„Für mich ist Handwerk die Zukunft“: Lässt sich die Gen Z für körperliche Arbeit begeistern?
Die Generation Z sei faul, lautet häufig der Vorwurf älterer Menschen. Besonders wenn es um das Handwerk geht, wird der mangelnde Nachwuchs deutlich. Adrian Jung ist 22 und will diesem Trend mit seinem Start-up Jung & Fleißig entgegenwirken.
Nach dem Abitur hat Adrian Jung eine zweijährige Dachdeckerlehre im Unternehmen seines Vaters absolviert. Die Besonderheit: Neben seiner Ausbildung hat der damals 19-Jährige das Unternehmen Jung & Fleißig gegründet. „Wir sind ein Dienstleister für Haus und Garten, der hauptsächlich junge Leute, also Schüler, Studenten und angehende Studenten, beschäftigt, um sie wieder zurück in Ausbildungsberufe zu bringen, zurück ins Handwerk zu führen. Wir liefern eine praktische Berufsorientierung“, sagt der heute 22-jährige Gründer über das Unternehmen.
Rasen mähen und Unkraut zupfen
Zum Angebot gehören einfache Haushaltsdienstleistungen wie Dachreinigung, Rasen mähen, Unkraut zupfen oder Hecken schneiden. Es gehe auch darum, im Handwerk mitzuarbeiten, weswegen das Unternehmen seinen Kunden Bauhelfer und Aufräumkräfte biete. „Da geht es auch um Arbeiten, für die Gesellen zu teuer sind und auf die sie keine Lust haben, weil sie ihrem Job nachgehen wollen“, sagt der Gründer. Jung & Fleißig beschäftige um die 20 Teilzeitkräfte und Minijobber, die meisten seien zwischen 18 und 21 und das Gehalt liege bei etwa 15 Euro pro Stunde.
Der Name ist Programm
„Bei der Gewerbeanmeldung habe ich gedacht: Okay, ich heiße Jung mit Nachnamen, und die anderen sind fleißig. So heißt es jetzt inzwischen, und der Name ist wirklich Programm“, sagt der 22-Jährige. Das Fegen des Firmenhofes des Vaters sei der erste Auftrag gewesen.
Missstände und Probleme
„Da ich öfter schon auf dem Bau mitgeholfen und mir Geld dazu verdient habe, hat die Lehre mir eigentlich mehr gezeigt, was für Probleme es im Handwerk gibt, und nicht, wie viel Spaß das bringt“, sagt Adrian. Sowohl die Arbeitszeiten als auch die Anstrengung seien sehr hart, es mangele an Personal und an kompetentem Nachwuchs. „Also Nachwuchs gibt es schon. Aber während das erste Lehrjahr noch mit 60 Leuten bestückt ist, sieht man im zweiten: Die Hälfte ist schon weggebrochen“, erzählt der gelernte Dachdecker. „Es ist ein ganz großes Problem, dass nur Leute ins Handwerk gehen, die quasi gar keine andere Wahl haben, sondern den Beruf einfach ausüben müssen. Das war aus meiner Sicht das größte Problem, dass den Leuten die Motivation und vor allem die Begeisterung für diese Berufe fehlt. Wenn sich da nichts ändert, dann hat das Handwerk keine Zukunft, weil die Zahl der Gesellen, die jetzt langsam in Rente gehen, riesig ist.“ Die Zahl der Auszubildenden könne die Zahl der Altgesellen, die in den Ruhestand gehen, nicht ersetzen.
Deswegen sei es Adrian so wichtig, das Handwerk attraktiver zu machen. „Was mir bei Lehrgängen und an Schulen, aber auch schon während der Ausbildungszeit aufgefallen ist, ist besonders der Umgang mit Frauen und Mädchen. In den meisten Handwerksbetrieben sind kaum Frauen vertreten, und die Ausbilder und Gesellen, die den Azubis etwas beibringen sollen, sind häufig die, die sexuelle Übergriffe begehen und Grenzen überschreiten“, sagt Adrian. „Die ganzen alten Methoden, der Umgang mit den jungen Leuten auf der Baustelle – die muss man ein bisschen mehr mitnehmen und es ihnen beibringen. Das muss sich ändern, sonst kriegt man auch keine Leute für das Handwerk begeistert.“
Fachkräftemangel im Handwerk: Ein gesellschaftliches Problem
„Es liegt nicht an den Schülern, nicht an den jungen Leuten, sondern es sind Probleme im gesamten Bildungssystem“, sagt der ehemalige Gymnasiast. Ein besonders großes Problem am Gymnasium: Das Handwerk sei verpönt und nicht gern gesehen. „Da fragen die Lehrer nicht, was man nach dem Abitur machen, sondern was man studieren möchte. Eine Ausbildung stand gar nicht zur Wahl. Du musst studieren gehen, so ist zumindest ein Stück weit das heutige Leitbild am Gymnasium“, sagt Adrian. Aber auch die Betriebspraktika während der Schulzeit seien ein Problem gewesen: „Die waren im Winter. Wenn man ein Praktikum im Winter abhält, kann man nicht ins Handwerk gehen, außer vielleicht in die Fabrik. Aber ein Dachdecker, ein Zimmermann, der macht im Winter quasi nichts und kann keinen Praktikanten gebrauchen“, sagt Adrian. Das bedeute im Umkehrschluss, dass Gymnasiasten keinen wirklichen Einblick ins Handwerk bekommen würden. Ein weiterer großer Punkt sei die Bezahlung, die im Vergleich zu Bürojobs eher schlecht ausfalle und das Handwerk unattraktiver mache.
Während Adrian früher geplant hat, das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen, hat er heute andere Pläne und blickt kritischer darauf.
Ist die Generation Z wirklich faul?
Dass die Generation Z faul sei, ist ein Vorurteil der älteren Generationen. „Aber es bestätigt sich auch“, sagt der Gründer. Häufig sei es ein Wunschdenken junger Menschen, einen hohen Abschluss zu machen und hoch angestellt zu sein. „Hauptsache wenig arbeiten. Aber irgendwer muss natürlich auch anpacken. Und das kommt nicht von ungefähr. Die Leute, die es durchhalten und mitmachen, die sind alles andere als faul.“
„Ohne Handwerk bricht alles zusammen“
Für Adrian sei als Sohn eines Handwerksmeisters schon immer klar gewesen, dass er ins Handwerk gehen wolle. „Wenn man der Sohn eines Handwerksmeisters ist, dann ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man mindestens eine Lehre macht“, so Adrian. „Für mich ist Handwerk auf jeden Fall die Zukunft. Die Nachfrage ist immens. Schon als einfacher Selbstständiger, als Alleinstehender, kann man wirklich viel Geld verdienen. Es ist eine sehr einfache und sichere Ausbildung“, sagt Adrian. Ohne das Handwerk breche alles zusammen. „Ohne Handwerk haben wir keinen mehr, der Reparaturen macht und keinen mehr, der Häuser baut.“
Von Sandra Kopa
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