„Girl Dinner“: Einfaches Abendbrot oder Essstörung?
Beim „Girl Dinner“ präsentieren Frauen auf Instagram und Tiktok ihr Abendessen. Obwohl das Posten von Essen in den sozialen Medien nichts Ungewohntes ist, erregt dieser Trend Aufmerksamkeit.
Angefangen hat alles mit Olivia Maher. Die Drehbuchautorin sagte in einem Tiktok-Video, dass andere Brot und Käse als Abendessen als ärmlich und mittelalterlich empfinden würden, für sie jedoch sei es das perfekte Dinner. Dabei zeigte sie ihr Abendessen – bestehend aus Brot, Wein und Käse – und trat den „Girl Dinner“-Trend los. Mädchen und Frauen auf Tiktok filmten sich und ihr Essen, Medien wie die „New York Times“ berichteten darüber, und schnell war das „Girl Dinner“ allgegenwärtig.
„Girl Dinner“: Nichts anderes als Abendbrot?
In deutschen Medien traf der Trend zuweilen auf Irritation. „Girl Dinner: We call it Abendbrot“, schrieb zum Beispiel der „Spiegel“. In Deutschland ist es bekanntermaßen keine Neuheit, abends eine Stulle zu essen. Andere erinnerte der Trend an das Charcuterie-Board, nur dass hier ein Abendessen aus kleinen Snacks zusammengestellt und auf einem Teller angerichtet wird. Aber sind Snacks ein vollwertiges Abendessen?
Was als Trend begann, der besonders relatable sein sollte für Frauen und Mädchen, denen im Alltag die Zeit oder Kraft zum Kochen fehlte, hat schnell auch besorgniserregende Facetten angenommen. Mal wieder zeigt sich das schwierige Verhältnisses vieler Frauen zum Thema Essen. Denn nicht nur die kleinen Portionen stehen in der Kritik, es gibt auch Beiträge, die eindeutig auf essgestörtes Verhalten hinweisen. So erzählt beispielsweise eine Frau, ihr „Girl Dinner“ sei es, das Abendessen ausfallen zu lassen und direkt ins Bett zu gehen. In einem anderen Tiktok wird ein Red Bull als vollständiges „Girl Dinner“ präsentiert.
Die Beziehungskrise von Frauen zu ihrem Essen
Laut Robert-Koch-Institut zeigt ein Fünftel der deutschen Jugendlichen Anzeichen für essgestörtes Verhalten, Mädchen sind dabei häufiger betroffen als Jungs. Dass sich bei einer Bewegung, in der jede ihr Abendessen filmt, also auch diese Form von Essverhalten zeigt, ist nicht verwunderlich.
Erschreckend ist es trotzdem. Der Trend zeigt – ob gewollt oder nicht – die Bandbreite von gestörten Beziehungen von Frauen zu ihrem Essen. Zwar mag es schön sein zu sehen, dass nicht alle Frauen abends stundenlang in der Küche stehen und Instagram-taugliches Superfood zubereiten, sondern manche vielleicht auch mal den Käse direkt aus der Packung essen.
Dennoch bleibt die Beziehung zwischen Essen und Social Media kompliziert. Junge Menschen sind sehr beeinflussbar und vergleichen sich online mit anderen. Content über Portionsgrößen und das perfekte Abendessen könnten da eher triggern als bereichern.
Von Jennifer Kramer
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