Von unbezahlt bis 1200 Euro Gehalt: Studierende berichten vom Praktikum
Wenn Studierende Berufserfahrung sammeln wollen, geht der Weg an einem Praktikum kaum vorbei. Doch häufig sind Praktika schlecht oder gar nicht bezahlt. Vier Studierende erzählen, welche Erfahrungen sie gemacht haben und ob sie sich ausgenutzt fühlen.
Alex Budnitskiy (24), Psychologie in Jena
Derzeit mache ich ein fünfmonatiges Teilzeitpraktikum in einer Tagesklinik in Jena – unbezahlt. Ich studiere Psychologie und arbeite nebenbei fünf Stunden pro Woche in einem Nebenjob, weil ich mir sonst in meiner Freizeit kaum noch etwas leisten könnte. Durch den Nebenjob komme ich finanziell schon zurecht. Neben dem Praktikum muss ich auch noch ein Statistikmodul an der Uni belegen, und gerade mache ich auch noch ein empirisches Praktikum. Das ist ziemlich viel, ich habe es mir aber so ausgesucht, und ich bereue meine Entscheidung auch nicht. Ich habe das Studium begonnen, damit ich Menschen verstehen kann. Jetzt kann ich Menschen nicht nur verstehen, sondern ihnen auch helfen.
Dennoch finde ich das unbezahlte Praktikum überhaupt nicht gerecht. Ich habe zwar das Privileg, Bafög zu bekommen, jedoch können viele aus meinem Bekanntenkreis nicht darauf zurückgreifen. Meiner Meinung nach sollten wir wenigstens irgendetwas für das Praktikum bekommen, seien es nur 100 Euro im Monat oder bezahltes Mittagessen. Das Praktikum ist für mich wichtig, um mir in der Zukunft die Option offenzuhalten, in einer Klinik als Psychologe zu arbeiten. Ich hätte auch in die Wirtschaft gehen können, dort wird wesentlich besser bezahlt. Wer sich hingegen für ein Praktikum in der Pflege oder in der Forschung entscheidet, hat es oft noch schlechter. Das ist wirklich harte Ausnutzung.
Andererseits gefällt mir das Praktikum in der Tagesklinik, ich bekomme wirklich viele Aufgaben und kann auch bei Patientengesprächen dabei sein. In dieser Hinsicht lohnt es sich also. Mein inneres Wetter in Bezug auf Praktika kann man wohl am besten als durchwachsen bezeichnen: Einerseits scheint die Sonne, weil man so viele Erfahrungen sammelt. Andererseits tobt ein Sturm in mir, weil die Bedingungen so mies sind. Und das macht mich traurig.
Jennifer Kramer (22), Politikwissenschaft in Hannover
Ich studiere derzeit im letzten Semester Politikwissenschaften. Mein Studium finanziere ich mir selbst. Für mein zweimonatiges Pflichtpraktikum bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt bin ich extra nach Berlin gezogen. Das war mir aber schon früh klar, weil Berlin im Bereich Politik einfach mehr zu bieten hat als andere deutsche Städte. Von Beginn an wird mir in der Redaktion sehr vieles zugetraut. Ich finde es gut, dass ich etwas mitkriege und Aufgaben mit viel Verantwortung übernehmen darf. Ich sitze da nicht einfach nur rum, sondern hab wirklich acht Stunden lang richtig was zu tun. Ich bin zwar immer noch in einer Anfangsphase, fühle mich aber nicht wirklich als Praktikantin.
