Wie der Frauenfußball weiter benachteiligt wird
Fußball ist mit etwa vier Milliarden Fans die beliebteste Sportart weltweit. Auch in Deutschland ist dies bemerkbar und das nicht nur im Herrenbereich. Sowohl in der Profi- als auch in der Amateursparte sind laut dem Deutschen Fußballbund (DFB) 1,2 Millionen Frauen und Mädchen als Mitglieder in Fußballvereinen gemeldet. Doch der Frauenfußball ist immer noch schlechter gestellt.
Wir schreiben den Fußballsommer 2024. Nach der stimmungsreichen Heim-EM bekommen die Fußballfans keine Pause, es geht munter weiter. Die Nationalmannschaft der Frauen spielte in Hannover für die EM-Qualifikation. Und das sehr erfolgreich: Mit einem 4:0-Sieg gegen Österreich sicherten sich die Frauen den Gruppensieg in der Qualifikation für das Turnier, das nächstes Jahr in der Schweiz stattfinden wird. Das Stadion war ausverkauft, die Mannschaft wird angefeuert.
Aber damit reicht es den Fußballerinnen nicht, eine Woche später geht es für sie nach Marseille. Das Ziel: eine olympische Medaille mit nach Hause nehmen, am besten die goldene. Am Dienstag, 6. August, steht das Halbfinale gegen die USA an. Trotz der Popularität und des Erfolgs des Frauenfußballs gibt es jedoch immer noch gravierende Unterschiede zum Fußball der Männer.
Olympia – geschlechterspezifische Regeln?
Schaut man etwa auf die männliche Seite des Olympiafußballs, vermisst man die deutsche Flagge. Und auch in den Spielen der bekannten Mannschaften wie Argentinien und Spanien spielen weder Messi noch Morata um eine Goldmedaille. Die Mannschaften, die vor ein paar Wochen noch in der Copa América oder der EM um einen Pokal kämpften, sind bei Olympia von der Bildfläche verschwunden.
Die olympischen Regeln besagen, dass Fußballprofis nur bis zu einem Alter von 23 Jahren an den Spielen teilnehmen dürfen. Außerdem dürfen drei Spieler für den Kader nominiert werden, die das Höchstalter überschreiten. Das Maß des internationalen Wettbewerbs soll weiterhin die Weltmeisterschaft bleiben, nicht Olympia, das gibt die FIFA vor – zumindest für die Männer. Bei den Frauen gibt es dieses Regeln nicht – das Hauptaugenmerk der FIFA scheint also auf den Männern zu liegen.
Geringere Gehälter im Frauenfußball
Auch finanziell werden die Frauen noch immer benachteiligt. Die Bezahlung der Profisportlerinnen im Gegensatz zu den Männern lässt zu wünschen übrig. Auf durchschnittlich 18 Prozent müssen die Frauen im Gegensatz zu den Männern verzichten. Und auch die Sonderzahlungen in Form von Siegprämien sind vergleichsweise niedrig. 2021 wurden den Männern im Falle des Europameisterschaftstitels 400.000 Euro zugesichert, den Frauen im Jahr 2022 nur 60.000 Euro, wie der „Deutschlandfunk“ berichtete. Und das, obwohl sie im Finale um den Titel kämpften, und somit weiter kamen als die Männer, die bereits nach der Gruppenphase nach Hause fahren mussten.
„Hier, wir kriegen neue Bälle, wollt ihr unsere alten haben?“
Aber nicht nur bei der Bezahlung gibt es große Differenzen zwischen Frauen- und Männerfußball. Auch im Amateurbereich stoßen die Frauen und Mädchen, die eine Leidenschaft für den Ballsport entwickeln oder entwickeln wollen, häufig auf Unsicherheiten. Seien es die Abstriche, die Frauen machen müssen, wenn es zu Trainingstagen und Equipment kommt, oder die Sprüche, die man sich von selbst ernannten Fußballprofis anhören muss. „Hier, wir kriegen neue Bälle, wollt ihr unsere alten haben?“ Mit solchen und so ähnlichen Vorschlägen wird frau von Vereinen abgespeist, wenn sie um neues Trainingsmaterial bittet.
Das Vereinsbudget gibt es wohl nicht her, gleiche Bedingungen für alle Mannschaften herzustellen. Mit großem Glück findet man überhaupt einen Verein, der eine Frauen- oder Mädchenmannschaft hat, die meisten Vereine behalten die Exklusivität des
Männerfußballs bei. Mit knapp 10.000 gemeldeten Frauen- und Mädchenmannschaften beim DFB in der Saison 2023/24 liegt der Frauenfußball merklich unter dem Wert der männlichen Sportler, die mit rund 37.000 Mannschaften allein im Erwachsenenbereich und rund 100.000 Jugendmannschaften in ganz Deutschland bestückt sind.
Bundeskanzler Scholz wünscht sich Anpassung der Gehälter
Immerhin: Es hat sich etwas getan in den vergangenen Jahren. Der VfL Wolfsburg steht mit der Förderung der Frauenmannschaft an der Spitze, der DFB verspricht Besserungen bezüglich Mutterschaltregelungen, und die FIFA veröffentlicht ein Regelwerk zum allgemeinen Schutz von Spielerinnen und Trainerinnen. So fortschrittlich wie der AC Mailand ist in Deutschland allerdings bisher kein Verein. Der Traditionsklub aus Italien bietet Frauen, die Mütter werden, eine automatische Vertragsverlängerung während der Schwangerschaft. Der Zwang, sich zwischen Kindern und Karriere entscheiden zu müssen, soll den Profis damit genommen werden.
Seit der erfolgreichen EM 2022 werden auch die Stadien voller. In der Saison 2022/23 stieg die Zuschauerzahl in der Frauenbundesliga auf mehr als 300 Prozent im Vergleich zur Vorsaison, wie der „Kicker“ berichtete. Und auch in der Saison 2023/24 schafften es die Frauen, vor gut gefüllten Arenen zu spielen – etwa in der ausverkauften Heinz-von-Heiden-Arena beim EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich.
Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften. Spanien hat da die Nase vorn. Viel Glück heute Abend @DFB_Frauen! #GERESP #equalpay
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) July 12, 2022
Als logische Konsequenz fordern Spielerinnen, bei einer gesteigerten Zuschauerzahl auch die Gehälter der Profisportlerinnen anzupassen. Und auch der Bundeskanzler plädierte bereits 2022 für eine Angleichung der Gehälter.
Von Helena Bothe
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