Gewohnheiten ändern: Einfach mal machen!
Kein Fleisch, kein Netflix: Im Januar wollen viele auf etwas verzichten. Wir probieren lieber Neues – und durchbrechen unsere Routine. Sechs Protokolle.
Einem Fremden Gutes tun: Lächelnd in der Bib
Als ich dem obdachlosen Mann in der Bäckerei den Kakao schenke, lächelt er und bedankt sich. Dabei vergesse ich fast, dass ich bis eben noch total genervt war. Meine Lieblingsbrötchen sind ausverkauft. Eine Woche jeden Tag einem Fremden etwas Gutes tun – so lautet mein Ziel. Wenn ich jetzt über den Mann und den Kakao nachdenke, dämmert mir, dass das eine verdammt gute erste Lektion war: So sehr ich mich über Kleinkram ärgere, so sehr freuen sich andere über – ja, Kleinkram eben. Die nächsten Tage folge ich dem Prinzip: Essen macht glücklich – und lässt sich leicht verschenken. Meiner neuen WG backe ich einen Kuchen. Die Hälfte meiner Falafelrolle packe ich ein und gebe sie einem Mann, der vor dem Supermarkt sitzt und um Geld für Essen bittet. An Tag vier bin ich aber in der Bibliothek. Hier kann ich kaum etwas verschenken. Also versuche ich es mit Tür aufhalten. Oder mit Lächeln. Und lerne meine Lektion Nummer zwei: Der „Kleinkram“ muss nichts Gekauftes sein. Schon kleine Gesten genügen, um anderen etwas Gutes zu tun. Und das Beste daran: Die netten Reaktionen haben mir selbst auch gutgetan.
Von Jacqueline Hadasch
Täglich 10 000 Schritte: Spazieren ist cool
„Lasst uns die paar Bahnstationen doch zu Fuß gehen“ fordere ich meine Kommilitonen auf – und ernte verwunderte Blicke. Von ihnen ist niemand motiviert, 10 000 Schritte am Tag zu laufen. Mir fällt das gar nicht so schwer – nachdem ich meine Gewohnheiten angepasst habe: Zwei Bahnstationen früher aussteigen, zum Einkaufen nur noch zu Fuß und zwischen allem Uni-Stress eine Viertelstunde an die frische Luft gehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Einziger Wermutstropfen: Ich muss oft allein gehen – Spazieren finden viele uncool. Dabei ist tägliche Bewegung wichtig. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO helfen 10 000 Schritte täglich gegen Rückenschmerzen und fast alle chronischen Krankheiten. Darum bin ich froh, dass ich die Bewegung in meinen Alltag integriert habe. Ich fühle mich deutlich fitter und das Gehen hilft mir, bei all dem Lernen einfach mal abzuschalten.
Von Tim Klein
Müll aufheben: Nicht zu verbissen
Ob leere Kaffeebecher oder zerfledderte Prospekte – über irgendetwas stolpere ich ständig auf der Straße. Jeden Tag fünf Müllstücke aufsammeln müsste also einfach sein. Ist es anfangs auch: Am ersten Tag meines Selbstversuchs liegen überall noch Silvesterböller herum. Doch kaum ist es nicht mehr ganz so verdreckt, muss ich suchen. Mehrmals halte ich ein vertrocknetes Blatt für ein Stück Plastik. Einen Abend fällt mir auf dem nächtlichen Heimweg ein, dass ich noch gar keinen Müll aufgesammelt habe. Um zwei Uhr morgens scanne ich also den Gehweg ab. Schließlich finde ich eine Coladose und zwei Verpackungen. Das muss für den Tag reichen. Beim Joggen tags drauf sammele ich dafür viel mehr als fünf Teile ein – eine nette Unterbrechung, wenn mir die Puste ausgeht. Am Ende ist es mir gar nicht mehr so wichtig, genau fünf Teile pro Tag aufzusammeln. Wenn ich Müll auf dem Boden rumliegen sehe, bleibe ich einfach kurz stehen und hebe ihn auf. Ich hoffe, dass ich diesen Vorsatz das ganze Jahr über durchhalte.
Von Ronja Wirts
Klamotten ausmisten: So viel Krempel!
Passe ich in diese Jeans überhaupt noch rein? Auch das grüne T-Shirt mit den pinkfarbenen Sternchen gefällt mir schon seit Jahren nicht mehr. Während ich meinen Kleiderschrank durchforste, merke ich, wie viele Klamotten ich besitze, aber gar nicht mehr trage. Da kommt die Aufgabe, eine Woche lang täglich fünf Sachen auszurangieren, genau richtig. Und wenn ich schon mal dabei bin, mache ich gleich mit meinem Schreibtisch und im Badezimmer weiter. Ich entrümpele sämtliche Schubladen und trenne mich von modischen Fehlkäufen, durchgelaufenen Socken, ausgetrockneten Stiften und Nagellackflaschen. Unglaublich, wie viel Krempel ich hervorhole! Die noch gut erhaltene Kleidung spende ich dem Deutschen Roten Kreuz, der Rest landet in der Tonne. Letztlich habe ich sogar mehr als fünf Sachen am Tag aussortiert. Der Selbstversuch und auch die konsumkritische Kinokomödie „100 Dinge“ haben mir geholfen, mein Kaufverhalten zu hinterfragen. Kopflos Shoppen im Sale will und werde ich nicht mehr.
