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Frohes Fest? Wie Weihnachtsfilme unsere Erwartungen prägen

Frohes Fest? Wie Weihnachtsfilme unsere Erwartungen prägen
Foto: Unsplash/Anthony Tran

Weihnachtsfilme inszenieren ein Fest voller Liebe und Harmonie. Doch für viele Menschen sieht die Realität anders aus – geprägt von mehr Chaos als Romantik und mehr Druck als Magie. Wie Filme Erwartungen wecken, die nur selten erfüllt werden.


Weihnachtsfilme laufen jedes Jahr in Dauerschleife und vermitteln uns: An Weihnachten ist alles harmonisch, die Familie vereint, und die große Liebe wartet hinterm nächsten Glühweinstand. Doch die Realität sieht oft anders aus. „Weihnachtsfilme transportieren häufig eine unrealistische Vorstellung davon, wie Weihnachten sein sollte“, sagt die Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer. „Besonders für Menschen, die mit Einsamkeit, Konflikten oder psychischen Belastungen kämpfen, kann das schmerzhaft sein.“ Dieser Kontrast zwischen Filmwelt und Realität lasse bei vielen den Eindruck entstehen, sie könnten versagen, wenn ihr eigenes Fest nicht ebenso perfekt gelingt.

Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer. Foto: privat

Familienchaos immer nur mit Happy End?

Der Klassiker „Kevin – Allein zu Haus“ ist für Weihnachtsfans an den Feiertagen unverzichtbar. Der Film erzählt die Geschichte des achtjährigen Kevin McCallister (Macaulay Culkin), der an Weihnachten von seiner Familie vergessen wird, als diese in den Urlaub fliegt. Zurückgelassen muss Kevin sein Zuhause gegen die tollpatschigen Einbrecher Harry (Joe Pesci) und Marv (Daniel Stern) verteidigen. Mit einer Reihe kreativer Fallen gelingt es ihm, die Eindringlinge fernzuhalten. Die Moral des Films fasst Kevins Nachbar Marley (Roberts Blossom) treffend zusammen: „Mit den Gefühlen für die Familie ist es ganz schön kompliziert. Im Inneren liebt man sie immer. Aber manchmal vergisst man das.“

Am Ende feiert die McCallister-Familie doch noch ein fröhliches Weihnachten. Konflikte lösen sich rechtzeitig auf, Liebe triumphiert, und selbst chaotische Situationen enden in einem perfekten Fest: Viele Menschen verspüren an Weihnachten den Druck, genau diesen Idealzustand zu erreichen. „Weihnachtsfilme können diesen Druck verstärken, da sie häufig eine fast märchenhafte Atmosphäre schaffen“, sagt Glaßmeyer.

Einsam an den Feiertagen das zeigen Weihnachtsfilme nicht

Hohe Erwartungen und Druck möchte man eigentlich nicht mit dem Fest der Liebe und der Familie verbinden. Dennoch prägen sie die Realität. Feiertage sind emotional aufgeladen und gelten als Tage der Gemeinschaft und Nähe. Das spiegelt sich in Weihnachtsfilmen wider und verstärkt bei manchen Menschen das Gefühl der Einsamkeit.

„Nur weil Weihnachten ist und zu Weihnachten sagt man die Wahrheit: Für mich bist du vollkommen“, gesteht Mark (Andrew Lincoln) Juliet (Keira Knightley) in der romantischen Weihnachtskomödie „Tatsächlich… Liebe“. Solche romantischen Gesten finden sich in zahlreichen Weihnachtsfilmen. „Tatsächlich… Liebe“ allein dreht sich um zehn miteinander verwobene Geschichten der Liebe im vorweihnachtlichen London. Was der Film ausblendet: Einige Menschen verbringen das Weihnachtsfest allein. Wer auch im Alltag unter Einsamkeit leidet, empfindet diese während der Feiertage oft noch intensiver, da gewohnte soziale Kontakte und Strukturen wegfallen.

Weihnachtsfilme, die diese Einsamkeit thematisiert, ohne sie in einem Sieg der Liebe aufzulösen, stehen wohl bei den wenigsten auf der Advents-Watchlist. Glaßmeyer rät deswegen in der Weihnachtszeit zu bewusster Planung und Selbstfürsorge. Aktivitäten wie Spaziergänge, Filme oder Bücher können den Tagen Struktur geben, während Treffen mit Freundinnen oder Freunden soziale Kontakte stärken. Wichtig sei, die eigenen Gefühle anzunehmen und sich daran zu erinnern, dass Einsamkeit keine Schwäche ist.

Foto: Unsplash/Jonathan Borba

Liebeskomödie vs. Lebenswirklichkeit

Weihnachtsfilme geben die Hoffnung auf das magische Fest nicht auf und vermitteln unterschwellig: Ist das Fest nicht perfekt, stimmt etwas nicht. Deswegen tauschen auch Amanda (Cameron Diaz) und Iris (Kate Winslet) in der romantischen Komödie „Liebe braucht keine Ferien“ Häuser, um ihrem Liebeskummer zu entkommen. Der Plan geht auf, und beide finden eine neue Liebe.
In der Realität lösen sich persönliche Probleme an Weihnachten jedoch nicht einfach in Luft auf. Für Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leiden, bedeuten die Feiertage weiterhin Angst und Stress fernab jeder Filmromantik. „Wer spürt, dass sich eine psychische Erkrankung an Weihnachten verschlimmert, sollte dieses Gefühl ernst nehmen“, rät Glaßmeyer. Wichtig sei zudem, Grenzen zu setzen und Dinge zu tun, die guttun – sei es ein Spaziergang, ein entspannendes Bad oder ein Film, der Freude bereitet. Sollte die Belastung zu groß werden, ist professionelle Unterstützung nötig. Beratungsstellen oder Hotlines wie die Telefonseelsorge stehen auch an Feiertagen zur Verfügung.

Weihnachtsfilme: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Weihnachtsfilme spielen also eine doppelte Rolle: „Sie sind ein Trost und eine Flucht aus der Realität, können aber auch unrealistische Erwartungen schüren, die zu Enttäuschungen führen, wenn die Realität dem nicht entspricht“, so Glaßmeyer. Ist das Streben nach dem perfekten Weihnachtsfest also nur eine Illusion? Vielleicht zeigt gerade die Unvollkommenheit der Feiertage: Weihnachten ist ein Fest des Menschseins – mit allen Höhen und Tiefen.

Von Luise Moormann


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