Şeyda Kurt erklärt die Feindschaft: „Hass – von der Macht eines widerständigen Gefühls“
In Şeyda Kurts zweitem Buch geht es um eine starke Emotion: „Hass – von der Macht eines widerständigen Gefühls“ zeigt, was passiert, wenn Menschen einander ablehnen.
Şeyda Kurt geht mit ihrem zweiten Buch erneut einem politischen Gefühl nach. Im Gegensatz zu ihrer ersten Veröffentlichung „Radikale Zärtlichkeit“ fokussiert sich dieses Werk nicht auf die Liebe, sondern hat den Hass als Thema. Kurt äußert sich in Podcast, Print- oder Onlinemedien sowie Talkshows zu den Themen Kultur, Philosophie, Politik und linkem Feminismus. All das findet sich auch in ihrem jüngsten Werk wieder. Das Buch „Hass – Von der Macht eines widerständigen Gefühls“, das die Autorin selbst ein „experimentelles Essay“ nennt, wurde im März bei HarperCollins veröffentlicht.
Ein Mix aus anspruchsvoll und locker
Experimentell ist ein gutes Stichwort, denn die Leserinnen und Leser müssen sich auf eine stilistische Mischform einlassen: persönlichen Anekdoten, historische sowie politische Fakten und auflockernde komödiantischen Formate wie ein fiktionaler Tweet von Karl Marx finden ihren Platz.
Diese Zusammenstellung aus durchaus anspruchsvollen Teilen und eher entspannt lesbaren Passagen funktioniert stellenweise sehr gut. Beim Lesen fühlt man sich oft an die Hand genommen und kann den Argumentationen folgen. Doch manchmal bringt ein Absatz oder ein Gedankenfetzen den Lesefluss ins Taumeln. Vielleicht sollte die Beschreibung „experimentell“ für die Art Buch wahlweise mit „gut gemeint chaotisch“ ergänzt werden.
Darum geht es in „Hass – von der Macht eines widerständigen Gefühls“
Auch wenn der Aufbau des Buches Geschmackssache ist, kann man Kurt eine Fähigkeit nicht absprechen: die Kunst, unangenehme Gefühle und unbehagliche Emotionen literarisch auseinanderzunehmen. Denn in ihrem Buch spricht sie vom „Hassen dürfen“ und „Hassen sollen“.
Hass, obwohl es oft ein widerständiges Gefühl ist, ist für manche Menschen eine Emotion, um in einer Welt in der Hass herrscht, zu überleben. Diese Welt beinhaltet rechte Hassverbrechen, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung jeglicher Art. Kurt erzählt weniger die Geschichte der Hassenden, sondern schlägt sich auf die Seite der Menschen, die Hass erfahren.
Letztlich kommt Kurt in ihrem Essay zu einer Erkenntnis: Dass Hass in einer Herrschaft des Hasses doch zuletzt wieder Zärtlichkeit hervorbringen kann. Was sich mitnehmen lässt, ist ein neuer Blickwinkel auf die Emotion des Hasses. Das Buch schafft es, die Ehrfurcht vor diesem mächtigen Wort zu nehmen.
von Lucie Mohme
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