Von Greta Kortenacker
Pro Tag nur 5 Euro: Nichts verschwenden
Bei meinen Ausgaben verliere ich schnell den Überblick. Eine Woche mit nur fünf Euro am Tag? Das will ich versuchen! Für mich ein Leben auf Sparflamme – daher komme ich vor meinem Selbstversuch nicht drumherum, mein Auto vollzutanken und Festivaltickets zu kaufen. Nun kann es losgehen. Statt mir unterwegs Essen zu holen, schmiere ich mir zu Hause Brote und nehme sie mit. Etwas Warmes gibt es dann eben abends. Im Supermarkt kaufe ich nur die Schnäppchen. Sparsam sein fällt mir leichter als gedacht. An manchen Tagen gebe ich keinen einzigen Euro aus. Ziemlich nervig ist dann aber ein Abend mit meinen Mädels: Als ich nicht mit feiern gehen will, bin ich schnell die Spielverderberin. Und auch beim Shoppen kann ich nur beraten. Trotzdem: Ich bin froh, dass ich durchgezogen habe. Ich habe mit der Zeit gelernt, auf Preise zu achten. Und ich überlege jetzt ein bisschen genauer, was ich wirklich brauche – und was vielleicht verschwendet ist.
Von Louisa Vietmeyer
Jeden Tag kochen: Chaos in der Küche
Ein Döner vom Imbiss oder der Besuch der Uni-Mensa: Seit ich alleine wohne, habe ich die Vorzüge des Fast Foods für mich entdeckt. Jeden Tag kochen? Viel zu anstrengend. Zumal ich meine Kochkünste höchstens mit der Note befriedigend auszeichnen würde. Inspiriert vom Reiz, das Kochen doch noch für mich zu entdecken, starte ich mein Selbstexperiment mit einem Studentenkochbuch. Wenig Zeit, wenig Aufwand und nicht allzu viele Zutaten – kein Problem, meint das Kochbuch und liegt damit richtig. Ob Flammkuchen, Maiscremesuppe oder Lauch-Nudelauflauf: Durch die unkomplizierten Rezepte kreiere ich leckere Mahlzeiten. Doch das tägliche Kochen hat eine Schattenseite: Kaum beginne ich damit, Teig zu kneten oder Lauch zu schnippeln, zieht sich eine Schneise der Verwüstung durch meine Küche. Das ständige Aufräumen nervt. Die neu gewonnene Kochroutine will ich nach den sieben Tagen dennoch nicht aufgeben. Ich will zumindest jeden zweiten Tag kochen. So muss mein Lieblingsdöner nicht von meiner Speisekarte weichen.
Von Nina Hoffmann
Gutes aufschreiben: Kleine Glücksmomente
Meine Tagebuchkarriere begann mit sieben Jahren. Ich schrieb über ein anstehendes Diktat, weshalb ich aufgeregt war. Noch 17 Jahre später notiere ich, was mich nervt: das Wetter, die Klausuren, meine Prüfung in Schwimmen und Kämpfen. Letzteres ließ mich abends kaum schlafen. Etwas Optimismus kann nicht schaden. Also schreibe ich eine Woche lang auf, worüber ich mich am Tag gefreut habe. „Die WG-Party meiner Kumpels“… Mir fällt zunächst nicht viel ein. Bis ich mir vornehme, aufmerksamer durch den Tag zu gehen. Und schon freue ich mich, nicht vergessen zu haben, den Regenschutz über meinen Fahrradsattel zu ziehen. Ich komme mir albern vor, doch bald merke ich: Es tut gut. Plötzlich werden mir kleine Glücksmomente bewusst: Dass mir mein Freund einfach so meinen Lieblingstee macht oder ich 50 Meter Kraulen an einem Stück geschafft habe. Ich bin überrascht, über wie viel man sich an einem Tag freuen kann. Abends denke ich nicht mehr an die Prüfung in Kämpfen, sondern an meine vielen Minierfolge.
Von Sarah Seitz
Nachgefragt: Verhaltensforscher Dr. Karsten Brensing über Gewohnheiten
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, heißt es. Stimmt das?
Ja. Verhalten ist entweder angeboren oder erlernt. Eine Form des Lernens ist das Lernen durch Konditionierung. Dabei werden Dinge, die immer wieder zum Erfolg führen, positiv verstärkt. So entstehen Gewohnheiten. Eigentlich ist das eingeschränktes Verhalten: Ich mache etwas auf die immer gleiche Weise, weil es sich bewährt hat. Konditioniertes Lernen, das Etablieren bestimmter Verhaltensmuster, funktioniert unbewusst. Das ist ganz tief in unserer Genetik eingebaut.
Warum fällt es uns oft schwer, aus unseren Routinen auszubrechen?
Je einfacher der Mechanismus, desto schwerer ist es, da rauszukommen. Aber man kann das schaffen. Grundsätzlich gilt: Wir Menschen sind kognitiv hoch entwickelt und können frei entscheiden, deswegen können wir uns über diese tief einprogrammierten Abläufe hinwegsetzen. Wir können einen inneren Drang, der durch Konditionierung entstanden ist, kontrollieren. Wenn er uns bewusst wird. Jeder gesunde Mensch kann also sein Verhalten steuern und von einer Gewohnheit abweichen. Das macht uns anpassungsfähig.
Wie kann ich eine neue Gewohnheit in meinem Alltag etablieren?
Man muss dran denken. Das klingt einfach, im Alltag vergessen wir es aber doch oft. Es kann schon helfen, sich einen Handywecker als Erinnerung zu stellen. Irgendwie muss es ins Bewusstsein.
Interview: Nicole Wehr
Zur Person: Dr. Karsten Brensing ist Verhaltensforscher, Meeresbiologe und Autor. Am 11. Februar erscheint sein neues Buch „Wie Tiere denken und fühlen“ im Löwe Verlag.