Trainerin im Leistungssport: Jessica Campbell setzt ein Zeichen für junge Mädchen
Nach 107 Jahren schafft es erstmals eine Frau in den Eishockey-Trainerstab der National Hockey League (NHL). Jessica Campbell setzt damit ein Zeichen für die Geschlechtergleichstellung und macht auf die immer noch zu geringe Quote weiblicher Trainerinnen im Leistungssport aufmerksam, meint MADS-Autorin Frieda.
Seit Juli ist Jessica Campbell Assistenztrainerin der Seattle Kraken. Damit schreibt sie Eishockey-Geschichte: Campbell ist die erste Frau in der NHL, die als festes Mitglied in einem Trainerteam arbeitet. Damit setzt sie ein starkes Zeichen für junge Mädchen weltweit, die selbst einmal eine Karriere im Eishockey anstreben.
Erste weibliche Co-Trainerin in der Deutschen Eishockey Liga
Vor ihrer Zeit bei den Seattle Kraken arbeitete Campbell als Co-Trainerin unter Headcoach Dan Bylsma beim Farmteam der Kraken, den Coachella Valley Firebirds. Die beeindruckende Laufbahn der ehemaligen kanadischen Nationalspielerin führte sie 2021 und 2022 sogar nach Deutschland: Dort holte sie Cheftrainer Tom Rowe als erste weibliche Co-Trainerin in die Deutsche Eishockey Liga (DEL), wo sie das Team der Nürnberg Ice Tigers unterstützte. Campbell ist überzeugt, dass ihre Stärke vor allem im Skating liegt. Sie erzählte NHL gegenüber, dass sie sich fühlt, als sei sie mit Skates an den Füßen geboren worden.
Ihr Erfolg in Deutschland sprach sich herum: 2022 begleitete Campbell als Co-Trainerin die deutsche Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Finnland. DEB-Sportdirektor Christian Künast lobte sie mit den Worten: „Sie hat einen super Job gemacht. Dass Deutschland mit einer Frau als Co-Trainerin zur WM gefahren ist, sendet auch international ein starkes Signal. Bei ihr geht es nicht um männlich oder weiblich, sondern um ihr Fachwissen.“
Jessica Campbell zeigt, dass Talent und Engagement wichtiger sind als Geschlechtergrenzen – und das begeistert nicht nur auf dem Eis, sondern auch darüber hinaus.
Mehr Aufmerksamkeit für Frauen im Leistungssport
Seit den Olympischen Spielen in Tokyo 2020 hat das Thema Frauen im Leistungssport noch einmal mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Spiele haben besonders durch ihre Geschlechterverteilung (48,7 Prozent Frauen, 51,3 Prozent Männer) für Aufsehen in den Medien gesorgt. In Deutschland gibt es zwar noch keine gleichwertige Geschlechterverteilung, aber einen Fortschritt in die richtige Richtung. Gerade bei diesen Spielen haben die deutschen Leistungssportlerinnen mit Medaillensiegen ihrem Land und ihrem Geschlecht Ehre und Ruhm eingebracht.
Auch zeigt sich das Thema immer mehr in großen Sportarten wie dem Fußball. In der Saison 2022/23 verfolgten insgesamt 359.404 Fans die Fußballspiele der Frauen-Bundesliga live im Stadion, wie der DFB gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland mitteilte. Im Durchschnitt waren das 2723 Zuschauer pro Spiel. Damit hat sich die Zuschauerzahl im Vergleich zur Saison 2021/22 etwa verdreifacht.
Immer noch Diskriminierung und Sexismus im Leistungssport
Der SWR befragte 2021 exklusiv 719 Frauen im Spitzensport zu ihren Ansichten der Gleichberechtigung im Leistungssport. Dabei stellte sich heraus, dass es noch zu viele Stellschrauben gibt und die Sportlerinnen immer noch mit Klischees und Vorurteilen kämpfen – etwa dass die Leistungssportkarriere als Frau nicht mit der Familie vereinbar sei. Auch werde das Thema der Menstruation noch nicht genug beim Training berücksichtigt, was eine Folge der überwiegend männlichen Trainer im Leistungssport sei. 77 Prozent der Befragten gaben an, dass sie hauptsächlich von Männern trainiert wurden. Dabei gab jede vierte Frau an, dass sie sich auch hier eine Änderung in der Verteilung des Trainergeschlechtes wünschen würde.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Befragung war die Frage nach dem Gehalt. Besonders hier fällt ein starkes Ungleichgewicht gegenüber der Bezahlung der männlichen Mitstreiter auf. Die sogenannte Pay-Gap (das geschlechterspezifisches Gehaltsgefälle) ist so stark ausgeprägt, dass 41 Prozent der Teilnehmerinnen angaben, weniger als 10.000 Euro Bruttoeinkommen im Jahr zu verdienen. 22 Prozent gaben an, bis zu 30.000 Euro jährlich zu verdienen. Hierbei rechneten die Befragten Einnahmequellen wie Sponsoring und Preisgelder sowie Werbung mit ein.
Ihre männlichen Mitstreite verdienen dagegen einer Erhebung von 2018 zufolge bereits in der dritten Bundesliga ein Jahreseinkommen von rund 120.000 Euro. Auch beim Vergleich der Spitzengehälter ist eine große Differenz zu verzeichnen. In der Saison 23/24 war der portugiesische Nationalspieler Cristiano Ronaldo mit einem Jahresgrundgehalt von 200 Millionen Euro der unangefochtene Topverdiener, bei den Frauen ist es die amerikanische Gotham-FC-Spielerin Charli Llyod mit gerade einmal 520.000 Dollar (rund 498.940 Euro).
Geschlechterverteilung von Trainerinnen und Trainern in Deutschland
Wie zu erwarten, sind Trainerinnen im deutschen Sport in der Minderheit. Je höher das Leistungsniveau, desto geringer ist der Anteil der Frauen. Im Jahr 2000 waren nur etwa 10 Prozent der Trainerinnen und Trainer Frauen. Im Leistungssport lag der Anteil der Frauen in Führungspositionen als Bundestrainerinnen noch niedriger.
Besonders auffällig ist die Situation im Fußball. In der sportlichen Leitung der Männer-Nationalmannschaft sind ausschließlich Männer vertreten. Bei der Frauen-Nationalmannschaft hingegen gibt es Frauen in der sportlichen Leitung, wie zum Beispiel die Assistenztrainerinnen Maren Meinert und Saskia Bartusiak. Trotzdem wird die Rolle des Bundestrainers in beiden Nationalmannschaften von einem Mann übernommen: Julian Nagelsmann trainiert die Männer, Christian Wück die Frauen.
Dafür hat Marie-Luise Eta mit ihrer Trainerlizenz einen großen Schritt gemacht. Ihr Wechsel zu Union Berlin als Trainerin des A-Jugend-Bundesligateams ist ein Beispiel dafür, dass Frauen im Fußball immer mehr Möglichkeiten bekommen. Die Bremerin strebt einer Karriere im Trainerstab der deutschen männlichen Nationalmannschaft an. Frauen wie sie und Campbell zeigen, dass es trotz aller Hürden nicht unmöglich ist, als Frau im Trainerbereich des Leistungssports erfolgreich zu sein.
Von Frieda Hackel
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