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Vom Lampenfieber zum Applaus: Mein Weg auf die Poetry-Slam-Bühne

Vom Lampenfieber zum Applaus: Mein Weg auf die Poetry-Slam-Bühne
Foto: privat

Poetry-Slam, einst ein kleines Underground-Format, hat sich zu einer globalen Bühne für persönliche Geschichten, kritische Gedanken und kreative Wortkunst entwickelt. Auch für MADS-Autorin Marie wurde der Slam zu einer Plattform, auf der sie ihre Ängste überwinden und ihre Texte mit der Welt teilen konnte. Was mit kurzen Gedichten in der Notizen-App begann, führte sie auf die Bühne – ein Moment, der alles veränderte.


Der Raum wird dunkel, das Klatschen verebbt, die Scheinwerfer sind auf mich gerichtet. Der Text in meiner Hand zittert, und ich kann von Glück sprechen, dass ich das Publikum nicht sehe, sonst wäre ich wahrscheinlich noch viel nervöser.

Und doch: Als ich mich nach fünf Minuten beim Publikum bedanke und die Bühne bei dröhnendem Applaus verlasse, habe ich es hinter mich gebracht – meinen ersten Poetry-Slam. Vor zwei Monaten hätte ich es noch nicht für möglich gehalten, dass ich so vielen Menschen irgendwann mal meine Texte zeigen würde. Es fühlt sich ein bisschen entblößend an, dass so viele jetzt meine Gedanken und Gefühle kennen, aber ich bin auch unglaublich stolz auf mich selbst.

MADS-Autorin Marie mit den anderen Slam-Teilnehmenden. Foto: privat

Schon seit Jahren schreibe ich lyrische Texte. Mal kurz und bündig, meistens eher viele unorganisierte Gedanken, wenig reimt sich. Alles davon in der Notizen-App meines Handys. Typische „Notes App Poetry“, wie sie seit einigen Jahren vor allem auf Instagram und Pinterest immer populärer wird. Im Januar dieses Jahres besuchte ich zum ersten Mal einen Poetry-Slam und merkte: Die Leute, die da auf der Bühne standen, waren auch nur Menschen. Und wenn sie es schafften, ihre Texte zu performen, könnte ich das dann nicht auch? Dass es einen U20-Slam nur zwei Monate später in derselben Location gab, wirkte wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Im Wartezimmer meines HNO-Arztes schrieb ich dann die Mail an das Organisatorenteam und ein paar Tage später kam die Bestätigung – ich war angemeldet.

Poetry-Slam: Das Innerste nach außen kehren

Zu dem Zeitpunkt hatte ich lediglich einen richtigen Text zu bieten, mir wurde allerdings geraten, zwei mitzubringen. Falls ich ins Finale käme, was natürlich sowieso nicht passieren würde, so mein innerer Kritiker. Trotzdem schrieb ich etwas, und das im Minivan irgendwo in Thailand. Mein Kreislauf dankte mir das auf der kurvigen Straßen nicht, aber Wochen später am Abend des Slams war ich froh, vorbereitet zu sein.

Im Backstagebereich sind andere junge Slammer wie ich, die aber, ganz im Gegenteil zu mir, schon auf den Slam-Bühnen zu Hause schienen. Mit meinen 19 Jahren steche ich tatsächlich als älteste heraus. Das Mikro konnten wir testen, bevor die Zuschauenden hereingelassen wurden, aber mich erfüllt trotzdem die Angst, dass ich es später kaputt drehen könnte. Der Smalltalk hinter der Bühne sprüht nur so vor Nervosität, die meisten tigern von Wand zu Wand und murmeln ihren Text in Dauerschleife. Ich trinke aus lauter Angst vor einem trockenen Mund fast zwei Liter Wasser, bis es dann endlich mein Name ist, der aufgerufen wird.

Bei meinem ersten Text geht es um Leistungsdruck und darum, was es mit mir macht, mich gefühlt nie ausruhen zu können. Das Vortragen vergeht wie im Film, ich bin in meinem Element, hebe meine Stimme und senke sie wieder, rede sehr viel schneller als bei der Probe vor dem Spiegel und verlasse die Bühne am Ende fast sprintend. Dann wird die Punktzahl verkündet, die durch eine Publikumsjury zustande kommt: 36 von 40 Punkten. Im Backstage gratulieren die anderen Slammenden, und in der Pause umarmen mich Familie und Freunde, die ich zum Support an diesem Abend mitgeschleppt habe. Das Adrenalin lässt mich schwerelos fühlen, und ich fühle mich so stolz wie lange nicht. Ich realisiere, warum so viele Menschen das Slammen lieben. Es fühlt sich zwar so an, als würde man sein Innerstes nach außen kehren, aber es wird belohnt. 

Nach der Pause werden die gesammelten Punkte verglichen und die Top 3 ziehen ins Stechen. Zu meiner Überraschung bin ich eine dieser drei. Mein zweiter Text, der aus dem Minivan, ist gefragt. Hier geht es vor allem um Overthinking und Katastrophendenken in Beziehungen. Wieder macht mir das Performen total Spaß, und als am Ende der Applaus über den Gewinner entscheiden soll, ist es mir eigentlich total egal, ob ich das bin. Der Abend hat zwar unglaublich viel Mut erfordert, aber eben auch gezeigt, dass Angst einen nicht aufhalten muss. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass meine Texte nur im Geringsten gut genug wären, um aufzutreten. Als ich mir am Ende allerdings den Gewinnerpreis mit den beiden anderen Finalistinnen teile, werde ich vom Gegenteil überzeugt.

MADS-Autorin Marie bei der Preisverleihung. Foto: privat

Drei praktische Tipps

So von Slammerin zu Slam-Interessierten gibt es einige Sachen, die ich gerne vorher gewusst hätte: 

  1. Schreib über das, was du kennst, und erforsche es wie einen neuen Ort

Thematisch sind dir beim Poetry-Slam keine Grenzen gesetzt – und das ist das Tolle daran. Du kannst über Liebe, mentale Gesundheit, deinen Wocheneinkauf, Politisches oder Kindheitserinnerungen schreiben. Es kann traurig, aufheiternd oder lustig sein. Poetry-Slam ist unglaublich vielfältig, und das kannst du ausnutzen. Wenn du ein Thema hast, lass die Assoziationen und Gefühle auf dich wirken und nutze sie zum Schreiben.

  1. Geh selbst auf Poetry-Slams in deiner Gegend

Eine meiner größten Motivations- und Inspirationsquellen ist es, auf Slam-Abende zu gehen. Die gebündelte Kreativität regt mich immer an, selbst zu schreiben, vor allem weil man zu dem einen oder anderen Thema des Abends häufig auch eigene Ideen hat. Sollte der nächste Slam erst Monate entfernt sein, gibt es auch auf Youtube viele Videos von vergangenen Slams.

  1. Lass dir Zeit mit dem Schreibprozess

Natürlich kann es Tage geben, an denen deine Texte vor lyrischer Finesse nur so übersprudeln, aber häufig wird es auch ein Spiel mit den Worten sein. Manchmal entfernt man ganze Verse, etwas hört sich auf dem Papier toll an, laut vorgelesen aber holprig und krumm. Das ist komplett normal. Der Spaß am Schreiben ist es schließlich auch, den Text immer wieder zu überarbeiten und zu etwas ganz Besonderem zu machen. Lass dich also bloß nicht entmutigen und schreib einfach drauflos!

Veranstaltende für Poetry-Slams:

Hier finden die nächsten U20-Slam-Termine statt:

Von Marie Thielebörger


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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