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In der Corona-Krise: So erleben Jeffrey und Sarah Alltagsrassismus

In der Corona-Krise: So erleben Jeffrey und Sarah Alltagsrassismus
Foto: Privat/ Collage: MADS

Dass Jeffrey (19) seit der Corona-Pandemie Angst vor rassistischen Sprüchen hat, ist für ihn neu. Der Medizinstudent und MADS-Autorin Sarah (19) erzählen, wie sie Alltagsrassismus in Deutschland erleben.  


Jeffrey (19): „Busfahren als Spießrutenlauf“

Busfahren war bisher für mich nie eine Angelegenheit, die besonders aufregend war. Meistens höre ich Musik oder versinke in meine Gedanken, während ich auf meine Haltestelle warte. Seitdem aber die Corona-Pandemie ausgebrochen ist, ist es vorbei mit meiner Unbekümmertheit. Die Freunde von mir, die wie ich chinesische Wurzeln haben, erzählen von Leuten in den Öffis und auf der Straße, die sie mit „Du Scheiß Virus“ und „Ich hasse Chinesen“ anbrüllen. In den Nachrichten lese ich von Asiaten, die angegriffen und mit Desinfektionsspray besprüht werden, nur weil sie wie Chinesen aussehen. Das sorgt auch bei mir für Unbehagen, denn das Gleiche hätte auch mir passieren können. Das tägliche Busfahren wurde zum Spießrutenlauf. Einerseits galt es, möglichst nicht aufzufallen: nicht husten im Bus, obwohl nur der Hals trocken ist, nicht den anderen Menschen zu nah auf die Pelle rücken. Andererseits beobachtete ich die anderen Passagiere: Ist jemand dabei, der mir feindselig gestimmt ist und mir zur Gefahr werden kann?

MADS-Autor Jeffrey Ji-Peng Li (19)

Mir bereitete diese rassistische Feindseligkeit Sorgen und sie überraschte mich auch gleichzeitig. Ich als Person mit Migrationshintergrund bin vorher zum Glück noch nie Opfer direkter rassistischer Gewalt geworden. Vielleicht deshalb war ich auch sehr unsensibel gegenüber Rassismus. Die meiste Zeit vergesse ich, dass ich asiatisch aussehe. Wenn ich nach meiner Herkunft gefragt werde, dann erzähle ich aber auch gerne darüber. Darüber, dass meine Eltern in den neunziger Jahren für das Studium aus China nach Deutschland kamen, und darüber, dass ich aber in Hannover geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. In meinen Augen habe ich mich deshalb nicht von meinen anderen Mitschülern unterschieden. Warum muss ich mich jetzt auf einmal fürchten, nur weil ich anders aussehe?

„Sprechen Sie gut Deutsch?“

Ich blicke in meinem Leben zurück, um nach einer Antwort zu suchen, und realisiere, dass ich hier in Deutschland aufgrund meines Aussehens immer anders war – und auch immer anders sein werde. Ich erinnere mich an die erste Klasse der Grundschule zurück, als ich an den ersten Tagen heulend nach Hause kam, weil ich von einigen meiner Mitschüler „Schlitzauge“ genannt wurde. Oder an meine Führerscheinprüfung. Der Fahrprüfer begrüßte mich mit den Worten „Sprechen Sie gut Deutsch?“ und verabschiedete mich mit „Sie sind der beste Asiate, den ich bisher geprüft habe“. Ich war darüber überrascht, nicht unbedingt, weil ich mich diskriminiert fühlte, sondern weil ich es einfach nicht erwartet habe. In meinen Augen war ich wie jeder andere Teenager, der nach dem Abi endlich den Führerschein in der Tasche haben wollte. In seinen Augen wurde ich aber wohl in die Schublade der Auslandsstudenten aus China geschoben.

