Seite auswählen

Werbung

„Political Ideology Gap“: Warum junge Frauen und Männer unterschiedlich wählen

„Political Ideology Gap“: Warum junge Frauen und Männer unterschiedlich wählen
Foto: Kenneth Sorensen/Unsplash

Statistiken zeigen: Junge Männer und Frauen unterscheiden sich in ihrem Wahlverhalten maßgeblich. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Political Ideology Gap“ – und das hat auch Auswirkungen auf Wahlen wie zuletzt in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Eine Analyse von MADS-Autorin Karlotta.


In Brandenburg hat die Alternative für Deutschland (AfD) erneut bewiesen, dass sie es schafft, breite Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Und das, obwohl die Partei in Teilen gesichert rechtsextrem ist. Analysen der Wahl bestätigen einen Trend, der bereits seit Januar durch eine Veröffentlichung der „Financial Times“ bekannt wurde: der „Political Ideology Gap“ oder auch „Modern Gender Gap“. Gemeint ist damit, dass sich die Ansichten junger Männer und junger Frauen immer stärker voneinander unterscheiden. Wie entsteht diese Lücke und welche Bedeutung hat sie für unsere Demokratie? 

„Political Ideology Gap“: Mehr als zehn Prozentpunkte Unterschied

Um die 30 Prozent erhielt die AfD kürzlich bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen und landete damit auf den vordersten Plätzen. Laut Umfragen schnitt sie bei Männern mehr als zehn Prozentpunkte besser ab als bei Frauen. Damit liegen verschiedene Altersgruppen zwischen 18 und 69 Jahren politisch näher beieinander als Männer und Frauen. Ein Beispiel: In Thüringen wurde die AfD stärkste Kraft mit 32,8 Prozent. In Wahlumfragen gaben 27 Prozent der Frauen an, diese Partei zu wählen. Dagegen waren es 38 Prozent der Männer.

Umfragedaten der „Financial Times“ lassen vermuten, dass der Unterschied innerhalb der Generation Z noch größer ist. Betrachtet man die politischen Ausrichtungen im Durchschnitt, haben sich die Ansichten der Frauen in den vergangenen Jahren stark in die liberale und progressive Richtung bewegt – Tendenz steigend. Die Ansichten der jungen Männer hingegen bewegten sich eher im konservativen Feld, mit Tendenz zur rechten Seite des politischen Spektrums. Ähnliche Ergebnisse wurden weltweit festgestellt: Die „Financial Times“ führt ebenfalls die Vereinigten Staaten, Polen und vor allem Südkorea auf, wo die politischen Ideologien zwischen Frauen und Männern am weitesten auseinanderklaffen.

Über männliche Männer und feministische Frauen

Das Survey Center of American Life gibt an, dass laut einer Umfrage in der Generation Z die Differenz zwischen männlichen und weiblichen Teilnehmenden am höchsten war, wenn es um die Selbstzeichnung als Feminist oder Feministin ging. 61 Prozent der Frauen bezeichneten sich als Feministinnen, dagegen waren es nur 43 Prozent der Männer. Bei allen älteren Generation lagen die Werte näher beieinander. 

Es gebe Signale, dass sich junge Männer in Deutschland aktiv in die politisch-rechte Richtung bewegen, so die „Financial Times“. Männer unter 30 seien zum Beispiel stärker gegen Immigration eingestellt als ältere. Die AfD umwirbt nahezu aggressiv junge Männer, man denke an Maximilian Krahs Aussage „Echte Männer sind rechts“ oder seinen Ratschlag an einen Jungen: „Du bist kein nonbinäres Einhorn. Du bist Deutscher, mach was draus.“ Die Unsicherheit junger Männer in einer sich schnell verändernden Gesellschaft wird genutzt, um falsche Hoffnung auf eine einfache Lösung zu verbreiten. Ein „echter Mann“ braucht sich nicht kritisch mit Geschlechterrollen auseinanderzusetzen, er darf einfach darauf vertrauen, dass die AfD dafür sorgt, dass feministische und queere Bewegungen diffamiert werden und der Mann in seiner Machtposition bleibt – so die Vorstellung.

Frauen wie Luisa Neubauer und die – mittlerweile wegen ihrer Äußerungen zum Nahostkonflikt umstrittene – Greta Thunberg stehen an der vordersten Front der Klimabewegung; die #MeToo-Debatte brachte ans Licht, was Frauen alltäglich erleben. Frauen versuchen zunehmend, aus patriarchalen Strukturen auszubrechen. Sie streben nach Unabhängigkeit und Freiheit – so zumindest die Annahme. Möglicherweise liegt es auch an anerzogenen Werten wie Empathie und Rücksicht, die dafür sorgen, dass junge Frauen mehr Wert auf soziale Gerechtigkeit legen. Oder es liegt daran, dass sie selbst von linker Politik profitieren würden, etwa in Bezug auf den Gender-Pay-Gap und reproduktive Rechte.

Überlegungen für die Zukunft

Natürlich ist es nicht so, dass alle Frauen links und alle Männer rechts wählen. Doch in ihrem Essay für „Die Zeit“ beschreibt Antje Schrupp es so: „Sollte sich der Trend zu einer deutlichen politischen Kluft zwischen Frauen und Männern bestätigen, würde offensichtlich, dass sie unterschiedliche Vorstellungen von der Gestaltung der Welt und des menschlichen Zusammenlebens haben.“ Auch die „Financial Times“ schreibt: „Allzu oft werden die Ansichten junger Menschen aufgrund ihrer geringen politischen Beteiligung übersehen, aber dieser Wandel könnte Auswirkungen auf kommende Generationen haben und sich weit über die Stimmenauszählung hinaus auswirken.“

Was die Ergebnisse der Landtagswahlen erneut zeigen: Männer und Frauen scheinen deutlich unterschiedliche Ansichten davon zu haben, wie für sie ein gutes Leben in Deutschland aussieht. Dass sich dieser Geschlechtsunterschied mehr denn je bei jungen Menschen zeigt, beweist auch, dass die Generation Z längst nicht so gleichberechtigt und „woke“ ist, wie oft von außen dargestellt. Jugendstudien differenzieren zu selten zwischen den Geschlechtern – und ja, an dieser Stelle wäre auch eine Aufnahme der Geschlechter jenseits der Binärität angebracht. Denn der politische Gender-Gap lässt sich bislang nicht vollständig aufklären, geschweige denn auflösen. 

Von Karlotta Hamburg


Lies auch:


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

Poste einen Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert