ist dabei: Die Lesenden werden ermutigt, Empathie und Mitleid mit dem Aggressor zu empfinden. Das Verhalten des gewalttätigen Partners wird als mysteriös dargestellt und soll durch erlebte Kindheitstraumata erklärt werden, so der Verdacht einiger Buch-Fans in den sozialen Netzwerken. Auch das britische Jugend-News-Portal „The Standard“ folgt in einem Artikel dieser Kritik. Zudem wird kritisiert, dass die bunten Blumen auf dem Buchcover die Ernsthaftigkeit des Themas grotesk verfälschen.

Trotz der angeblichen Romantisierung von Missbrauch: Der umstrittene Roman wurde verfilmt und läuft seit Mitte August auch in deutschen Kinos. „It Ends with Us ist jetzt im Kino, also nimm deine Freunde mit, trag Kleidung mit Blumenmuster und schau es dir an“, bewarb die Hauptdarstellerin Blake Lively den Film in einem Video. Dieser kurze Ausschnitt sorgte für viel Kritik in den sozialen Netzwerken. Auf Tiktok entstand der Trend, Videos unter dem Titel „If all movies were marketed like It Ends with Us“ zu drehen. Darin sollen Filme mit düsterem Stoff auf eine ähnlich fröhliche Art beworben werden. Eine Nutzerin bewirbt etwa ironisch den Film „12 Years a Slave“, der das Leid schwarzer Menschen während der Sklaverei in den USA thematisiert, mit „Nimm deine Freunde mit und vergiss nicht, dein Baumwollkleid anzuziehen.“

@sboshmafu

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Colleen Hoover schweigt zu den Vorwürfen

Die Autorin des Romans, Colleen Hoover, äußerte sich bisher nicht zu der Kritik, dass sie Missbrauch in ihren Büchern romantisiere. In einer US-amerikanischen TV-Show sagte sie nur: „Wenn die Leute nicht mögen, was ich schreibe, versuche ich einfach, das zu ignorieren. Es stört mich überhaupt nicht. Ich denke, wenn man fünf Bücher auf der Bestsellerliste hat, ist es schwer, sich über Kritik zu ärgern. Denn man weiß, dass es Menschen gibt, die die eigene Arbeit schätzen, und darauf konzentriere ich mich.“

Die Kritik an Hoovers Werk kommt dabei nicht nur aus der Tiktok-Community. Ana Yudin, eine Ärztin im Bereich der klinischen Psychologie, sagte, es sei unangemessen, solche Geschichten als Romanze zu vermarkten. Auch auf der Infotainment-Website Screen Rant wird „It ends with us“ scharf kritisiert. Die Geschichte sei „ein Wolf im Schafspelz“. Obwohl die Hoffnung bestehe, dass Lesende den Unterschied zwischen Liebe und Missbrauch wissen, kann diese Unterscheidung jungen Lesenden schwerfallen, so die Befürchtung der Autorin des Artikels.

Missbrauch in der Popkultur: Wie kann man es darstellen?

Menschen, die Hoovers Roman hingegen verteidigen, weisen darauf hin, dass Kunstschaffenden die Möglichkeit erhalten bleiben muss, die Realität abzubilden. Widerspruch gegen exzessive Missbrauchsdarstellungen in Jugendromanen, -filmen und -serien gab es dabei auch schon früher. Etwa gegen Szenen aus der Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“. Das Magazin Teen Vouge verteidigte damals die entsprechenden Stellen: „Die Szene ist so konzipiert, dass sie unangenehm ist. Missbrauch ist kein angenehmes Thema. Erst in dem Moment, in dem es leicht wird, darüber zu sprechen, sind wir der Gewalt gegenüber desensibilisiert.“

Auch die berühmte Sängerin Amy Winehouse hatte kein Problem mit einer künstlerischen Darstellung von Missbrauch in der Popkultur. In einem Interview sprach sie über das Lied „He Hit Me (And It Felt Like a Kiss)“ von der Band The Crystals. „Nur Wenige verstehen, worum es hier geht. Die meisten würden sich denken, wie wagst du es, häusliche Gewalt positiv darzustellen? […] Ich denke mir, ich weiß, was du meinst“, sagte die Sängerin in dem Interview. Amy Winehouse sprach damit ein Phänomen an, das gelegentlich vorkommt: Menschen, die in ihren Beziehungen missbraucht werden, aber weiterhin Gefühle für den Gewalttäter haben und an der Beziehungen festhalten.

Mit schwierigen Texten zum Erfolg: Lana Del Rey

Dass das Thema Anklang findet und einen gewissen Erfolg verspricht, bewies unter anderem die Künstlerin Lana Del Rey. Die Sängerin ist bekannt für Texte, die Missbrauch thematisieren und diesen angeblich ebenfalls romantisieren. Trotzdessen ist sie seit Jahren eine der berühmtesten Sängerinnen weltweit. Besonders die Alben „Ultraviolence“ und „Born to die“ gehen in eine solche Richtung. Das Album „Born to die“ wurde mittlerweile auf Spotify über eine Milliarde Mal gestreamt. Laut der Musikwebsite Genius sei das Album zu Teilen von Vladimir Nabokovs Roman „Lolita“ – ein Buch, das den sexuellen Missbrauch an einer Zwölfjährigen thematisiert – inspiriert.

Die britische Sängerin Duffy, die selbst Opfer von Entführung und Vergewaltigung wurde, kritisiert laut Süddeutscher Zeitung, dass Netflix solchen Geschichten (hierbei war über den Film „356 Tage“ die Rede) eine Plattform biete und Entführung und Gewalt in Filmen „sexy“ darstelle. Dennoch findet man auf Tiktok Videos von jungen Mädchen, die von der Hauptfigur des Filmes schwärmen, obwohl er im Film mehrere Straftaten begeht. Am Ende gilt die Kunstfreiheit, aber besonders Eltern sollten sich überlegen, die Themen der Bücher, Filme und Serien aufzugreifen und sie entsprechend einzuordnen. Besonders mit Blick auf einen hohen Konsum von sozialen Medien in der jüngeren Generation ist das besonders wichtig.

Von Hanin Alshwikh


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