Als Aufwandsentschädigung bekomme ich 400 Euro – unbezahlt wäre mir Berlin auch viel zu krass gewesen. Meine Lebenshaltungskosten kann ich davon trotzdem nicht decken. Gerade, was die Miete angeht, kann man die Kosten in einer fremden Stadt am Anfang überhaupt nicht einschätzen. Ich hab zum Glück eine gute Lösung gefunden, kenne aber Leute, die in den zwei Monaten teilweise in insgesamt drei WGs unterkommen. Weil ich kein Bafög bekomme, muss ich aber wirklich schauen, dass ich mir mein Geld einteile und mir einen Plan mache. Das ist natürlich stressig und heikel. Und das, obwohl ich viel vorgearbeitet und mir einen Puffer geschaffen habe. Damit muss ich dann einfach hinkommen. Man hat das immer im Hinterkopf, das kann angsteinflößend sein. Jede nicht kalkulierbare Ausgabe sprengt den Plan.
Ich glaube schon, dass mich das Praktikum weiterbringt, und sehe das als eine Investition in meine Zukunft, die sich irgendwann auszahlt. Es sind wertvolle Erfahrungen, auf die ich nicht verzichten will. Da ist es auch okay, mal länger nur Nudeln mit Pesto zu essen. Trotzdem fällt mir vermehrt auf, dass das System eines Praktikums darauf ausgelegt ist, dass man Bafög bezieht. Anders kann man sich das kaum leisten. Von den 400 Euro kann ich gerade so meine Miete bezahlen. Für alles andere zahle ich drauf.
Müssen Praktika bezahlt werden? Das sagt das Gesetz
Ob Praktika vergütet werden müssen, hängt vor allem von der Art des Praktikums ab. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Praktika: freiwillige und Pflichtpraktika. In diesen Fällen müssen Praktika nicht bezahlt werden:
1. Pflichtpraktika, die im Rahmen der Ausbildung oder des Studiums absolviert werden – egal, wie lange sie dauern.
2. Praktika, die freiwillig zur beruflichen Orientierung vor der Ausbildung oder dem Studium absolviert werden und nicht länger als drei Monate dauern.
3. Praktika, die freiwillig während des Studiums oder der Ausbildung absolviert werden und nicht länger als drei Monate dauern.
4. Der Praktikant oder die Praktikantin ist minderjährig und hat noch keine Ausbildung abgeschlossen.
Bei freiwilligen Praktika stehen die Chancen auf eine Bezahlung besser. In diesen drei Fällen müssen Praktika bezahlt werden:
1. Das Praktikum wird freiwillig während des Studiums oder der Ausbildung absolviert und dauert länger als drei Monate.
2. Das Praktikum wird freiwillig und nicht ausbildungsbezogen absolviert, zum Beispiel ein Praktikum in einem Kindergarten, wenn man Jura studiert.
3. Das Praktikum beginnt, nachdem die Ausbildung oder das Studium bereits abgeschlossen sind – egal, wie lang das Praktikum dauert.
Johannes Eisele (21), BWL in Mannheim
Ich studiere im zweiten Semester in Mannheim Betriebswirtschaftslehre. Ursprünglich komme ich aus Leipzig und habe nach meinem Realschulabschluss ein Auslandsjahr gemacht, dann bin ich auf ein Berufliches Gymnasium gegangen. In der Zeit wollte ich viel ausprobieren und viele Stationen durchlaufen. Mein Traum ist es, eines Tages in einer Bank zu arbeiten. Das plane ich schon seit vier Jahren. In der Finanz- und Wirtschaftsbranche geht es oft sehr kompetitiv zu, deswegen versuche ich, mit möglichst vielen Praktika Erfahrung zu sammeln.
Ich habe vor meinem Studium bereits vier Praktika absolviert, darunter Praktika bei einer Landesbank und in einem Maklerbüro in Leipzig. Für einen Monat war ich auch Praktikant bei einem nachhaltigen Aktienfonds. Mein letztes Praktikum fand bei Deloitte statt, das ist eines der größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Deutschland. Dort wurde ich auch am besten bezahlt: Insgesamt habe ich 1200 Euro im Monat bekommen, außerdem wurden die Reisekosten übernommen. In der Zeit war ich häufig für das Unternehmen unterwegs. Das waren dann häufig auch mehr als 40 Stunden Arbeit in der Woche.
Bei der Landesbank habe ich aber zum Beispiel gar keine Vergütung bekommen, obwohl ich da auch in Vollzeit gearbeitet habe. Heute würde ich kein unbezahltes Praktikum mehr machen. Meiner Meinung nach sollte niemand während eines Praktikums draufzahlen müssen. Zumindest die Wohnkosten und das Mittagessen sollten abgedeckt sein.
Antonia Luigs (19), angehende Studentin
Ich habe mit 18 mein Abitur gemacht und war zu dem Zeitpunkt noch nicht an dem Punkt, dass ich direkt studieren wollte. Die Möglichkeit, ein Praktikum zu machen, hatte ich durch Corona bis dato nie. Ich habe zu dem Zeitpunkt noch bei meinen Eltern gewohnt und mich dann entschieden, ein dreimonatiges Praktikum in einem kleinen Theater in Köln zu machen. Dort war ich in dem Bereich Presse und insbesondere Requisite tätig, was mir super viel Spaß bereitet hat. Ich war mittendrin und durfte sehr vieles miterleben und begleiten.
Das Praktikum zu machen war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, um mich auszuprobieren. Ich weiß, dass ich da sehr viel Glück hatte, mit großartigen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen. Das Praktikum war unbezahlt – das war aber von Beginn an so abgesprochen und vertraglich festgehalten. Die Tatsache, dass ich während meiner Praktikumszeit nicht bezahlt wurde, ergibt sich vermutlich mit daraus, dass die Kulturbranche im Allgemeinen nicht die bestbezahlte Branche ist. Ich denke nicht, dass die einfach keine Lust hatten, mich zu bezahlen. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht auf Geld angewiesen: Ich habe zu Hause gewohnt und wollte mich einfach ausprobieren.
Ob ich das heute wieder so machen würde? Unter den Umständen vermutlich nicht. Ab und an habe ich es schon mal zu spüren bekommen, dass ich „nur“ die Praktikantin bin. Manchmal wurde ich aber auch mit Aufgaben überhäuft. Dass ich das gemacht habe, hängt vor allem mit dem Privileg zusammen, dass ich bei meinen Eltern ein Dach über dem Kopf hatte, das ich nicht selbst finanzieren musste.
Aufgezeichnet von Arne Seyffert und Sandra Kopa
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Praktikanten für lau arbeiten zu lassen ist einfach abartig und sittenwidrig. Es erinnert an die dunkelsten Zeiten der Menschheit, die Sklaventätigkeit. Hat sich mal irgendjemand von der einstellenden Firma selbst gefragt, ob er für nix irgendeine Arbeit machen würde? Eher wohl nicht. Und noch schlimmer ist es, wenn das sog. „Gesetz“ das so zulassen. Aber es ist ja schön einfach, eine Zwangssituation von Auszubildenen ausnutzen zu können. In den meisten Fällen wird dann damit auch einem Fachkräftemangel der Boden bereitet, denn wer will schon in einer Brache oder Firma arbeiten wollen, wo Mitarbeit nicht wertgeschätzt wird? DAS sollte sich mal tiefgründig überlegt werden…
Grüße Daniel
Zunächst ist die Grundausbildung in der Schule wichtig! Möglichst ein Studienfach aus dem Mint-Bereich wählen und und wichtige Voraussetzung Zwischenprüfungen mit mindestens der Note „Magna cum laude“ abschließen .d.h.1,4 -2.3. Dann werden durchaus interessante Praktika angeboten. Praktikumszeit 6 Monate, Entgelt bis zu 2000€ ,15 Tage bezahlter Urlaub und 35 Stunden Arbeitswoche. Bei guten Praktkumsleistungen werden dann häufig Vorverträge zwecks späterer Anstellung angeboten.
Nach eigenen Erfahrungen in der Familie!