Generation Rechtsruck? Warum die AfD bei der Jugend punktet
Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zeigen: Jungwählende driften nach rechts. Tiktok statt Tagesschau und einfache Antworten auf komplexe Probleme – der Rechtsruck unter Jugendlichen ist auch eine Frage der politischen Bildung.
32 Prozent – fast ein Drittel der 16- bis 24-Jährigen hat bei den Landtagswahlen in Brandenburg seine Stimme der AfD gegeben. Insgesamt kam die AfD am Sonntag auf 29,2 Prozent und wurde damit zur zweitstärksten Kraft hinter der SPD. Ein Schock? Nicht mehr. Schließlich hat die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen sogar 30,6 Prozent der Stimmen erzielt, und in Thüringen wurde die Partei unter Björn Höcke mit fast 33 Prozent zur stärksten Kraft. Ein Trend ist in allen drei Bundesländern zu erkennen: Die AfD verbesserte sich bei jungen Wählerinnen und Wählern im Vergleich zu 2019 um mehr als 10 Prozentpunkte. Woher kommt dieser Rechtsruck unter den Jugendlichen?
Wer sind die jungen AfD-Anhängerinnen und -Anhänger?
„Viel über diese neue Generation ‚neurechter‘ junger Menschen ist noch nicht bekannt“, sagt Professor Dr. Andreas Zick. Er leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Was er aber sicher weiß: Die jungen Menschen, die Vorurteile gegenüber Migrantinnen und Migranten haben, kommen aus allen Gesellschaftsschichten, unabhängig vom Einkommen oder Bildungsgrad. Eines haben sie gemeinsam: Sie sehen in der AfD einen Ausweg. „Sie mögen die einfachen Lösungen, obwohl diese vielleicht utopisch und gar nicht umsetzbar sind“, sagt Zick.
Eine Lösung, eine Alternative – damit wirbt die AfD schon in ihrem Parteinamen. Nicht nur junge Menschen glauben daran, dass es diese Lösung gibt. Tatsächlich hatten die 16- bis 24-Jährigen bei den Wahlen in Brandenburg wenig Einfluss auf das Ergebnis – denn es gibt mehr ältere Wählende, und die Wahlbeteiligung unter den jungen Menschen ist tendenziell niedriger.
Expertinnen und Experten sprechen von einer „Normalisierung“ der AfD und anderer rechter Parteien. Was heißt das nun? „Es bedeutet, dass im Alltag extremistische Einstellungen geäußert werden und Menschen nicht verstehen, was daran extremistisch ist“, erklärt Zick. Antisemitische und rassistische Vorurteile werden also toleriert, und Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele wird auch in der politischen Mitte zunehmend geteilt – nicht mehr nur am rechten Rand.
Ist rechts das neue „normal“?
Die AfD inszeniert sich besonders im Osten und in den sozialen Medien als „Rebellen-Partei“ – als hip, als jung. „Junge Menschen sollen rebellisch sein, das erwartet die Gesellschaft. Aber dass eine rechte Partei dieses Rebellische vermitteln kann, damit haben viele nicht gerechnet“, sagt Zick. „Dass das mit Hass und Zerrbildern sowie politischer Propaganda einhergeht, wird ausgeblendet – man möchte sich das schöne Bild einer ‚Zukunft für Deutsche‘ ja nicht vermiesen lassen.“
Woher kommt dieser Wandel? Zogen nicht noch vor Kurzem Zehntausende junge Menschen bei Fridays-for-Future-Protesten durch die Straßen? „Vielleicht müssen wir unser Jugendbild überdenken, weil die Krisen den Generationskonflikt verändert haben“, sagt Zick. Eine Krise, unter der Jugendliche besonders gelitten haben, war die Corona-Pandemie. Geschlossene Schulen, kein Vereinssport und soziale Isolation. In dieser Zeit hätten einige junge Menschen durch den Abbau politischer Bildung ein anderes Weltbild entwickelt, meint Zick. Und auch bei der Entwicklung von Zukunftsmodellen seien junge Menschen weniger mitgenommen worden. Damit spielt die AfD und verkauft den „Tabubruch“ als Vergnügen. „Sie vermittelt, dass man endlich wieder alles sagen darf. Als hätten rassistische und menschenfeindliche Meinungen keine Folgen“, sagt Zick. Das haben sie aber nun einmal. Deshalb wurden die Landesverbände der AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft.
#Brandenburg hat gewählt: Die Hochrechnung um 18:46 Uhr des ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) zur #Landtagswahl.
— phoenix (@phoenix_de) September 22, 2024
SPD 31,7%
AfD 29,3%
CDU 11,7%
B‘90/Grüne 4,7%
Linke 3,8%
BVB/Freie Wähler 2,6%
BSW 12%
Andere 4,2% pic.twitter.com/O2ORJUtnIa
AfD verbreitet Klischees auf Tiktok
Drei Jahre Corona-Pandemie, Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten – während dieser Zeit haben junge Menschen das Gefühl entwickelt, dass niemand sie nach ihrer Zukunft fragt. Die Konsequenz: Junge Menschen fallen zunehmend auf traditionelle Klischees zurück. Und genau diese nutzt die AfD auch in den sozialen Medien. Zum Beispiel postete Maximilian Krah vor der Europawahl auf Tiktok: „Echte Männer sind rechts.“ Gefährlich ist das, da manche junge Menschen sich nur über Tiktok informieren. „Einflussreiche Gruppen, die Kampagnen auf Tiktok organisieren, können die Wahrnehmungen von der Politik massiv beeinflussen“, warnt Zick. „Es fehlt an politischer Bildung und an Möglichkeiten, Rassismus und Rechtsextremismus in den sozialen Medien etwas entgegenzusetzen.“
Jungen Menschen zuhören
Was können junge Menschen also tun, um dem Rechtsruck unter ihnen entgegenzuwirken? „Das würde ich am liebsten selbst junge Menschen fragen und ihnen Zeit und Raum verschaffen, um sich besser damit auseinanderzusetzen und Projekte für ihre Generation zu entwickeln“, gibt Zick zurück. Einen Wunsch an die Politik äußert er auch: Es brauche mehr Zukunftsmodelle für junge Menschen, und die Gesellschaft müsse ihnen besser zuhören. Wichtig ist ihm außerdem, dass Parteien ihre Werte und Normen klar aufzeigen und diese nicht ständig infrage stellen. „Beim Thema Migration zum Beispiel wissen viele Jugendliche gar nicht mehr, wofür die Parteien eigentlich stehen“, erklärt er. „Da haben es rechte Gruppen mit ihren einfachen Antworten natürlich leichter.“
Von Luise Moormann
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