Rassismus „gehört halt dazu“

Rassismus ist (immer noch) allgegenwärtig und das Schlimmste ist, dass er unter der Kategorie „Gehört halt dazu“ abgelegt wird. Als dem deutschen Fußballer Jordan Torunarigha, der nigerianische Wurzeln hat, während eines Spiels Affenlaute zugerufen wurden, ließ der Schiedsrichter nichts dagegen unternehmen, obwohl er darüber Bescheid wusste. Stefan Chatrath, stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission des Landessportbundes Berlin, bagatellisierte später in einem Beitrag die rassistischen Beleidigungen und schrieb, dass Torunarigha diese hätte aushalten müssen. Ich fragte mich selbst: Könnte ich es so einfach aushalten, wenn mir jemand im Bus zubrüllen würde: „Du hast den Virus hier hergebracht“? An wen könnte ich mich dann überhaupt wenden? Die anderen Passagiere werden vermutlich einfach wegschauen. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als das auszuhalten, obwohl ich nichts getan habe, außer anders auszusehen.

Von Jeffrey Ji-Peng Li


Sarah (19): „Was Rassismus mit mir macht“

Ich arbeite seit knapp zwei Jahren als Kellnerin in einem Restaurant – dort bin ich schon den unterschiedlichsten Menschen begegnet: Großfamilien, Geschäftsleuten, Hardcore-Fußballfans oder sturen Persönlichkeiten, die nach Küchenschluss noch unbedingt etwas essen wollten. Letztere blieben mir eher schlecht in Erinnerung.

Vor einigen Wochen, als es aufgrund der Corona-Krise schon kaum noch Gäste in unserem Restaurant gab, hatte ich eine sehr unangenehme Begegnung mit einer Kundin. „Ich möchte noch etwas essen“, sagte die dunkelhaarige Frau um kurz nach halb elf, während sie zusammen mit ihrer männlichen Begleitung an einem der größten Tische im Restaurant Platz nahm. Freundlich verwies ich sie auf die Uhrzeit und teilte ihr mit, dass die Küche leider schon geschlossen hatte. Mit enttäuschter Miene bestellten meine letzten Gäste des Abends, zwei kleine Biere – zwei Holsten. Ich tippte die Bestellung in die Kasse ein und widmete mich wieder dem Tischewischen – schließlich war ich Schlussschicht des Abends und musste den Laden wieder blitzblank hinterlassen.

„Ich hasse Schwarze“

Einige Minuten vergingen, als die Frau und der Mann dann nach der Rechnung fragten. 5,80 Euro betrug der Gesamtbetrag. ich weiß das noch so genau, weil mir dieser Abend besonders krass in Erinnerung geblieben ist. Der Mann zahlte die Rechnung – und entschuldigte sich für das kaputte Bierglas, die Frau hatte es versehentlich zerbrochen. Während ich den Geldschein entgegennahm, fragte sie mich, ob sie denn noch etwas essen könne. Leicht verwirrt aber trotzdem freundlich erklärte ich ihr erneut, dass die Küche schon geschlossen hatte. Diesmal reagierte die Frau aber anders. Sie begann mich zu beleidigen, sagte mir ins Gesicht, dass sie alle Schwarzen hasse und diese doch aus Deutschland raussollen – ihre Begleitung schwieg und starrte auf den Tisch.

MADS-Autorin Sarah Danquah (19)

Ich blieb äußerlich ruhig – es war nicht das erste Mal, dass mir sowas auf der Arbeit passierte. Genauer gesagt wurde ich an demselben Tag bereits von einem anderen Gast rassistisch beleidigt. Er war aber psychisch verwirrt. Die Frau war hingegen noch bei allen Sinnen.

Mein Herz raste und ein Knoten bildete sich in meinem Hals, als ich die Frau aufforderte das Lokal zu verlassen. Weitere Beleidigungen prasselten auf mich ein. Mir reichte es. Zum zweiten mal an dem Tag, rief ich die Aufsichtsleitung zur Hilfe – die ahnte bereits, was vorgefallen war.

