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Der Fall Daniela Klette: Warum wissen wir so wenig über die RAF?

Der Fall Daniela Klette: Warum wissen wir so wenig über die RAF?
Foto: BKA via AP

Als RAF-Mitglied Daniela Klette im Februar in Berlin verhaftet wird, ist die Auflösung der RAF 26 Jahre her. Ihr Fall zieht eine große Debatte in linken Kreisen nach sich. Was wissen wir über die dritte Generation der RAF? Und warum solidarisieren sich viele, gerade junge Leute mit einer Terroristin?


Der Fall Daniela Klette macht seit Wochen Schlagzeilen. Mehr als 30 Jahre lang fahndete die Polizei nach der RAF-Terroristin aus der dritten Generation. Als sie gefasst wird, ist die Auflösung der Roten Armee Fraktion (RAF) 26 Jahre her. Historiker und RAF-Experte Robert Wolff erklärt, warum wir so wenig über die dritte Generation der RAF wissen und weshalb Klettes Fall für Aufregung sorgt.

Foto: Robert Wolff

Daniela Klette und die dritte Generation der RAF

Daniela Klette war laut Anklage des Generalbundesanwalts ein Teil der RAF-Gruppe um Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Es wird bei dieser Gruppe oft von der dritten Generation gesprochen. Wolff erklärt aber: „Der Generationsbegriff ist in der RAF-Forschung äußerst umstritten und sollte mit Vorsicht verwendet werden.“ Der Gruppe wird ein durchgeführter Bombenanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt, ein versuchter Bombenanschlag auf das technische Zentrum der Deutschen Bank in Eschborn, ein Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn, sowie mehrere Raubüberfälle angelastet. Die Morde der sogenannten dritten Generation können der Gruppe nicht angelastet werden, da diese bis heute noch nicht aufgeklärt seien, sagt der Experte.

Die Taten der RAF in den 80er- und 90er-Jahren sind um einiges schwerer aufzuklären als die der Generationen zuvor, da die Terrorgruppe zum Schluss nur noch in sogenannten Zellenstrukturen agierte. Das bedeutet: Jede kleine Gruppe handelte für sich, was auch erklärt, warum manche Anschläge mit viel technischem Wissen und andere anscheinend unüberlegt ausgeführt wurden. „Über die Anzahl der Mitglieder der RAF Mitte Ende der 80er-Jahre gibt es keine gesicherten Informationen, außer auf der Ebene des Verfassungsschutzes“, sagt Wolff. Deswegen ist die Öffentlichkeit von den Aussagen der ehemaligen RAF-Mitglieder wie Klette abhängig, die es nach Wolffs Prognose aber nicht geben wird. „Wenn man ihr alles nachweisen kann, was sehr unwahrscheinlich ist, dann wird sie am Ende eine Strafe von weniger als zehn Jahren Haft bekommen“, sagt Wolff. Wenn man Verkürzungen und Untersuchungshaft einrechne, sei Klette voraussichtlich nach wenigen Jahren wieder frei. Wolff erklärt: „Eine Kronzeugenaussage ist bei ihr völlig irrelevant. Sie hätte nichts davon, außer in dem eignen Milieu als Verräterin zu gelten.“ Es wird also seiner Prognose nach noch dauern, bis es weitere Informationen zu den anderen Anschlägen der RAF geben wird.

Kritik an Solidaritätsbekundungen

Laut Wolff könnte das fehlende Wissen über diese Zeit ein Grund für die Solidaritätsproteste sein, die in den Wochen nach Klettes Verhaftung in Deutschland stattfanden. Es fehle an wichtiger Aufklärungsarbeit gerade bei jungen Menschen, meint er. Häufig würden diese die RAF nur aus Spielfilmen und Dokumentationen kennen. Wolff befürchtet, dass die RAF-Mitglieder so als cool oder als Märtyrer für eine vermeintlich gute Sache dargestellt werden. Es gelte zu bedenken, dass die RAF-Mitglieder mehr als 33 Menschen umgebracht und zahlreiche Leben und Familien auf Dauer zerstört haben.

Foto: Koshu Kunii/Unsplash

Der Experte fordert: „Legt die Akten offen.“ Der Verfassungsschutz wisse fast alles, weigere sich aber die RAF-Geschichte durch Historiker und Historikerinnen aufarbeiten zu lassen und für die breite Masse zugänglich zu machen. „Staatliche Behörden wie die verschiedenen Verfassungsschutzämter hatten beim Aufbau und gegebenenfalls auch an anderer Stelle ihre Finger im Spiel, was die RAF-Geschichte angeht“, erklärt Wolff. „In welcher Art und Weise und in welcher Intensität der Verfassungsschutz an der RAF über V-Männer beteiligt war, wissen wir nicht genau. Aber wir wissen zum Beispiel, dass die Erstbewaffnung der RAF eben unter staatlichem Wissen, unter anderem durch das Bereitstellen von Waffen, erfolgt ist.“ Wolff wurden Akten des Verfassungsschutzes zur Verfügung gestellt, aus denen eine Beteiligung des Verfassungsschutzes über V-Männer am Aufbau der RAF hervorgeht. Er kritisiert darüber hinaus, dass aufgrund der fehlenden Aufarbeitung auch ein Gedenkort für die Angehörigen der 33 Mordopfer der RAF fehle.

Die Zeit der RAF ist heute unvorstellbar

Gerade für die jüngeren Generationen ist die Zeit der RAF, die sich in den 70er-Jahren gründete, eine unvorstellbare. Fast jeden Tag gab es in der BRD damals einen Bombenanschlag durch verschiedene Gruppen. Wolff erklärt, dass in dieser Zeit mehrere linke und rechte terroristische Vereinigungen aktiv waren und die Gewalt von allen Seiten kam. Nie wieder konnte man in Deutschland so einfach an Waffen kommen wie in den 1970er Jahren. Die Zeit der RAF hinterlässt bis heute viele Fragen. Antworten ist der deutsche Staat noch schuldig.

Info: Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen will, findet hier einen Podcast zur Geschichte der RAF in Hessen von der hessischen Landeszentrale für politische Bildung.

Von Olivia Bodensiek


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Über den Autor/die Autorin:

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