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Desistance: Vom cis Mädchen zum trans* Jungen – und zurück

Desistance: Vom cis Mädchen zum trans* Jungen – und zurück
Foto: Unsplash/Pea

Drei Jahre lang identifizierte sich Ina (Name geändert) als Junge, kämpfte zu Hause und in der Schule um Anerkennung. Heute ist sie 14 Jahre alt und lebt wieder als Mädchen. Mit MADS-Autor Robin spricht sie über die Suche nach Identität.


Trigger-Warnung: Im nachfolgenden Text werden Depressionen und eine Essstörung thematisiert.

Desistance, zu Deutsch Abstandnahme, bezeichnet einen Prozess, bei dem Kinder und Jugendliche von einer bisher angestrebten Geschlechtsangleichung absehen und dazu zurückkehren, sich mit ihrem Geburtsgeschlecht zu identifizieren. Diesen Prozess hat Ina (Name geändert) durchlebt.

Detransition oder Desistance?

Detransition ist das Rückgängigmachen der Transition. Von Desistance spricht man bei Kindern und Jugendlichen, die gegebenenfalls schon Pubertätsblocker oder Hormone nehmen, sich aber im Laufe ihrer Behandlung gegen die geschlechtsangleichende Operation entscheiden und ihr ursprüngliches Geschlecht wieder annehmen.

Ina ist 14 Jahre alt, ihre Haare trägt sie kurz und verwaschen grün. Ihr Kleidungsstil ändert sich häufig, mit dabei sind aber immer eine große regenbogenfarbene Umhängetasche und ein Pride-Armband. Sie identifiziert sich heute als cis Frau. Das war allerdings nicht immer so, noch vor einem Jahr gehörte Ina zu den rund 500.000 Menschen in Deutschland, die Teil der trans* Community sind (Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität).

Als sich Ina im Alter von elf Jahren als trans* identifizierte, war das für sie keine große Überraschung. „Es war mehr so, dass ich endlich einen Begriff gefunden habe, der mich und meine Situation in Worte fasst.“ Ihr war zwar bewusst, dass es etwas anderes als Heterosexualität und Cisgender-Identität gibt. Sie hatte bis dahin aber nie darüber nachgedacht, ob das auf sie zutreffen könnte. „Straight“ hatte sie sich zuvor trotzdem nie gefühlt. Auch ihr Freundeskreis schien nicht überrascht. „Ich glaube, denen war allen klar, dass ich queer bin“, erzählt sie mit einem Lachen.

Ina erlebt Ablehnung und Hass als trans* Junge

Als sie sich outete, waren jedoch viele aus ihrem schulischen Umfeld verwirrt. Es gab Fragen wie: „Wenn du dich als Junge identifizierst, warum trägst du dann Röcke und schminkst dich?“ Für Ina war es anfangs schwer, mit solchen Kommentaren zurechtzukommen. Für sie war ihr Aussehen nie gleichbedeutend mit ihrem Geschlecht. Allerdings lernte sie, damit umzugehen. „Mittlerweile weiß ich, dass es auch feminine Männer gibt, und dass weder Schminke noch Kleidung ein Geschlecht hat.“ Dies waren allerdings nur die harmloseren Reaktionen. Immer wieder erlebte sie Homo- und Transfeindlichkeit, sowohl verbale als auch körperliche Gewalt kamen in der Schule und außerhalb vor.

Foto: Unsplash/Kyle (Symbol)

Auch zu Hause waren die Reaktionen eher negativ. „Meine Eltern haben mich immer mit meinem Geburtsnamen angesprochen und auch nie meine richtigen Pronomen benutzt.“ Das Gefühl, als Junge anerkannt zu werden, hatte sie somit nie auch wenn sie sich sicher war, dass es ihre echte Identität ist.

Desistance: Die Abkehr von ihrer männlichen Identität

Die entscheidende Wende kam allerdings, als sie im Januar 2023 in eine Psychiatrie eingewiesen wurde. „In der Zeit, in der ich mich als Junge identifiziert hatte, hatte ich vor allem viel mit einer Essstörung zu kämpfen“, berichtet sie. Ihr Ziel war es, so weit an Gewicht zu verlieren, dass man ihrem Körper die weiblichen Merkmale nicht mehr ansehen konnte. Generell hatte sie dadurch, dass sie in ihrem Umfeld nicht akzeptiert wurde, ein sehr geringes Selbstwertgefühl. In der Klinik konnten ihre Probleme dann behandelt werden.

Bei der Behandlung ihrer Essstörung und der damit einhergehenden Gewichtszunahme lernte sie, mit ihrem Körper immer besser klarzukommen. Wie genau das zur Desistance ihrer Transidentität geführt hat, kann sie sich selbst noch nicht genau erklären. Am Ende war wohl vor allem die Unterstützung durch Menschen, die in ähnlichen Situationen waren, ein entscheidender Faktor. „Du brauchst nicht vor deiner Identität weglaufen, es ist nicht schlimm, sich Hilfe zu suchen. Du bist nicht allein mit deinem Struggle“ – diese Einsichten hätten ihr schließlich dabei geholfen, Frieden mit ihrer Identität und ihrem Körper zu schließen.

Wie verbreitet ist Desistance?

Mit der zunehmenden Aufmerksamkeit für die queere Community sind auch Berichte über Desistance häufiger geworden. Verlässliche Forschung gibt es allerdings kaum. Studien, die den Anteil von „Desistern“ zwischen 60 und 90 Prozent einordneten, riefen in der Fachwelt heftige Kontroversen wegen methodischer Fehler hervor. Eine Studie mit mehr als 700 Teilnehmenden aus Australien kommt dagegen zum Ergebnis, dass der tatsächliche Anteil von „Desistern“ bei ungefähr 4 Prozent liegen könnte.

Auf ihre frühere Identität blickt Ina heute wie auf einen vertrauten Bekannten. „Ich weiß, dass ich diese Person mal war, allerdings liegt das hinter mir.“ Für jene, die selbst Probleme mit Ihrer Identität haben, hat sie vor allem einen Rat: „Es kann sehr schwierig sein, das selbst hinzukriegen. Man muss nicht krank sein, um sich Hilfe zu holen.“

Von Robin Bläser


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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