Betrunkenheit als Ausrede für Rassismus

Als dann mein weißer Vorgesetzter vor ihr stand, verneinte sie all die Beleidigungen gegen mich und verließ das Restaurant – ihre Begleitung folgte ihr nichtssagend. Ich schilderte der Aufsichtsleitung, was geschehen war – als der Mann wieder das Lokal betrat. Er wolle sich für das Verhalten der Frau entschuldigen – er habe sie erst heute getroffen und zu einem Getränk eingeladen. Mit der Entschuldigung konnte ich nur wenig anfangen. Ich fragte ihn, warum er denn nicht eingegriffen hatte, als ich beleidigt wurde. „Sie hat getrunken“ und mit Betrunkenen diskutiere man nicht, das bringe nichts, war seine Begründung. „Betrunkene Worte sind nüchterne Gedanken“ dachte ich mir in dem Moment. Betrunkenheit als Ausrede oder Gerechtfertigung für Rassismus? Mir wurde die Diskussion zu viel und ich drehte mich kommentarlos um.

Tränen schossen mir in meine Augen, als ich versuchte mich zu beruhigen. Ich ging auf die Toilette, um einen kurzen Moment alleine zu sein. Bei einem Blick in den Spiegel, brach in dann in Tränen aus. „Warum sehen Menschen nur, dass ich schwarz bin?“ fragte ich mich. Mit verweinten Augen ging ich zurück ins Restaurant, wo mein Vorgesetzter mich abfing und ins Büro holte.

Er redete auf mich ein und sagte mir, dass sowas niemals passieren dürfe und alle hinter mir stehen. Auch er verstehe nicht, warum Menschen ausländerfeindliche Gedanken haben und versicherte mir, dass ich ein fester und gewollter Teil der Gesellschaft sei. Wieder brach ich in Tränen aus – gerührt von seiner Ansprache, aber auch verletzt von den ständigen Provokationen im Alltag.

„Zu einem Ohr rein zum anderen raus“

Meine Mama hat mir immer gesagt, dass solche Anfeindungen „zu einem Ohr rein und zum anderen raus“ sollen – bei mir ging es eher zu einem Ohr rein und direkt ins Herz. Der Vorfall hatte in den folgenden Tagen einen unbewussten Einfluss auf mich: Wenn ein Gast mich zu lange ansah oder etwas unfreundlich wirkte, bereitete ich mich schon mental auf mögliche Beleidigungen vor. Ich musterte mein Umfeld nach möglicher Hilfe um und überlegte, wie ich am besten reagiere. Als ich mich bei diesen Gedanken ertappte, wurde mir erst wirklich bewusst: Rassismus lässt mich voreingenommen und verschlossen werden – das genaue Gegenteil meines Charakters. Ich will anderen Menschen nicht die Kontrolle oder die Kraft darüber geben, wie ich mich in Deutschland – in meinem Heimatland – fühle. Dinge adressieren und an mir abprallen lassen, daran werde ich in nächster Zeit arbeiten. Alltagsrassismus wird oftmals verherrlicht oder unter den Teppich gekehrt, ohne zu verstehen, was das eigentlich mit den Menschen macht.

Von Sarah Danquah


Über den Autor/die Autorin:

Jeffrey Ji-Peng Li

Jeffrey (23) studiert Medizin, obwohl er noch nie Grey‘s Anatomy geschaut hat. Trotzdem schreibt er gerne über Filme und Serien, aber auch über den Uni-Alltag und was ihn sonst beschäftigt.

2 Bemerkungen

  1. frederic

    Ganz ehrlich? Wo ist in der zweiten Hälfte die Verbindung zur Überschrift (Corona-Krise)? Was da geschehen ist, ist definitiv falsch, aber wird hier in meinen Augen eher kontextlos zur eigenen Profilschärfung genutzt. Als Jungjournalistin sind Sie trotz aller objektiver Einbindung in den aktuellen, nahezu tagespolitischen Diskurs keine Bloggerin à la Hengameh Yaghoobifarah oder Tarek Tesfu; Ihre (ja, recherchierte) Artikelhistorie macht allerdings einen gegenteiligen Eindruck.

    Schreiben Sie über andere und anderes, nicht über sich.

    Viel Erfolg weiterhin!

    Antworten
    • hans

      bullshit

      Antworten

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